ADB:Merula, Angelus
Philipp von Burgund, ihn 1525 nach Löwen schickte zum Austrag eines Streites der Kirche mit der Löwener Universität. Dabei ließ er seine Studien nicht liegen, begann vielmehr noch als vierzigjähriger das Studium des Griechischen, um das N. Testament im Urtext lesen zu können, und es ist wohl nicht zu gewagt, daraus auf ein schon damals in ihm vorhandenes Interesse für die Reformation zu schließen. 1530 erhielt er das Pastorat in einem benachbarten Dorfe, welches der freisinnige Collator Herr Just von Krüningen ihm übertrug. Hier war es, wo sich ihm unter eifriger Amtsführung und bei fortgesetztem Studium die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit kirchlicher Reformen aufdrängte. Doch übte er noch große Zurückhaltung, so daß, obwol er schon vor 1540 der Heterodoxie verdächtig schien, doch die angestellte Untersuchung ohne nachtheilige Folgen für ihn blieb. In den nächsten Jahren traten jedoch seine reformatorischen Ansichten von der H. Schrift, der Rechtfertigungslehre, der Heiligenverehrung, den Sacramenten, verdienstlichen Werken in seinen Predigten und Amtsverrichtungen deutlicher hervor, wobei er übrigens in mancher Hinsicht, z. B. in Betreff der Abendmahlslehre, eine von anderen Reformatoren unabhängige Stellung einnahm. Einen Austritt aus der Kirche beabsichtigte er nicht, sondern nur eine Reformation innerhalb ihrer Grenzen. Das Augsburger Interim aber vermochte ihn nicht zu befriedigen. Mit Freude nahm er daher die Einladung des Bischofs von Utrecht, Georg von Egmund, zu einer Zusammenkunft mit mehren Theologen zur [475] Besprechung dieser Formula an, aber durch Krankheit behindert, konnte er seine Bemerkungen nur schriftlich mittheilen. Gleichzeitig erhielt er auch die Nachricht, daß er erwählt werden würde, die niederländische Kirche auf dem 1551 wieder zu eröffnenden Tridentiner Concil zu vertreten. Aber auch dies erlaubte seine Gesundheit ihm nicht. Indessen begann in Folge eines vom Kaiser am 29. April 1550 erlassenen Mandats die Inquisition schärfer als je vorzugehen. Auch Merula’s reformatorische Wirksamkeit hatte mehr und mehr die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und im Frühjahr 1552 fingen die Inquisitoren an ihn zu verfolgen, nachdem sie den damaligen Herrn von Heeuvliet, Johann von Krüningen gezwungen hatten, M. in Anklagestand zu setzen. Im August desselben Jahres fand heimlich eine vorläufige Untersuchung statt; im April 1553 ließ der Inquisitor Sonnius den M. auf dem Heeuvlieter Schlosse einkerkern. Die ganze Gemeinde, welche ihren Prediger sehr liebte, fühlte sich durch seine Verhaftung schwer betroffen. Sonnius wußte dagegen Merula’s Abführung nach dem Haag zu bewirken, wo er selbst wie auch Ruard Tapper und Nicolaus à Nova Terra ihn durch manche Unterredungen seiner Irrthümer zu überführen und zum Widerruf zu bewegen suchten. Aber vergebens. Ungeachtet seiner immer schwereren Haft und körperlichen Krankheit hielt der siebenzigjährige Priester kräftig Stand. Daher entschloß die Inquisition sich zu seiner Hinrichtung im September 1554. Es erhob sich aber eine so drohende Volksbewegung, daß die Glaubensrichter für gerathen erachteten, die Execution zu verschieben. Jetzt versuchten sie ihn zur Anerkennung zu bringen, daß er vielleicht in einigen unbedeutenden Lehrpunkten gefehlt habe. Als M. der dringenden Bitte endlich nachgegeben hatte, kündigten sie, Merula’s Taubheit benutzend, dem Volke öffentlich an, er habe seine Irrlehre völlig widerrufen und solle daher nur mit Kirchenbuße belegt werden. Ins Gefängniß zurückgekehrt, erfuhr M. den schändlichen Betrug durch seinen Neffen Wilhelm Merula mit tiefem Entsetzen. Laut protestirte er gegen diesen boshaften Handel, welcher auch dem Volke nicht unbekannt blieb und großen Unwillen wider die Inquisitoren hervorrief. Daher führten sie ihn jetzt nach Delft, und, nachdem es dem Wilhelm Merula untersagt war, die Haft seines Oheims fernerhin zu theilen, im März 1555 nach Löwen, im Juni desselben Jahres nach der Abtei Liessies im Hennegau und ein Jahr später nach Bergen. Wilhelm war, sobald er die Nachricht von der Abführung seines Oheims nach Bergen bekommen hatte, dorthin geeilt und traf eben ein, um ihm am 26. Juli 1557 noch auf dem Wege zum Scheiterhaufen zu begegnen, welchen M. dennoch nicht lebendig betreten sollte. Denn, indem er sich vor den Stufen des Schandpfahls zu Gott im Gebete erhob, sank er todt zur Erde. Nur seinen Leichnam konnten sie verbrennen. Ein edler Geist, eine schöne Seele, ein Vater der Wittwen und Waisen war hingegangen. Zu Brielle hatte er 1552 auf eigene Kosten das Merula-Waisenhaus gestiftet, noch heute eine blühende Anstalt, in der sich auch sein Bildniß findet und sein Todestag jährlich gefeiert wird. Schon früher richtete er einige Wohnungen für arme Wittwen ein, welche bis heute ihre Unterstützung aus den von ihm gestifteten Zinsen erhalten. Eine ausgezeichnete Kleinkinderanstalt ist im Februar 1883, ganz im Geiste des edlen Märtyrers, als dritte Stiftung von den jetzigen Regenten des Waisenhauses aus dessen ansehnlichen Einkünften hergestellt. Auch für die Wissenschaft hat dieser hochgebildete und fromme Mann gearbeitet. Seine zahlreichen kleinen Schriften aber, wie: „De justificatione fidei“, „De gratia Dei“, „Omnes per se tractare et loqui de verbo Dei“, „De solo Deo invocando“, „De non invocandis sanctis“, „De matrimonio“ u. a. sind verloren gegangen, existirten vielleicht auch nur handschriftlich. Der Sohn seines Neffen Wilhelm, der bekannte Historiker Paulus Merula (s. u.) verfaßte 1604 eine „Fidelis et succincta rerum adversus Angelum Merulam tragice ab inquisitoribus [476] gestarum commemoratio“, die Hauptquelle der Geschichte seines Märtyrerthums. Von Professor Moll erschien 1851 eine vortreffliche Monographie über ihn.
Merula: Angelus M. (Engel Willemsze de Merle), Sohn angesehener Eltern, geb. 1482, kirchlicher Reformator und Märtyrer. Vielleicht erhielt er schon in seiner Vaterstadt den vorbereitenden Unterricht für die theologischen Studien, welche er 1504 an der Pariser Universität begann. 1508 kehrte er als Magister artium und Licentiat der Theologie nach der Heimath zurück und erhielt am 5. April 1511 zu Utrecht die Priesterweihe. Um 1520 treffen wir ihn als Notarius publicus apostolicus und einige Jahre später auch als Domherr zu Brielle an, wo er sich bald solchen Ruf als Rechtsgelehrter erwarb, daß der Utrechter Bischof,