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ADB:Macher, Matthias

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Artikel „Macher, Mathias“ von Franz Ilwof in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 146–148, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Macher,_Matthias&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 06:51 Uhr UTC)
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Macher: Mathias M., Doctor der Heilkunde, medicinischer Schriftsteller, Topograph und Historiker. Er wurde am 8. Januar 1793 zu Oisnitz, einem Dorfe südlich von Graz im Lasnitzthale, geboren, besuchte von 1806 bis 1812 das akademische Gymnasium, von 1812 bis 1815 die philosophischen Studien in Graz. Nach dem Wunsche seiner Eltern sollte er Priester werden, sein innerer Drang jedoch trieb ihn zu den medicinischen Studien. Im Herbste 1815 begab er sich daher nach Wien, um an der Universität Medicin zu studiren. Es war eine harte Zeit, durch die er sich durchzuringen hatte; seine Angehörigen konnten ihn nicht ausreichend unterstützen; das Leben war in den Mißjahren 1816 und 1817 namentlich in Wien sehr kostspielig und nicht selten hatte M. mit Nahrungssorgen zu kämpfen; aber er war von zäher Natur und ließ nicht ab, dem selbstgesteckten Ziele mit der ganzen Kraft seines festen Sinnes, unterstützt durch angeborene Heiterkeit und ein glückliches Temperament, nachzustreben. Wenn er auch manchmal Hunger litt und im Winter in ungeheizter Stube schlief, so erwarb er sich doch durch Ertheilung von Privatunterricht so viel, daß er seine Studien vollenden konnte. Am 21. Juli 1821 wurde er zum Doctor der Medicin promovirt.

Er kehrte in seine Heimath, die Steiermark, zurück und ließ sich als praktischer Arzt in Marburg an der Drau nieder. 1823 wurde ihm die Stelle eines Districtsphysikers in Rann verliehen. Gerade damals war Untersteiermark von mehreren schweren Epidemien heimgesucht, wobei M. eine namhafte ärztliche Thätigkeit zu entfalten Gelegenheit fand. 1828 wurde er über sein Ansuchen als Districtsphysiker nach Maria Zell, 1829 nach Hartberg übersetzt. Am 9. August 1829 vermählte er sich mit Maria Dirnböck, der Tochter eines geachteten Bürgers und Realitätenbesitzers in Graz, mit welcher er durch 47 Jahre in glücklicher Ehe lebte.

Im September 1828 trat zum ersten Male in Europa (im südlichen Rußland) die Cholera auf; im Juli 1831 brach sie in Pest, im August in Wien aus; bald war auch die Ostgrenze der Steiermark von ihr bedroht und Fürstenfeld, Neudau, Wörth an der Lasnitz wurden durch einzelne Fälle derselben heimgesucht. Diese Gegenden gehörten zum Amtsbereiche Macher’s, und er befaßte sich sogleich mit dem Studium dieser neuen Erscheinung; er bereiste die Grenzbezirke gegen Ungarn, studirte die Krankheit im Choleraspitale in Wien und besprach sie auch in einer populären Abhandlung. Als 1849 in Oesterreich das gesammte Staatswesen reorganisirt wurde, geschah dies auch [147] mit dem Sanitätsdienste. M. erhielt auf sein Ansuchen die k. k. Bezirkarztstelle zu Stainz, südwestlich von Graz, welche er von da an durch 15 Jahre lang verwaltete. Er war bald einer der ältesten Sanitätsbeamten der Steiermark; 72 Jahre alt trat er 1865 nach 43jähriger Dienstleistung in den Ruhestand, übersiedelte nach Graz, wo er noch immer in Vereinen und bei wohlthätigen Anstalten rastlos mitwirkte.

