ADB:Nolte, Ernst Ferdinand
Dr. Sachse in den alten Sprachen und den Naturwissenschaften unterrichtet wurde. Dadurch erwuchs in N. seine Neigung zur Botanik, die er durch eifrige Betheiligung an botanischen Excursionen bethätigte. Dem Eintritt in das französische Heer entzog er sich durch die Flucht, die ihn nach manchen Irrfahrten schließlich nach Goslar führte, wo er bei dem Apotheker Braunholz Aufnahme als Lehrling fand. Aber auch diese Stelle hielt er nur ein halbes Jahr inne, um Michaelis 1813 die Universität Göttingen zu beziehen. Er widmete sich dem Studium der Medicin mit voller Hingebung, trieb aber daneben ebenso eifrig Botanik, wobei ihm die Bekanntschaft von Männern wie Wallroth, Flöreke, Wahlenberg, Lehmann und Schouw anregend und von großem Nutzen wurde. Seine regelmäßigen Excursionen führten ihn nach den verschiedensten Gegenden Norddeutschlands. Lauenburg, dessen Specialflorist er später wurde, scheint er 1815 zuerst bereist zu haben. Im J. 1817 wurde N. zum Dr. med. promovirt und begab sich nunmehr zur Fortsetzung seines Studiums nach Berlin. Neben seiner medicinisch-praktischen Thätigkeit in dem Charitékrankenhause botanisirte er hier viel mit Schlechtendal. Im Herbste 1818 verließ er Berlin und begab sich nach einer kurzen Wirksamkeit als Assistent des Botanikers Meyer in Göttingen, im Sommer 1820 nach Ratzeburg, wo zur Zeit seine Familie weilte. Gelegentlich eines Aufenthaltes im benachbarten Mölln lernte N. den Kopenhagener Professor der Botanik, J. W. Hornemann kennen, den Herausgeber der Flora Danica. Dieser wußte N. zum Mitarbeiter für sein großes Werk zu gewinnen und es begann nun für ihn eine Zeit reger Thätigkeit im Interesse der dänischen Flora. Wiederholentlich bereiste er, von der dänischen Regierung unterstützt, von 1821 bis 1823 behufs floristischer Erforschung Lauenburg und die Elbherzogthümer, und siedelte, reich an Pflanzenschätzen und Erfahrungen, auf Hornemann’s Veranlassung [761] 1824 nach Kopenhagen über. Ein Jahr darauf erschien seine erste Arbeit „Botanische Bemerkungen über Stratiotes und Sagittaria“, von der Gesellschaft für Wissenschaft in Kopenhagen mit der silbernen Medaille gekrönt. In Großquart, mit 2 Tafeln versehen, enthält die Abhandlung namentlich eine gründliche Untersuchung der Fortpflanzungsverhältnisse der behandelten Pflanzen, sowol der ungeschlechtlichen, durch Wurzelbrut, als auch der interessanten sexuellen Differenzirungen, sowie eine genaue Darstellung ihrer geographischen Begrenzung. Seine floristische Thätigkeit setzte N. daneben ununterbrochen fort. Er durchforschte Seeland, Fühnen, Jütland und die Inselgruppen an beiden Küsten des schleswig-holsteinischen Festlandes. Im Sommer 1826 erhielt er die Professur der Botanik und die Direction des botanischen Gartens in Kiel. Freudig lag er seinem Lehrberufe ob. Der berühmte Erforscher der Pflanzenwelt Australiens, Ferdinand v. Müller in Melbourne, ist sein Schüler gewesen. Gleichzeitig wurde N. der Mittelpunkt aller floristischen Bestrebungen in den Elbherzogthümern. Seine Thätigkeit für die Flora Danica stellte er mit dem Jahre 1840 ganz ein. Der botanische Garten in Kiel nahm unter seiner Leitung einen kräftigen Aufschwung. Nach einer langen Reihe von Jahren ungetrübten Schaffens trafen ihn herbe Schicksalsschläge. Der plötzliche Tod seiner Gattin, der Tochter des Physikers Pfaff (1860), erschütterte erheblich seinen Gesundheitszustand. Seine Sehkraft nahm rasch ab; eine Lähmung der rechten Hand machte ihm das Schreiben schwer und eine heftige Bronchitis, die ihn 1864 befiel, vergrößerte sein Siechthum. Trotzdem machte er noch in der ersten Zeit, durch glückliche Badekuren zeitweilig gekräftigt, manche botanische Ausflüge, selbst nach der Schweiz, nach Baiern und Oesterreich und später, im Wagen seine botanischen Freunde begleitend, freute er sich ungemein, sie zu irgendwie interessanten botanischen Fundorten führen zu können. Nachdem er noch 1867 sein fünfzigjähriges medicinisches Doctorjubiläum gefeiert, wurde er 1873, seines gebrochenen körperlichen Zustandes wegen pensionirt. Erbeten hatte er den Ruhestand nicht, ertrug ihn aber mit Resignation; wie er denn auch während seiner Leidenszeit still und heroisch litt. Ein leichter Tod erlöste ihn im Alter von 84 Jahren.
