Zum Inhalt springen

ADB:Moker, Anton

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Moker, Anton“ von Otto Kaemmel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 83–86, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Moker,_Anton&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 22:00 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 22 (1885), S. 83–86 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Anton Moker in der Wikipedia
Anton Moker in Wikidata
GND-Nummer 124394345
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|22|83|86|Moker, Anton|Otto Kaemmel|ADB:Moker, Anton}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=124394345}}    

Moker: Anton M., Schulmann und Universitätslehrer, stammte aus einer ehrsamen Bürgerfamilie Hildesheims und wurde als Sohn des Michael M. und der Katharina Roder um das Jahr 1540 geboren. Seine erste Bildung empfing er auf der Andreasschule seiner Vaterstadt, trat dann, nach dem frühen Tode des Vaters, als Instructor in das Haus des Bürgermeisters Johann Kniphoff und bezog Ostern 1560, unterstützt von seinem kinderlosen und bemittelten Oheim Heinrich Roder, dem Bruder seiner Mutter und Bürgermeister der Neustadt Hildesheim, die Universität Erfurt, wo er in dem von Tilemann Brandis, Canonicus und Propst zum heiligen Kreuz in Hildesheim, im J. 1521 für Hildesheimer Stadtkinder gegründeten Collegium Saxonicum Aufnahme fand. 1564 erwarb er die Magisterwürde der artistischen Facultät und begann damit zugleich seine akademische Lehrthätigkeit im Fache der beiden classischen Sprachen. Diese war in erster Linie den Angehörigen des Collegium Saxonicum gewidmet, da er schon im J. 1562 zum Decan desselben erwählt worden war, was er bis 1572 blieb, und als solcher neben der Besorgung der ökonomischen Angelegenheiten des Collegs auch die wissenschaftliche Weiterbildung und die Lebensführung der Mitglieder zu überwachen hatte, bezog sich aber auch auf weitere Kreise. Namentlich hatte er im Auftrage des jeweiligen Decans der Facultät bei den Magisterpromotionen schwierigere Fragen aus den Schriften des Aristoteles selbst zu erörtern oder von Promovenden erörtern zu lassen, zuerst im J. 1565. Auch größere Reden pflegte er bei solchen Anlässen zu halten, so 1566 „De dignitate, necessitate, utilitate et iucunditate scholarum atque vitae studiosorum“, 1579 „De artibus et philosophiae eiusque cultoribus“. Er übernahm dann die Professur der Poesie, 1581 auch die des Griechischen und las in dieser Stellung in den ersten drei Semestern über Hesiod, seit 1582 über Homer’s Iliade, ein Colleg, das er mit der Oratio de Homero et poemate ipsius einleitete, im Ganzen der Auffassung Plutarch’s folgend, daher für ihn der Werth der Homerlectüre auf der Fülle der Wörter, der poetischen und rhetorischen Kunst, der lebendigen Schilderung bedeutender Menschen, den aus Homer zu entnehmenden mythologischen, historischen und sonstigen positiven Kenntnissen, endlich den zahlreichen Weisheitssprüchen des Dichters beruht. Daneben erklärte er Ovid’s Metamorphosen, so im Winter 1587/88. Eine Erweiterung erfuhr seine Lehrthätigkeit noch durch die Professur der Ethik, die er mit Beginn des Sommersemesters 1589 übernahm und zwar mit der einleitenden „Oratio in commendationem et laudem Ethicorum Aristotelis ad Nicomachum“. Inzwischen hatte seine bewährte Tüchtigkeit ihm die Ehre gebracht, am 11. October 1587 zum Rector der Universität für das Studienjahr [84] 1587/88 erwählt zu werden. Angesichts des nicht eben blühenden Zustandes derselben und der schwierigen Zeitverhältnisse, die nach allgemein, auch von M. geglaubten Prophezeihungen sich im J. 1588 besonders unheilvoll gestalten sollten, nahm M. das Amt erst nach dreitägiger Bedenkzeit widerstrebend an, wurde aber dann trotz seiner Abneigung auch für das Jahr 1588/89 wieder gewählt. Jedenfalls hat er sich seiner Aufgabe mit großem Eifer gewidmet. Namentlich suchte er auf ein gesitteteres Verhalten der Studentenschaft hinzuwirken und ihr den Geist der Ehrfurcht vor der Obrigkeit und den kirchlichen Institutionen einzupflanzen. Er ergriff