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ADB:Misander, Johann Samuel

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Artikel „Misander, Johann Samuel“ von Gotthard Lechler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 2–3, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Misander,_Johann_Samuel&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:50 Uhr UTC)
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Misander: Johann Samuel M. (Adami) wurde am 21. October 1638 zu Dresden geboren, wo sein Vater Rechtsanwalt war. Seine Vorbildung erhielt er in der dortigen Kreuzschule, welche er etliche Jahre als Currentschüler besuchte; nachher wurde er Alumnus dieses Gymnasiums. Als Studirender zu Leipzig mußte er seinen Lebensunterhalt mit Famulatsdiensten bei D. Scherzer, und mit Unterrichtsstunden erwerben, während er philosophische und theologische Vorlesungen hörte. Hierauf wurde er 1661 an der Kreuzschule zum Regens bestellt, ein Lehramt, das er volle fünf Jahre lang verwaltete. Während dieser Zeit promovirte er in Wittenberg 1664 zum Magister. Dann aber wurde er 1667 in das geistliche Amt berufen: zuerst als Substitut des Pfarrers zu Rabenau bei Tharand, sodann 1672 als Pfarrer zu Pretzschendorf im Erzgebirge, einige Stunden von Rabenau entfernt. In Rabenau verehelichte er sich mit der ältesten Tochter seines Pastors sen., Katharine Elisabeth geb. Bodenhauser, in welcher Ehe ihm drei Söhne und vier Töchter geboren wurden. Adami war ein gewissenhafter und fleißiger Pastor, der, wie er in einer 1698 erschienenen Schrift mit frommem Dank erwähnt, binnen 29 Jahren nicht eine einzige Predigt wegen Unpäßlichkeit hatte aussetzen müssen. Dabei aber widmete er sich auch mit unermüdetem Fleiß dem Studium, der Lectüre und schriftstellerischen Arbeiten. In seinen Schriften pflegte er sich Misander zu nennen, ein Name, in welchem sein Magistertitel (M.), seine beiden Taufname Johann(i) und Samuel(s) und sein Familienname versteckt waren. Auch ein geistliches Lied hat er gedichtet, das in ein Breslauer Gesangbuch des 18. Jahrhunderts Aufnahme fand:

„Welt, tobe wie du willst, und wüthe,
Mein Ziel bleibt dennoch unverrückt;
– – – – – – – –
Denn ob mich Welt und Lust schon triebe,
Bleibt doch gekreuzigt meine Liebe.“