M. war im persönlichen Umgange offen und treuherzig, von biederem, rechtlichem Charakter; er war ein treuer Freund und heiterer Gesellschafter, besonders in seinen jüngeren Jahren. Ein Freund des freien Wortes, besuchte er regelmäßig die Versammlungen der verschiedenen Vereine und Gesellschaften, denen er angehörte, um dort persönlich seine Ansichten und Anträge geltend zu machen und führte oft eine lebhafte Debatte herbei. Ein Mann von vielseitigem Wissen, hatte er sich als Autodidakt vielerlei Kenntnisse erworben. Er besaß Specialkenntnisse besonders in Geschichte, Geographie, Topographie, in der Alterthumskunde, in der Landwirthschaftslehre und Technologie. Dabei war er eifriger Politiker und liebte es, vorzüglich in seinen jüngeren Jahren, sich in politischen Discussionen zu ergehen, wie auch aus seiner Feder einzelne Broschüren politischen Inhalts erschienen sind.

Nach seiner Jubilirung lebte er in Graz und feierte körperlich und geistig noch vollkommen rüstig sein fünfzigjähriges Doctorjubiläum, bei welcher Gelegenheit er, „der durch 43 Jahre dem Staate mit rastlosem Eifer gedient und sich durch ein halbes Jahrhundert der Förderung der Wissenschaft mit so seltener Ausdauer gewidmet hatte“, vom Kaiser durch das Ritterkreuz des Franz Josef-Ordens ausgezeichnet wurde. Im 84. Jahre seines Lebens starb er zu Graz am 27. Juni 1876.

Macher’s litterarische Thätigkeit war sehr umfassend und reichhaltig. Seine gesammten litterarischen Producte lassen sich in drei Gruppen theilen, in die Gruppe politischer Broschüren, in die rein medicinischen Schriften und in die Arbeiten, welche die Steiermark in topographischer, medicinisch-topographischer und geschichtlicher Beziehung betreffen. Die politischen Flugschriften, welche von den Bewegungen des Jahres 1848 ausgingen, können hier unerwähnt bleiben, da sie nur vom Tage geboren und mit dem Tage hinfällig wurden. In den medicinischen Schriften suchte M. seine Wissenschaft im besten Sinne des Wortes zu popularisiren und seine reichen Erfahrungen weiten Kreisen zugänglich zu machen. Hierher gehören: „Ueber die Ursachen und das Wesen der … Skrophelkrankheit“, Wien 1821; „Physikalisch-medicinische Beschreibung des Sauerbrunnen bei Rohitsch in Steiermark“, Wien und Graz 1823; „Die orientalische Brechruhr (Cholera morbus)“, Wien 1831; „Die Heilwässer an den Grenzen von Steiermark in Ungarn, Croatien und Illyrien“, Graz 1834; „Handbuch der gemeinen Chirurgie“, Wien 1836; „Pastoral-Heilkunde“, Leipzig 1838, 4. Aufl. 1860; „Das Apothekerwesen in den k. k. österreichischen Staaten“, Wien 1846, 2 Bde.; „Handbuch der k. k. Sanitätsgesetze und Verordnungen“, 8 Bde., Graz 1846–1872; „Der neue Methusalem, oder lange leben und gesund bleiben ohne Doctor und Medicin“, Graz 1850; „Nachträge zu Dr. Müller’s Apothekerwesen“, Wien 1858; „Die lauteren Warmbäder (Akratothermen) des Herzogthums Steiermark“, Graz 1867; „Die Kuranstalt Einöd … in Obersteier …“, Graz 1868; „Die Kaltwasser-Heilanstalt in St. Radegund am Schöckel bei Graz“, Wien 1868; „Zur Medicinalreform in Oesterreich“, Wien 1868; „Ueber Disponirfreiheit der Aerzte“ (Sitz.-Ber. des Vereins der Aerzte in Steiermark, Graz 1868); „Mängel und Mißbräuche der Todtenbeschau“ (ebda. 1869); „Erfahrungen in Blatternepidemien“ (ebda. 1873); „Das Anna-Kinderspital und [148] der Kinderspitalsverein in Graz“, Graz 1873; „Gleichenberg in Steiermark als klimatischer und Brunnen-Kurort“, Graz 1873. (Erschien gleichzeitig in deutscher, französischer, englischer, italienischer und ungarischer Sprache.)