deshalb die Gelegenheit bei den großen Kirchenfesten durch längere Proclamationen die Jugend zur Vermeidung jeglichen Unfugs, zu bescheidenem, angemessenem Lebenswandel, zum regelmäßigen Besuche des Gottesdienstes aufzufordern und benutzte in ähnlichem Sinne die Begräbnisse von Angehörigen der Universität oder von Magistratspersonen, an denen Professoren und Studenten sich zu betheiligen hatten. Wie weit er damit Erfolge erzielte, mag dahingestellt bleiben; sicher ist, daß die Frequenz der Universität während seiner Rectoratsjahre erheblich wuchs. Waren 1585 65, 1586 94 Studenten immatriculirt worden, so stieg diese Zahl im J. 1587 auf 168, im J. 1588 belief sie sich auf 140, während sie nachher wieder sank. Am 17. November 1589 legte M. sein Rectorat in der üblichen Weise nieder, um sich nun ganz seiner Lehraufgabe zu widmen. Diese bezog sich nun keineswegs nur auf die Universität. Er war vielmehr schon bald nach 1564 auch als Schulmann thätig und zwar zuerst als Leiter einer der städtischen Parochialschulen, nämlich der zu St. Michaelis; 1583 aber wurde er auf Vorschlag der Rathsinspectoren zum Rector des Rathsgymnasiums gewählt, das im J. 1561 aus der Abtrennung der beiden obersten Klassen von der Severischule entstanden war und seinen Sitz im altberühmten Augustinerkloster erhalten hatte (daher Paedagogium in coenobio Erphodiano ad S. Augustinum). Den Lehrplan und die Disciplinarordnung der neuen Anstalt hatte zunächst der erste Rector Paul Dumerich (1561–1583) entworfen, der treffliche Basilius Faber, sein Mitarbeiter, der Leiter des Alumnats und des Chores (paedagogarcha) (s. VI, 488 ff.), im J. 1571 in manchen Einzelheiten modificirt. Auch M. hielt manche Aenderung für zweckmäßig. Die Zahl der lateinischen Stunden, die Faber in Prima von 13 auf 9, in Secunda von 19 auf 11 herabgesetzt hatte, erhöhte er in der ersteren Klasse wieder auf 12, in der letzteren auf 14, während dem Griechischen wie bisher in jeder Klasse nur vier Stunden verblieben. Dagegen beseitigte er den besonderen Unterricht in der Rhetorik (2 Stunden), deren wesentliche Punkte bei Gelegenheit der Lectüre von Cic. pro Archia zur Erörterung kommen sollten, weiter die Arithmetik (nur die vier Species sollten in wenigen Stunden eingeübt, alles Weitere der Universität überlassen bleiben), endlich den von Faber – eine merkwürdige Ausnahme! – eingeführten Unterricht in der Weltgeschichte (2 Stunden combinirt), wofür allerdings 2 Stunden biblische Geschichte in Secunda nach Georg Fabricius’ Historiae sacra eintraten, während weltgeschichtliche Daten bei den lateinischen Exercitien eingeprägt werden sollten. Zu dem zweistündigen combinirten Religionsunterricht fügte M. noch zwei Stunden Lectüre der Psalmen nach Eoban Hesse, unverändert ließ er Dialectik (2 Stunden in I) und Musik (2 Stunden combinirt). Einigermaßen erweitert erscheint der Kreis der lateinischen und griechischen Lectüre. Dort wurden Cic. Epist., pro Archia, Vergil. Aeneis und Bucol., Terenz und Ovid’s Tristien gelesen, hier Theognis in Prima durch leichtere Reden des Isokrates ersetzt; der Secunda blieb Phocylides. Der Lehrplan von 1588 änderte an alledem nichts wesentliches; nur im Griechischen schrieb er wieder Theognis und nach ihm Hesiod vor. In denselben Jahren (1561, 1571, 1588) erschienen die verschiedenen Redactionen der Schulordnung, die erste von Dumerich, die [85] zweite von Faber, speciell für die Chorschüler berechnete Bestimmungen enthaltend, die dritte von M., der dann in der Redaction vom Jahre 1588 die Schulgesetze in Distichen brachte (mit der Lehrorduung abgedruckt im Anhang zu Moker’s „Historia passionis“, Erfurt 1588, im Auszuge bei Weißenborn, Hierana II, 1862, 42 ff., die versificirten Schulgesetze daselbst im Anhange S. 1 ff.). Die Bestimmungen sind die aus der Natur der Sache sich ergebenden und deshalb immer wiederkehrenden; besonderes Gewicht wird auf die Pflege sittlich religiösen Geistes und auf die unausgesetzte Uebung des Lateinsprechens gelegt, dessen Versäumniß selbst im Verkehr der Schüler untereinander streng bestraft wird, alles im Geiste Melanchthon’s und