ADB:Milutinovich, Theodor Freiherr von
[762] 1766 zu Surduk in Croatien geboren und starb am 7. Novbr. 1836 zu Temesvár in Ungarn. Er war der älteste Sohn des in den Feldzügen des siebenjährigen Krieges, des bairischen Erbfolgekrieges und der Türkenkriege vielverwendeten tapferen Hauptmannes Alexander (mitunter auch Axentius, nach dem Gothaischen Taschenbuche Arentius) M., welcher am 18. Novbr. 1796 in Anerkennung seiner mehrfachen Verdienste vor dem Feinde, sowie zur Zeit der Pestgefahren in den österreichischen erbländischen und in den ungarischen Adelstand mit dem Prädicate von Milovsky erhoben worden ist und am 21. Novbr. 1798 als Generalmajor und Festungscommandant zu Alt-Gradisca verschied. Unter dessen ernster Einflußnahme genoß M. seine erste Erziehung; diese gipfelte nach Brauch und Sitte der Offiziere des ehemaligen Militär-Grenzgebietes darin, dem Kaiser hingebungsvoll und treu zu dienen, den Feinden Oesterreichs jederzeit und allerorts mannhaft entgegenzutreten. Von diesen Gesinnungen erfüllt, kam M. im J. 1779 in die Ingenieurakademie zu Wien, wo seine gänzliche Ausbildung auf Kosten des General-Artilleriedirectors Feldmarschall Josef Grafen Colloredo statthatte. Letzterer löste aber hierdurch in edelsinniger Weise ein Versprechen, welches er Milutinovich’s Vater gegeben, als er ihn im bairischen Erbfolgekriege auch auf Vorposten um die Zukunft seiner Söhne besorgt fand. In das Heer selbst trat M. im J. 1786; er wurde als Cadet in das 2. Banal-Grenzregiment eingetheilt, avancirte im J. 1787 zum Fähnrich im Warasdiner Grenzregimente, kam im J. 1788 als Unterlieutenant in das Pioniercorps, machte im J. 1788–90 die Kriege gegen die Türken mit und rückte im Jahre 1792 mit der Armee gegen Frankreich. Ganz besonders in dem letztgenannten Feldzuge ließ M. bereits erkennen, daß ihm trotz Jugend und geringer Erfahrung die Eigenschaften der Ausdauer, der Selbständigkeit und des Muthes eigen; er wirkte nämlich verdienstvoll mit, den durch die vielen Gewässer der Niederlande gehemmten Rückzug des Heeres zu erleichtern, indem er einestheils eine hinreichende Anzahl von Uebergängen errichtete, anderntheils deren Benützung durch den Gegner unmöglich machte. Gleichfalls anerkannt energisch und gewandt war ferner Milutinovich’s Verhalten im Winter 1792–93, als er für das Ueberschreiten des Eis führenden, hochangeschwollenen Rheines das nöthige Brückenmaterial ausforschte und zur Stelle brachte. Und so wurde ihm denn im Vertrauen auf seine bisher bewährte Brauchbarkeit im Frühjahr 1793 die ehrenvolle Mission, behufs Förderung der großen Operationen, für das preußische Heer zwischen Goar und Bacharach eine Schiffbrücke zu schlagen. Diesen Auftrag vollführte M. in der Zeit vom 24. zum 25. März unter starken gegnerischen Demonstrationen, worauf er in Würdigung seiner großen Leistungsfähigkeit am 1. Mai 1793 außer der Tour zum Oberlieutenant im Wurmser’schen Freicorps befördert wurde. Auch bei dieser Truppe gelang es ihm binnen Kurzem mit besonderen Verwendungen betraut zu werden, sich lobenswerth hervorzuthun, und zeigte er sich namentlich brav und ausdauernd am 13. Octbr. 1793 zunächst der Weißenburger Linien, als er mit der äußersten Spitze der Avantgarde bei Blittersdorf über den Rhein setzte und am jenseitigen Ufer im feindlichen Feuer bis zum Eintreffen der übrigen Truppen standhaft ausharrte. Schon im April 1794 kam M. zum Generalquartiermeisterstabe, im Juni desselben Jahres avancirte er zum Capitänlieutenant im Wurmser’schen Freicorps, in welchem er im Mai 1795 zum wirklichen Hauptmann vorrückte. Als Compagnie-Commandant erneute und festigte M. im J. 1795 bei Erstürmung der Mainzer Linien am 27. October und bei Thalheim am 5. November derart sein schon früher erworbenes Anrecht auf den Ruf eines entschlossenen kaltblütigen Abtheilungsführers, daß ihm in den weiteren Feldzügen bis 1801 meistentheils die Leitung der Avant- oder Arrièregarde, die Vornahme von Recognoscirungen, [763] Streifungen