Zum Inhalt springen

ADB:Mohs, Friedrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Mohs, Friedrich“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 76–79, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mohs,_Friedrich&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:00 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 22 (1885), S. 76–79 (Quelle).
Friedrich Mohs bei Wikisource
Friedrich Mohs in der Wikipedia
Friedrich Mohs in Wikidata
GND-Nummer 11907835X
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|22|76|79|Mohs, Friedrich|Wilhelm von Gümbel|ADB:Mohs, Friedrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11907835X}}    

Mohs: Friedrich M., k. k. Bergrath, früher Professor der Mineralogie an der Universität in Wien, einer der bedeutendsten Schüler Werner’s und Mitbegründer der wissenschaftlichen Mineralogie, namentlich in Bezug auf Krystallographie, war am 29. Januar 1773 zu Gernrode im Anhalt-Bernburgischen als der Sohn eines Kaufmanns geboren und zur Fortführung des väterlichen Geschäftes bestimmt. Indessen zogen den jungen Mann der Drang nach höherer, wissenschaftlicher Ausbildung und eine entschiedene Neigung zur Naturwissenschaft und Mathematik von diesem Lebenswege ab und führten ihn nach mühsam durch Privatstudium erworbenen Vorkenntnissen 1797 in bereits weit vorgeschrittenem Lebensalter erst auf die Universität Halle a. S., dann auf die Bergakademie in Freiberg, wo er in der Mechanik eine nützliche Anwendung der mathematischen Wissenschaft kennen zu lernen und in Bezug auf Mineralogie sein Wissen in Physik und Chemie vervollständigen zu können hoffte. Hier in Freiberg war es vor Allem Werner, der berühmte Mineraloge und Geognost, welcher den strebsamen M. mächtig anzog und selbst in ein dauerndes inniges Freundschaftsverhältniß zu ihm trat. Dabei versäumte M. insbesondere nicht, sich während seines zweijährigen Aufenthaltes in Freiberg in allen Zweigen des praktischen Bergbaues gründlich auszubilden. Im J. 1804 nahm er, um sich einstweilen praktisch zu beschäftigen, den bescheidenen Dienst eines Steigers bei einem Bergwerke zu Neudorf in seinem Geburtslande an, verließ aber bald wieder diese Stellung, als er zur Einsicht kam, [77] daß in diesem verwirthschafteten Bergbau ohne Gewährung beträchtlicher Geldmittel zu neuen Anlagen, die ihm jedoch nicht zur Verfügung gestellt wurden, nichts Ersprießliches geleistet werden könne. M. wandte sich wieder nach Freiberg, wo er sich um die durch Lempe’s Tod erledigte Mathematikprofessur, jedoch ohne Erfolg, bewarb, dann aber für die Uebernahme einer ihm angebotenen Lehrerstelle an der damals nach dem Muster der Freiberger Bergakademie projectirten neuen Bergschule in Dublin sich vorbereitete. Nebenbei war er bemüht durch eine genaue Schilderung der damals berühmtesten Freiberger Grube „Himmelsfürst“ einen Leitfaden für das Studium der Bergbaukunde zu entwerfen. Diese meisterhafte Arbeit erschien 1804 in Wien unter dem Titel „Beschreibung des Grubengebäudes Himmelsfürst“ als Mohs’ erste Publication. Die Errichtung einer Bergakademie in Dublin zog sich indeß in die Länge und unterblieb endlich gänzlich. Deshalb übernahm M. einen anderen Auftrag, der ihm inzwischen zugekommen war, nämlich über die große Mineraliensammlung des Bankiers van der Null in Wien eine ausführliche Beschreibung zu liefern. Bei dieser Arbeit wurde M., wie schon früher, trotz der großen Anhänglichkeit an seinen Lehrer immer mehr dahin gedrängt, an der Richtigkeit der von Werner in der Mineralogie in Anwendung gebrachten systematischen Grundzüge zu zweifeln, weßhalb er sich bemühte, nach besseren Grundlagen zu suchen. Vorläufig veröffentlichte er die oben erwähnte Beschreibung unter dem Titel „Des Herrn van der Null Mineralien-Cabinet“, 1804, 2 Bde. – Kleinere Aufsätze mineralogischen Inhaltes desselben Verfassers brachten Moll’s Ephemeriden und Annalen zur Publication, während M. auf vielfachen größeren Reisen und während einer vorübergehenden technischen Verwendung im Bergbaue von Bleiberg in Kärnthen reiche wissenschaftliche und praktische Erfahrungen sammelte. 