Johann Sturm’s. Welches Ansehen M. auch als Schulmann sich erworben, beweist namentlich das von ihm verlangte Gutachten über die Organisation der Erfurter Parochialschulen, die er theils als höhere Bürgerschulen, theils als Vorbereitungsanstalten für das Rathsgymnasium betrachtet; daher die Betonung des confessionellen Religionsunterrichts und des Latein (1588, gedruckt im Anhange zu den Schulgesetzen von 1588, s. Weißenborn a. a. O. 45 f.). – Bis 1602 hat M. das arbeitsvolle Doppelamt eines Universitätsprofessors und Gymnasialrectors getragen; in jenem Jahre zog er sich auf seine akademische Stellung zurück, welche ihm übrigens noch dreimal, in den Jahren 1598, 1600 und 1601 das Decanat der philosophischen Facultät brachte, und wohnte seitdem in der sogenannten Engelsburg hinter Allerheiligen, um dem Collegium magnum näher zu sein. Daß er in der Bierbrauerei, zu der die Berechtigung wol auf seinem Hause lag, einen Nebenerwerb suchte, wurde ihm damals schwerlich verargt, wie denn Aehnliches auch anderwärts vorkam. Ein gewisser praktischer Sinn scheint ihm überhaupt eigen gewesen zu sein, das bezeugen nicht nur manche Abschnitte seiner „Hyldesia Saxoniae“, sondern auch seine Wahl in den Rath als Untergelderherr (1605). Er starb im J. 1605. Von seinen Familienverhältnissen wissen wir nur, daß er im J. 1572 mit Lydia, Tochter des Johann v. Reis, Bürgermeisters der freien Reichsstadt Mühlhausen i. Th., sich vermählte. Moker’s schriftstellerische Thätigkeit ist durchweg aus seinem Lehrberufe herausgewachsen. Seine erste Publication waren die „Poemata in III libros distributa“, Erfurt 1564. Dieser folgte die „Hyldesia Saxoniae“ (Frankfurt 1573), hervorgegangen aus seiner Verpflichtung, seinen Zöglingen ein Musterbeispiel für eine laudatio patriae vorzuführen, daher auch studiosis Erphordiae in Saxonico Collegio proposita, keine wissenschaftliche Arbeit, wie er selbst betont, in ihrem historischen Theile besonders nach des trefflichen Albert Krantz „Saxonia“ (s. XVII, 43 f.), von der im J. 1563 Moker’s College Faber eine deutsche Uebersetzung herausgab, geschrieben, aber eine Zusammenfassung des Wesentlichen aus der Geschichte Hildesheims im Anschluß an die Reihe seiner Bischöfe und nicht ohne eine gewisse Kritik, die sich namentlich in der ablehnenden Behandlung der Gründungsfabeln kundgibt, selbständig in der Beschreibung der Stadt und hier an C. Celtes’ berühmte Schilderung Nürnbergs erinnernd, in jedem Falle ein Zeugniß warmer Anhänglichkeit an die Heimath und jener halbantiken Gesinnung des Humanisten, die in den blühenden Stadtgemeinden Deutschlands Abbilder der politischen Gestaltungen des Alterthums sah. Ebenso in usum scholasticae iuventutis bestimmt war die „Historia passionis, mortis, sepulturae et resurrectionis Jesu Christi, heroico carmine reddita“ (1588); in der Fastenzeit ließ er sie in seinem Gymnasium lesen. Eine Sammlung endlich von Universitäts- und Schulschriften ist sein „Opusculum, continens orationes et programmata sive intimationes publice recitatas et propositas sub biennali rectoratu in academia Erphordiana, item aliquot quaestiones philosophicas, publicis congressibus et magistrorum promotionibus explicatas“, Erfurt 1591, wichtig auch für die Kenntniß seines Lebens. Umfassende Belesenheit in beiden antiken [86] Litteraturen, Geschick in der Auffassung und Gestaltung des Gegenstandes, ernster Eifer für die sittlich-religiöse und wissenschaftliche Bildung der Jugend zum Dienste nicht nur der Kirche, sondern auch des Staates, warme Anhänglichkeit an seine Vaterstadt und die lutherische Kirche treten in allen seinen Schriften hervor.

Motschmann, Erfordia litterata I, 46 ff. Weißenborn, Hierana II (1862), 40 ff., III (1867), S. 117. Acten der Erfurter Universität, hrsg. von Weißenborn II (1884), 399, 461 f., 466, 469, 485, 494. Für sein früheres Leben bietet die wichtigsten Daten das Carmen nuptiale des Mag. Ludolf Elckenrodt v. 1572, im Opusc. 235 ff., für seine akademische Thätigkeit das Opusculum u. die Acten der Universität. Der Name lautet Möker, Möcker, am häufigsten Moker mit langer Stammsilbe.