etc. übertragen wurde und er immer wieder den erwünschten Anlaß fand, Thatenfähigkeit und Bravour zu bekunden. Ueberdies galten schon damals seine sichere, bestimmte Befehlgebung, sowie sein gerechtes und sorgsames Wesen als von bedeutendem Einfluß auf die Hingebung und Opferwilligkeit seiner Untergebenen und verblieben es auch später unter allen Dienstverhältnissen, zu welchen zunächst, bei Auflösung des Freicorps Wurmser im J. 1801, seine neuerliche Eintheilung in das Peterwardeiner Grenzregiment gehört. Bei diesem Regiment führte M. vorerst das Commando der von serbischen Räuberbanden vielfach bedrohten Station Bossut, deren Sicherung seine unermüdliche Aufmerksamkeit und häufige Kämpfe nothwendig machte. Hierauf rückte M., kurz vor Beginn des Feldzuges im J. 1805 mit dem Regimente zur Armee nach Deutschland; dort avancirte er am 1. September zum Major und errang sich und seinem Bataillon, namentlich am 25. October, die wohlverdiente öffentliche Anerkennung, seiner Mannschaft nebenbei eine fünftägige Gratislöhnung. An diesem Tage wurde nämlich in Folge erhaltenen Auftrages unter Milutinovich’s Leitung die Feste Oberhaus bei Passau unvermuthet umzingelt und nach einem kühnen Reiterangriffe dem Gegner entrissen. Geschätzt als tüchtiger Truppenführer kehrte M. nach geschlossenem Preßburger Frieden mit dem Regimente wieder in das Militär-Grenzgebiet zurück und widmete sich nunmehr, abgesehen von kurzen Unterbrechungen bis zum Jahre 1813 mit voller Sorgfalt, großem Verständniß und zielbewußter Festigkeit den eigenartigen Pflichten der Militär-Grenzoffiziere. Und da er hierbei sowohl die Kriegstüchtigkeit jedes einzelnen Grenzers im Auge hielt als auch für die Entwickelung der Kulturzustände seines Gebietes in jedweder Beziehung mit Erfolg bemüht war, so wurde er schon im September 1808 außer der Rangtour zum Oberstlieutenant im Gradiscaner Grenzregimente befördert. In dieser Charge mußte M. statutengemäß während des Feldzuges 1809 im Lande zurückbleiben; doch auch unter diesem Verhältnisse trat seine Brauchbarkeit sichtlich zu Tage, indem er mit den rasch errichteten Reservebataillonen die Grenzen des Gradiscanergebietes wohlbedacht sicherte und einen gegen die zunächst gelegene Banalgrenze unternommenen Angriff bosnischer Türken im Mai 1809 kräftig zurückwies. M., dessen vorbezeichnetes Verhalten vom slavonischen Generalcommando im Erlasse vom 9. Juni mit Ehren gutgeheißen wurde, avancirte im Juli hierauf zum Obersten und Regimentscommandanten. Als solcher hat sich M. eine bleibende Erinnerung im Gradiscaner-Regiment geschaffen, denn in verhältnißmäßig kurzer Zeit wurden nach seinen Weisungen das Räuberunwesen ausgerottet, die Eigenthumsverhältnisse geregelt, die Landeshauptstraße sowie verschiedene Nebenstraßen in gut benützbaren Zustand gesetzt, die Austrocknung von Sümpfen und Morästen zunächst der Save angebahnt, Kanäle gezogen, Brücken errichtet, Kirchen gebaut, Militärunterkünfte hergestellt etc. Diese dem Wohle des Gradiscaner Grenzgebietes zugewendete Thätigkeit währte jedoch nur bis gegen die Mitte des Jahres 1813; – im Monat August marschirte M. mit dem Regimente im Verbande der Südarmee wieder gegen die Franzosen und war in einer Reihe von Positionskämpfen, bei schwer gangbarem Terrain, meistentheils zu selbständigem Wirken berufen, so bei Weichselburg am 6. September, wo ihn ein Prellschuß leicht verletzte, bei St. Marein am 9. und 12. September, bei Weichselburg und St. Marein in der Nacht vom 15. zum 16. und am 16. September, bei Groß-Laschitsch am 25. September, bei Zirknitz am 27. September. An jedem dieser Tage bekundete M., wie wohlberechtigt das in ihn gesetzte Vertrauen gewesen; scharf beobachtend, richtig urtheilend und schneidig handelnd, wußte er nämlich jedes der genannten Gefechte trotz der gegnerischen Uebermacht günstig zu wenden und zu gestalten sowie durch sein Beispiel und seine muthweckenden Einwirkungen die Truppe selbst in den bedenklichsten [764] Augenblicken zu