Nolte: Ernst Ferdinand N., Botaniker, geb. zu Hamburg am 24. December 1791, † zu Kiel am 13. Februar 1875. Einen planmäßig geregelten Jugendunterricht scheint N. nicht genossen zu haben. Nach allerhand privaten Unterweisungen in den Elementarfächern in seiner Vaterstadt, kam er, ein achtzehnjähriger Jüngling, nach Schwerin, wo er von dem HofmedicusN. war einzig und allein Systematiker; er wollte auch nicht mehr sein. Dafür darf er aber den Ruhm, der zweite Vater der Flora der Elbherzogthümer zu sein, voll in Anspruch nehmen. Seine jahrelangen floristischen Untersuchungen der Herzogthümer Schleswig-Holstein und Lauenburg hatten nämlich schließlich zu einer Publication geführt, welche unter dem Titel „Novitiae florae holsaticae, s. supplementum alterum Primitiarum florae holsaticae G. H. Weberi“ 1826 in Kiel herauskam. Die zweite Benennung der Schrift als Supplement rührt daher, daß N. mit seiner Arbeit Bezug nimmt auf zwei früher erschienene Abhandlungen von Weber: „Primitiae florae holsaticae“ (1780) und „Supplementum flor. hols.“ (1787). Doch bietet seine Arbeit des Neuen sehr viel, so daß mit ihrem Erscheinen in der floristischen Litteratur über das durchforschte Gebiet ein vorläufiger, aber guter Abschluß gefunden werden kann. Es kommt nämlich hinzu, daß N. auch die benachbarten deutschen Florengebiete Hamburgs, Lübecks, Bremens, Hannovers, Pommerns und Mecklenburgs persönlich studirt, ja daß er über das Meer weg in den Ländern der englischen Krone, in Norwegen und Schweden, wie in Holland botanisch vollständig heimisch war. Es erscheint daher natürlich, daß es ihn mit großem Schmerz erfüllte, seinen Plan, eine vollständige Flora der Herzogthümer zu schreiben, nicht in Erfüllung gehen zu sehen. Schuld daran trug vor allem der ihn freilich ehrende Charakterzug der peinlichsten Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit. Er konnte sich nie genügen. Bei jeder neu entdeckten Form stiegen neue Bedenken in ihm auf und er fand dann, wie gut es sei, daß seine Flora noch nicht erschienen wäre. Freilich [762] hemmten auch manche äußere Umstände seine Thätigkeit. So zunächst die beschränkten Räumlichkeiten seiner Wohnung, welche eine bequeme Benutzung seines äußerst umfangreichen Herbariums sehr erschwerten, ferner aber der Mangel eines tüchtigen Assistenten, um dessen Gewährung er vergeblich bei der Regierung gebeten hatte. Von seinem Herbarium kam der die Pflanzen der Herzogthümer umfassende Theil nach seinem Tode in den Besitz der Universität Kiel; das übrige ging nach England und nach Amerika. Auch seine sehr ansehnliche Bibliothek wurde zersplittert. Die erste Auslese fand für die Kieler Universitätsbibliothek statt; der Rest, darunter große Seltenheiten, kam an einen Antiquar nach Leipzig. In der Vorrede zu den „Novitiae“ giebt N. eine kurze Geschichte der Flora des behandelten Gebietes und nennt mit Dank die Männer, welche daselbst früher botanisirt und ihm Beiträge geliefert haben. Die Pflanzen sind nach dem linnéischen Systeme, oft blos nomenclatorisch aufgeführt, die selteneren aber theils mit neuen Diagnosen, theils mit kritischen Bemerkungen versehen, immer unter Angabe des speciellen Fundortes. In Bezug auf letzteren freilich hatte N. die Eigenthümlichkeit, die Sprache etwas in Dunkel zu hüllen, um dadurch das Auffinden, beziehentlich Ausrotten seltener Pflanzen möglichst zu verhindern. Er hinterließ ein durchschossenes Exemplar seines Werkes. G. H. Reichenbach hat das Manuscript durchgesehen, so gut es ging, die vom Verfasser eingetragenen Bemerkungen abgeschrieben und durch den Druck in einer, seinem Nekrologe Nolte’s anhangsweise beigegebenen Aufzählung veröffentlicht. 14 Arten aus verschiedenen Familien hat N. neu benannt, einige sind von andern Forschern ihm dedicirt worden. Auch zwei Monographien über die Gattungen Pirola und Potamogeton hatte N. zu veröffentlichen beabsichtigt. Namentlich für die letztgenannte Pflanzengattung waren die Vorarbeiten auf Grund eines außerordentlich reichhaltigen Materials mit großer Gewissenhaftigkeit ausgeführt worden. Ueber Nolte’s zwanzigjährige Thätigkeit für die Flora Danica ist nicht viel in die Oeffentlichkeit gedrungen, da weder auf dem Titel, noch in der Vorrede zu dem Werke seiner gedacht ist. Wahrscheinlich hat es N. in seiner Bescheidenheit und Pietät gegen seinen Gönner Hornemann, dem er stets dankbar ergeben blieb, selbst nicht gewünscht. Es braucht indessen nicht verschwiegen zu werden, daß er mit dem Werk eng verwachsen war, daß z. B. sämmtliche Phanerogamen unter seinen Augen gezeichnet wurden. Bei 99 Tafeln wird N. als Sammler genannt, diese sind von Reichenbach als Nachtrag in dem schon erwähnten Lebensabriß einzeln aufgeführt.
- Lebensskizze Nolte’s von G. H. Reichenbach im Jahrb. des Johanneums zu Hamburg. 1881.