1810 erhielt er von der österreichischen Regierung den Auftrag, Oesterreich und Böhmen auf das Vorkommen von Porzellanerde zu untersuchen. Bei dieser Gelegenheit machte M. die Bekanntschaft des Erzherzogs Johann, der sodann veranlaßte, daß M. nach Graz zum Ordnen und zur Aufstellung der Mineralien in dem Johanneum daselbst berufen wurde. Hier galt es nun an die Stelle des von M. schon längst als mangelhaft erkannten Werner’schen Mineralsystems ein neues besseres aufzustellen, bei welchem die rein naturhistorische Methode im Sinne Linné’s sollte zur Durchführung gebracht werden. Ein kleines Werkchen, „Versuch einer Elementarmethode zur naturhistorischen Bestimmung und Erkennen der Fossilien“, 1812, enthält die Grundgedanken dieses neuen Systems. Inzwischen war M. zum Professor der Mineralogie an dem Johanneum in Graz ernannt worden und fühlte nun als Lehrer erst recht das Bedürfniß nach einer entsprechenden Methode in der Mineralogie und insbesondere der Krystallographie, da die seit Werner übliche, blos beschreibende Behandlung ihm völlig ungenügend schien. Während er unterstützt von seinem Schüler, dem später als Mineraloge hervorragenden W. v. Haidinger die Sammlung aufstellte, arbeitete er zugleich in einem größeren Werke seine Ideen über die naturgemäße Systematik der Mineralien aus, um es seinem Freiberger Freunde, dem Professor der Mineralogie in Dublin, Jameson, zur Beurtheilung vorzulegen. Letzterer erkannte die Wichtigkeit der hier durchgeführten Principien und veranlaßte den Druck in dem Ed. philos. Journal, in welchem es 1816 unter dem Titel „General reflections on various import subjects in Mineralogy“ erschienen ist. Eine größere montanistisch-mineralogische Reise, welche M. kurz darauf mit dem Grafen Bruner unternahm, führte ihn über Berlin, wo er Weiß persönlich kennen lernte, nach England, wo er mit den damals berühmten Gelehrten Brewster, Playfair, Jameson u. A. lebhaft verkehrte. In diese Zeit fällt der Tod Werner’s in Freiberg und M. erhielt den ehrenvollen Ruf, die erledigte Stelle einzunehmen. Nach langem Schwanken [78] bezüglich seiner Verpflichtungen gegen Graz und den Erzherzog Johann nahm M. die Professur in Freiberg an, welche ihm, nach seinem eigenen Ausspruche, die höchste, auf wissenschaftlichem Gebiete zu erreichende Stellung dünkte. Um Michaelis 1817 trat er seine Professur in Freiberg an, in der er, obwol abweichend von Werner lehrend, doch bald ein ähnliches Ansehen sich erwarb, wie sein großer Vorgänger. Aus dieser Zeit stammt das für seine Vorlesungen bestimmte Werk „Die Charakteristik der Klassen, Ordnungen, Geschlechter und Arten der Mineralien“, 1820 (zugleich auch in englischer Uebersetzung und 1821 in einer 2. Auflage erschienen). Diese Schrift, in welcher M. zuerst ein System der Krystallographie aufstellte, brachte ihn in einen lebhaften Streit mit dem Berliner Mineralogen Weiß, welcher behauptete, M. habe das auf Krystallographie Bezügliche von ihm, ohne ihn zu nennen, entnommen. Hierüber wurden mehrere Streitschriften gewechselt und es ist nicht zweifelhaft, daß beide Mineralogen unabhängig von einander in Bezug auf die Betrachtung der Krystalle zu neuen, nahezu gleichen Anschauungen gelangt waren. In weiterer Ausführung seiner Grundsätze ließ M. 1822 den ersten, 1824 den zweiten Band eines „Grundrisses der Mineralogie“ (in englischer Uebersetzung von Haidinger besorgt) erscheinen, in welchem er hoffte die Mineralogie zu einer vollendeten Wissenschaft erhoben zu haben. Als 1826 ein Ruf von Wien an ihn erging, die Professur der Mineralogie an der dortigen Universität zu übernehmen, siedelte M. nach Wien über, wo er zugleich den lebhaftesten Antheil an den Arbeiten in dem Hofmineraliencabinet nahm, dessen Neuaufstellung er bethätigte. Seine Vorträge setzte er bis 1835 fort und benutzte hierbei sein 1832 erschienenes Werk „Leichtfaßliche Anfangsgründe der Naturgeschichte des Mineralreichs“. 1835 tauschte er seine Professur gegen die mehr mit praktischen Arbeiten verknüpfte, ihm besser zusagende Stellung eines k. k. Bergrathes bei der Hofkammer für Berg- und Münzwesen um, weil er, im Begriffe sich mehr den geognostischen Studien zuzuwenden, hoffte, hier reichere Erfahrungen auf diesem Felde sammeln und durch die dabei gewonnenen factischen Ergebnisse die Schwächen der Werner’schen Lehre der Geognosie beseitigen zu können. Zu diesem Zwecke benutzte er die vielfachen Dienstreisen, welche er bei dieser Stellung in alle Theile des ausgedehnten Landes zu unternehmen Gelegenheit fand. Als die erste Frucht dieser neuen praktischen Aufgabe, die ihm gestellt war, veröffentlichte M. 1838 eine wesentlich auf geognostische Erfahrungen gegründete „Anleitung zum Schürfen“, die in demselben Jahre noch eine 2. Auflage erlebte. M. wollte sich von nun an so ausschließlich geognostischen Studien widmen, daß er selbst die weitere Ausführung des zweiten Bandes seiner Mineralogie – die Physiographie – seinem ausgezeichneten Schüler, dem Professor der Mineralogie in Prag, Zippe, überließ. Doch war es ihm nicht mehr lange vergönnt, sich dieser neuen Thätigkeit widmen zu können. Schon in Freiberg erschien seine Gesundheit geschwächt und in Wien wurde er wiederholt, selbst auf seinen Reisen vielfach von Krankheitsanfällen heimgesucht. Trotzdem hatte M. für den Sommer 1839 eine große Reise in das Gebiet der süditalienischen Vulkane geplant. Auf der Reise dahin überfiel ihn zu Agordo in Südtirol eine heftige Krankheit, welcher er am 29. September 1839 hier erlag. Eine schon 1838 verfaßte Schrift „Die ersten Begriffe der Mineralogie und Geognosie für angehende Bergbeamte“ erschien erst nach seinem Tode 1842 in 2 Bänden. M. war ein vortrefflicher Lehrer, sein Vortrag war klar, streng logisch geordnet und fließend. Er faßte alle Wissenschaft nur als das Ergebniß von Erfahrungen auf. Sein Hauptverdienst um den Fortschritt der mineralogischen Wissenschaften beruht auf seinen Arbeiten über systematische und krystallographische Mineralogie. In erster Beziehung kann M. geradezu als Begründer der auf naturhistorischer Grundlage beruhenden Systematik angesehen werden. [79] Während Werner sein Mineralsystem (1798) auf die natürliche Verwandtschaft begründete, welche aus der Mischung zu erkennen sei, wobei aber nicht die vorwaltenden Mischungstheile, sondern die charakteristischen für die Zusammengehörigkeit bestimmend seien, glaubte M. sein System blos auf die Annahme gründen zu dürfen, daß die naturhistorischen Eigenschaften der Kennzeichen der Mineralien durch die Gestalt, Theilbarkeit, durch die Härte und das specifische Gewicht gegeben seien, wogegen – in schroffstem Gegensatz zu der Berzelius’schen Auffassung – das chemische Verhalten und die chemische Zusammensetzung solche Anhaltspunkte nicht bieten könne. M. stellt sich ganz auf den Standpunkt des systematisirenden Zoologen und Botanikers, verfährt bei Aufstellung seines Systems zwar sehr scharfsinnig und consequent, setzt aber offenbar die Methode über die Natur der Sache, welche unbestreitbar aufs innigste mit dem chemischen Wesen eines Minerals zusammenhängt. Es hat sich daher auch das Mohs’sche Mineralsystem trotz seiner Vorzüge in der Wissenschaft dauernde Geltung nicht zu erringen vermocht. Die seinem System logisch angepaßte Nomenclatur schließt sich eng an die Linné’sche Bezeichnungsweise an, indem durch einen Beisatz zu dem Ordnungsnamen das Geschlecht und durch ein weiteres Beiwort die Species bezeichnet wird, wie z. B. Ordnung: Spath, Geschlechtsname: Triphan-Spath und Species: prismatischer Triphan-Spath (sonst Spodumen) und axotomer Triphan-Spath (sonst Prehnit) etc. Diese streng logisch durchgeführte Bezeichnungsweise würde in der That sich sehr empfehlen, wenn es nur ein einziges, allgemein gültiges Mineralsystem gäbe. Da dies aber nicht der Fall ist, so würde für jedes neues Mineralsystem auch eine neue Nomenclatur erforderlich sein, was zu grenzenloser Verwirrung führen müßte. Dauernderes leistete M. auf dem Gebiete der Krystallographie und es kann gesagt werden, daß eine genauere krystallographische Unterscheidung der ähnlichen Mineralspecies erst mit M. und seiner Schule beginnt. Er theilt mit seinem Zeitgenossen S. Weiß in Berlin sich in die Ehre, nach Romé de l’Isle und Hauy das Meiste zur Förderung dieses Zweigs der Mineralogie gethan zu haben, indem er die Krystalle in bestimmte Systeme zu bringen lehrte, die krystallographischen Begriffe schärfer bezeichnete, die Terminologie regelte und den Unterschied zwischen Krystallreihen und Krystallsystemen scharf hervorhob. Auch sprach er die Gesetze der Krystallcombinationen bestimmter aus. M. stand in Wien in großem Ansehen und erwarb sich durch seinen anziehenden Vortrag und liebenswürdigen Umgang eine große Anzahl dankbarer Schüler, die im Verein mit den Montanbeamten ihm im Garten des Johanneum in Graz ein Monument errichteten. Eine Abänderung von Titaneisen hat zum Andenken an den vortreffiichen Mineralogen die Bezeichnung Mohsit erhalten.

F. Mohs und s. Wirken in wissensch. Hinsicht, Wien 1843. – v. Kobell’s Geschichte der Mineralogie.