Ebenso eifrig wie auf diesem Gebiete war M. auf dem der Geschichte und Topographie, namentlich seiner Heimath, der Steiermark, thätig. So verfaßte er: „Darstellung des Wallfahrtsortes Maria Zell“, Wien 1832; „Bruchstücke aus der Geschichte der Stadt Hartberg“. (Steiermärkische Zeitschrift, neue Folge, I. Jahrg. 2. Heft, S. 123–134, Graz 1834.) „Der Pilger nach Maria Zell in Steiermark“, Wien 1832, 2. Aufl. Wien 1835; „Reise auf den Wechsel“ (Steierm. Zeitschr., N. F, V. Jahrg. 1. Heft, Graz 1838, S. 100–117); „Abriß einer Geschichte der Stadt Hartberg“ (ebda. VI, 1. S. 29–40); „Die Römergräber in der Gegend von Hartberg“ (Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark II. Heft, S. 107– 126); „Der Fremdenführer nach dem Wallfahrtsorte Maria Zell“, 3. Aufl. Wien 1856; „Uebersicht der Heilwässer und Naturmerkwürdigkeiten des Herzogthums Steiermark“, Wien und Graz 1858; „Medicinisch-statistische Topographie des Herzogthums Steiermark“, Gekrönte Preisschrift, Graz 1860; „Lebensbild Dr. Chrysanths Edlen v. Vest, Gubernialrath und Protomedikus in Steiermark“ (im 4. Jahresberichte des Vereins der Aerzte in Steiermark, Graz 1867); „Alte Schulverhältnisse in Steiermark“ (Grazer Tagespost 1871, Nr. 278, 282 und 285); „Das akademische Gymnasium zu Graz im Anfange des 19. Jahrhunderts“ (ebda. 1871, Nr. 298, 301, 311 und 324); „Die philosophischen Studien in Graz vor 60 Jahren“ (ebda. 1871, Nr. 343 ff.).

Damit ist jedoch Macher’s litterarische Thätigkeit nicht erschöpft; zahlreiche größere und kleinere Arbeiten veröffentlichte er noch in medicinischen Fachblättern, wie in den „Wiener medicinischen Jahrbüchern“, in Wittelhöfer’s „Medicinischer Wochenschrift“, in der ebenfalls in Wien erscheinenden „Zeitschrift für gerichtliche Medicin, öffentliche Gesundheitspflege und Medicinalgesetzgebung“ und ungezählte Aufsätze in verschiedenen anderen Zeitschriften, namentlich in der „Grazer Zeitung“, in der Beilage zu dieser: „Der Aufmerksame“ und in der „Grazer Tagespost“.

Wie zahllose Schriftsteller vor und mit ihm, hatte auch M. mit den Chikanen der vormärzlichen Censur zu kämpfen. Seine Broschüre „Ueber die orientalische Brechruhr“ (Wien 1831) wurde in Graz censurirt und gedruckt in Wien aber von der Censur verboten, weil man dort an der Ansicht festhalten wollte, daß die Cholera nicht contagiös sei, während M. die gegentheilige Ansicht aussprach, daher die ganze Auflage dieser Schrift confiscirt und verstampft wurde. – Die „Pastoral-Heilkunde“, dem Patriarch-Erzbischof von Erlau, Johann Ladislaus Pyrker von Felsö-Eör gewidmet, wurde 1836, nachdem sie die Censur unbeanstandet passirt hatte, gedruckt, mußte aber auf Anordnung des damaligen Fürstbischofs von Sekau, Roman Sebastian Zängerle, auch einer geistlichen Censur unterworfen werden, welche starke Striche darin vornahm, sodaß dieses Werk erst 1838 erscheinen konnte.

Auch als Dichter hatte sich M. mehrfach nicht ohne Erfolg versucht.

Grazer „Tagespost“, Abendblatt ad Nr. 153 vom 7. Juli 1876. – Ilwof, Mathias Macher. Im Gedenkbuch des historischen Vereins für Steiermark, in dessen Mittheilungen XXV. Heft, 47–65, Graz 1877.