Letztere zwei Zeilen bilden den Refrain jeder der vier Strophen. Ob alle seine Dichtungen dieses Schlages gewesen, wissen wir nicht, wohl aber ist gewiß, daß der kursächsische Rath, Herr von Schurtz, in seiner Eigenschaft als kaiserlicher Pfalzgraf, ihn nicht lange nachdem er Substitut des Pfarrers von Rabenau geworden war, zum Poëta laureatus ernannte. Seine zahlreichen Schriften, deren er bei vortrefflicher Gesundheit und Geistesfrische viele noch in hohem Alter herausgab, galten schon 40 Jahre nach seinem Tode als veraltet, und haben heut zu Tage nur noch historischen Werth. Sie sind theils erbaulichen und praktisch kirchlichen Inhalts, theils zum Zweck litterarischer Unterhaltung geschrieben. Eine vollständige Aufzählung seiner Schriften dürfte hier nicht an ihrem Orte sein, ohnehin stehen uns keine Mittel zu Gebote, dieselben genau nach der Zeit ihres ersten Erscheinens zu ordnen. Aus der Classe der praktisch kirchlichen Schriften Adami’s heben wir einige hervor. „Der vertheidigte, beliebte und gelobte Postillenreuter“, eine Flugschrift von 4 Bogen, erschien 1688, in 2. Auflage 1703. Darin handelt der Verfasser von Gebrauch und Mißbrauch guter Predigtbücher, und empfiehlt den Geistlichen fleißiges Studium, insbesondere die Anlegung guter geordneter Auszüge aus den gelesenen Schriften. Im J. 1689 folgte „der wohlgeplagte Priester“, ca. 12 Bogen, zum Trost und zur Vermahnung für Geistliche, denen von der einen oder der andern Seite Anfeindung, Herzeleid und Widerwärtigkeit zustößt. Diese Schrift wurde damals von Christian Thomasius rühmlich empfohlen, und erschien 1709 in neuer Auflage. Eine Fortsetzung zu diesem Buche bildet „der exemplarische Priester“ 1690, 18 Bogen, worin der Verfasser, hauptsächlich auf Grund von Stellen wie 1. Timoth. 3, 2 f. und Tit. 1, 7 f. die Geistlichen zu gewissenhafter Führung des Amtes und rechtschaffenem Tugendwandel mit großem Ernst ermahnt. Seitenstücke zu letzterer Schrift waren „der gewissenhafte Beichtvater“, [3] „der tröstende Priester im Beichtstuhle“, „die exemplarische Priesterfrau“, so wie „das exemplarische Priesterkind“. Ein unmittelbares Andachtsbuch war: „Die Kreuzigung des Fleisches, nach Anleitung der Sonn- und Festtagsevangelien“ 4°. 1694. „Deliciae passionales“ in 5 Theilen, 1707–10; „Deliciae poenitentiales“, 103 Betrachtungen über ebenso viele Bibelsprüche 1713; „Deliciae sabbaticae“ in 2 Theilen, nach dem Tode des Verf. 1716 erschienen. Ein erweiterter neu erklärter lutherischer Katechismus ist der „Wegweiser zum Christenthum“, 1711 erstmals, dann aber in wiederholten Auflagen erschienen; die letzte, fünfte, erschien noch 1777, besorgt durch den Leipziger Pfarrer zu St. Georg, M. Joh. Friedrich Frisch. Dem Zweck litterarischer „Ergötzung“ dienen einige Schriften Adami’s, z. B. „Historische Ergetzlichkeiten“, „Bücherfreunde und Bücherfeinde“, 1695, 161/2 Bogen. – Der Verfasser zeigt in seinen kirchlich praktischen Schriften eine ungemein ausgebreitete Belesenheit, nicht nur in der deutschen sondern auch in der ausländischen Litteratur (hat er doch eine Blumenlese zur Erklärung der Evangelien aus englischen Schriften unter dem Titel „Florilegium anglicanum“ 1705 herausgegeben). Aus den Kirchenvätern, aus protestantischen und katholischen Schriften, aus der theologischen und belletristischen Litteratur strömen ihm die Citate reichlich zu. Aber diese seine Stärke berührt sich unmittelbar mit seiner schwachen Seite: seine eigene Darstellung wird so häufig durch einen bunten Citatenschatz unterbrochen, daß sie mehr den Eindruck von Collectaneen als von selbständiger einheitlicher Gedankenarbeit macht. Bei allem sittlichen und frommen Ernst, der die Grundlage der Gesinnung bildet, spielt nebenbei ein glücklicher aber durchaus wohlwollender Humor, während die Behandlung so lebendig und anziehend ist, der Ausdruck den kernigen Volkston nicht selten so glücklich trifft (offenbar nach Luthers Vorbild), daß wir wohl begreifen können, wie beliebt bei seinen Zeitgenossen er als Schriftsteller geworden ist. Obwohl Adami einer dauerhaften Gesundheit sich erfreute, mußte er doch in den letzten Jahren seines Lebens einen Substituten als Amtsgehilfen annehmen. Er starb in seinem 75. Jahr, den 13. März 1713 am Podagra, nachdem er über 51 Jahre theils im Schulamt theils im Predigtamt gewissenhaft und mit Erfolg gearbeitet hatte.

Vergl. Fritschs Vorrede zur 5. Auflage von Adami’s Wegweiser zum Christenthum, 1777, S. III f. Dietmann, die gesammte der ungeänderten Augsburger Conf. zugethane Priesterschaft in dem Kurfürstenthum Sachsen, I. 1751, 548 f. 1480 ff.