unbeugsamer Kampfesfreudigkeit und Ausdauer anzuspornen. Vorzugsweise denkwürdig in dieser Hinsicht erscheint jedenfalls der in der Nacht vom 15. zum 16. September begonnene und am 16. nach zehnstündigem Marsche und fünfstündigem Gefechte durchgeführte Ueberfall von Weichselburg, die Erkletterung des gleichnamigen Schlosses im schärfsten Feuer und dann endlich die von M. behufs Sicherung des gehabten Erfolges aus eigenem Entschlusse vorgenommene Besetzung des Stützpunktes St. Marein. M., dessen heldenmüthige, für den Gegner höchst verlustreiche Leistungen allgemeine Bewunderung erregten, fand auch des Kaisers Anerkennung. M. wurde schon am 6. October, sohin noch vor dem Kapitelbeschlusse, zu Folge Allerhöchster Entschließung de dato Teplitz, 28. September, mit dem Ritterkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens ausgezeichnet, welche Dekorirung seine Erhebung in den Freiherrenstand mit dem weiteren Prädicate „von Weichselburg“ am 12. Dec. 1815 veranlaßte. Ueberdies ehrte der Kaiser M. gleichfalls am 28. Sept. 1813 durch die außerordentliche Beförderung zum Generalfeldwachtmeister und Truppenbrigadier in Dalmatien. Nicht minder verdienstvoll war nun Milutinovich’s Vorgehen bei Wiedereroberung dieses Landes, besonders da ihm hierbei durchgehends neuformirte Truppen in geringer Anzahl und ohne Artillerie zur Verfügung standen, die Bekleidung, das Schuhwerk und die Verpflegung im Argen lagen, die Unwegsamkeit allerorts zu den aufreibendsten Anstrengungen nöthigte und beständig auf die Streitigkeiten und die Herrschsucht der sich wild bekämpfenden Parteien Bedacht genommen werden mußte. Doch Klugheit, Entschiedenheit bei Aufrechthaltung strengster Disciplin führten binnen überraschend kurzer Zeit zum Siege; M. rückte, nachdem er sich vom 4. bis 6. Decbr. 1813 an der Einnahme von Zara betheiligt hatte, als selbständiger Commandant zur Unterwerfung von Ragusa und Cattaro vor, auf dem Wege dahin alle den Operationen Gefahr drohenden Felsenfesten einschließend und theilweise auch unterwerfend. Schon am 13. Januar 1814 cernirte er das von den Franzosen vertheidigte Ragusa, nahm hierauf die in den Händen der Montenegriner befindlichen Bocche di Cattaro nebst Umgebung und brachte endlich am 28. Januar Ragusa selbst zur Capitulation, wobei 163 Geschütze erbeutet wurden. M., hierfür zum Commandeur des österreichischen Leopoldordens erhoben, regelte nunmehr als Militär- und Civilgouverneur die Organisirung und Verwaltung der wiedervereinigten Provinzen Ragusa und Albanien, worauf er 1816–1830 als Brigadier in Zara, Karansebes und Mitrowitz, von 1830–1836 als Feldmarschall-Lieutenant und Divisionär zu Karlstadt und Temesvár befehligte. Seit 1831 war M. auch zweiter Inhaber des Infanterieregiments Nr. 54; im Febr. 1836 trat er in den Ruhestand und starb den 7. November desselben Jahres nach einem von Kaiser, Heer und Vaterland dankbar anerkannten, stets selbstlosen und immer nur das allgemeine Beste fördernden Lebenslaufe. Wie verehrt und geliebt M. vor Allem im Grenzgebiete gewesen, hierfür spricht, daß dort noch heute sein Name und seine Thaten im Liede fortleben. M. war mit Maria, geb. Andreovits von Petrovosello vermählt; zwei seiner Söhne blieben 1848 und 1849 auf dem Schlachtfelde in Italien und Ungarn.
Milutinovich: Theodor Freiherr M. von Milovsky und Weichselburg, (auch Milutinović, letztere Schreibweise nur im Gothaischen Taschenbuche angewendet), k. k. Feldmarschall-Lieutenant, Ritter des Militär-Maria-Theresien-Ordens, zweiter Inhaber des k. k. Infanterieregiments Nr. 54, wurde am 23. Mai- Wurzbach, Biogr. Lexikon d. Kaiserth. Oesterreich. 18. Th. Wien 1868. Schels, Oesterr. milit. Zeitschr. 1. Bd. Wien 1839. Militär-Zeitung. Nr. 33. Wien 1858. Hirtenfeld, Der Militär-Maria-Theresien-Orden etc. Wien 1857. Neuwirth, Gesch. d. k. k. Infanterie-Rgts. Nr. 54. Wien 1885. Brinner, Gesch. d. k. k. Pionier-Regiments, 1. Bd. Wien 1878. Vanicek, Specialgesch. d. Militär-Grenze, 4. Bd. Wien 1875.