ADB:Osterwald, Wilhelm
Danneil ihn vor allem zum Studium der Botanik anregte. Mit 14 Jahren wurde er Zögling der Pensionsanstalt der Francke’schen Stiftungen in Halle und besuchte als solcher die lateinische Hauptschule. Durch eine Reihe ausgezeichneter Lehrer, wie Bergk, Eckstein, Scheibe wurde er hier schon tiefer in die philologischen Studien eingeführt, als dies sonst auf Gymnasien der Fall zu sein pflegt. In den Jahren 1840 bis 1844 studirte er Philologie in Halle, wo er zwar wegen Mangels an Mitteln ein sehr eingeschränktes aber geistig desto regsameres Leben führte, und begann nach Beendigung seiner Studien unter Eckstein’s Rectorat an der Latina daselbst sich für den praktischen Lehrerberuf auszubilden. Schon im [727] folgenden Jahre berief ihn der Director H. A. Niemeyer als Inspectionslehrer an das Königliche Pädagogium in Halle; 1850 ging er als Conrector am Domgymnasium nach Merseburg und Michaelis 1865 übernahm er das Directorat des Gymnasiums in Mühlhausen in Thüringen. Fünfzehn Jahre später wurde ihm auch die Oberleitung des Real-Progymnasiums übertragen, und für beide Anstalten sorgte er mit seltener Treue, bis ihn im Herbst 1886 ein schweres Lungenleiden befiel, das am 25. März 1887 seinen Tod zur Folge hatte. Den ungefähr acht Tage vorher erfolgten Tod seiner Gattin, mit der ihn ein selten inniges Verhältniß verband, und die ihn in seiner letzten Krankheit mit aufopferndster Treue gepflegt hatte, hat er nicht mehr erfahren. Zwei Jahre später, am 18. Juni 1889, wurde sein von dankbaren Schülern und treuen Freunden gestiftetes Denkmal in Mühlhausen eingeweiht.
Osterwald: Karl Wilhelm O., Pädagog und Dichter, wurde am 23. Februar 1820 zu Bretsch bei Osterburg in der Altmark geboren, wo sein Vater Lehrer war, erhielt durch diesen und durch einige wohlwollende Geistliche den vorbereitenden Unterricht und trat dann in das Gymnasium zu Salzwedel ein, dessen damaliger RectorO. war ein reich begabter und vielseitig gebildeter Mann, und als solcher bekundet er sich auch in seinen Schriften. Diese sind theils streng wissenschaftliche Arbeiten aus der comparativen Mythologie („Iwein, ein keltischer Frühlingsgott“, 1853; „Homerische Forschungen. 1. Theil. Homer-Odysseus. Mythologische Erklärung der Odysseussage“, 1853), theils pädagogische Schriften, durch welche er der Jugend die Schätze des classischen Alterthums und des deutschen Mittelalters nahe zu bringen suchte („Erzählungen aus der alten deutschen Welt“, VIII, 1848–66, zum Theil in 6. Auflage; „Helden der Sage und der Geschichte, nach ihren Dichtern für die deutsche Jugend geschildert“, II, 1886), theils Darbietungen auf dem Gebiete der Dichtkunst, und gerade hier zeigt sich O. als ein vielseitiger und fruchtbarer Dichter. In seinen „Gedichten“ (1848, 3. verm. Aufl. 1873) hat der Lyriker den ersten Platz; die Natur-, Wander- und Liebeslieder sind so zart und lieblich, jugendlich heiter, von so großem Wohllaut und dabei so einfach und allgemein verständlich, daß man ein Volkslied zu hören glaubt, und es ist daher ganz erklärlich, daß zahlreiche Componisten, vor allem Osterwald’s Freund Robert Franz, gegen 70 Lieder vertont haben. In den Gedichtsammlungen „Im Freien“ (1862) und „Im Grünen“ (1853) wiegt die Naturbetrachtung und das elegische Versmaß vor; als patriotischer Dichter von starkem Gefühl tritt O. auf in seinen Sammlungen „Bleibt einig! Zeitgedichte“ (1870) und „Deutschlands Auferstehung“ (1871), während er in „Zur häuslichen Erbauung“ (1854) religiöse Gedichte, reich an poetischer Empfindung, bietet. Hierher gehören auch die von O. gedichteten Texte zu zwei Cantaten „Winfried und die heilige Eiche bei Geismar“ (componirt von H. D. Engel in Merseburg) und „Frühlingsfeier“ (componirt von G. Schreiber in Mühlhausen) und zum Oratorium „Die Auferweckung des Jünglings zu Nain“ (componirt von G. Schreiber). Die beiden Dramen Osterwald’s „Rüdeger von Bechlaren“ (1849) und „Walther und Hildegunde“ (1867) behandeln die bekannten Stoffe aus der hunnisch-germanischen Sage, und sind besonders im ersteren die Hauptpersonen so klar gezeichnet, daß sie sich unser Interesse bis zum Schluß des Stückes erhalten. Weniger befriedigt das lang ausgesponnene epische Gedicht „König Alfred“ (1855), das in der Titurelstrophe Wolfram’s von Eschenbach geschrieben ist, die den meisten Lesern doch nur fremd ist und auch fremd bleiben wird.
- Heinrich Kurz, Literaturgeschichte, 4. Bd., S. 18, 362, 505. – Karl Leimbach, Die deutschen Dichter der Neuzeit u. Gegenwart, 7. Bd., S. 443. – Saale-Zeitung, Nr. 73 u. 118, Jahrg. 1887 (Dr. A. Borst). – Programm des Gymnasiums zu Mühlhausen, Ostern 1888.