Zum Inhalt springen

ADB:Ludwig II. (Landgraf von Niederhessen)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Ludwig II., Landgraf von Hessen“ von Hermann Diemar in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 118–120, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ludwig_II._(Landgraf_von_Niederhessen)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:40 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Ludwig, Heinrich
Band 52 (1906), S. 118–120 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ludwig II. (Hessen) in der Wikipedia
Ludwig II. in Wikidata
GND-Nummer 137093594
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|52|118|120|Ludwig II., Landgraf von Hessen|Hermann Diemar|ADB:Ludwig II. (Landgraf von Niederhessen)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=137093594}}    

Ludwig II., der Freimüthige genannt, Landgraf von Hessen (Theilherr des Landes 1458–1471), wurde geboren am 7. September 1438 als erstes Kind des Landgrafen Ludwig I. und der Anna von Sachsen. Schon am 1. September 1454 vermählte er sich zu Frankfurt mit Mechthild, Tochter des Grafen Ludwig I. von Württemberg-Urach. Als sein Vater am 17. Januar 1458 starb, waren für die Erbfolge keine genügenden Bestimmungen getroffen, und so hat die hessische Landgrafschaft, die durch die Dynastie emporgebracht, befestigt und ansehnlich vergrößert worden war, nach der Friedenszeit Ludwig’s I. ihre Weiterentwicklung zunächst, in merkwürdigem Rückschlag, begonnen mit dynastischem Zwist und innerer Unruhe. Von den Söhnen Ludwigs I. starb allerdings der vierte, Friedrich, schon um den 1. Juni 1463, und der dritte, der begabte und tüchtige Hermann, erhielt eine gelehrte Ausbildung und ließ sich abfinden. Dem zweiten aber, Heinrich III. (s. A. D. B. XI, 522 f.), der am 30. August 1458 die Erbtochter von Katzenelnbogen heimführte, war schon beim Verlobungsvertrag von 1446 vom Vater der Anspruch gegeben worden, mit Ludwig II. „gleich“ zu theilen. Und er hat jetzt, gelenkt von seinem klugen aber rücksichtslosen Hofmeister Hans v. Dörnberg, mit L. jahrelang um die gleiche Theilung des väterlichen Erbes gerechtet und gestritten. [119] Im Grundsatz einigten sich die beiden Brüder schon bald, bestimmter 1460, dahin, daß L. Niederhessen mit dem Land an der Werra, Heinrich Oberhessen mit dem Ziegenhainer Gebiet erhalten sollte. Nur die genauere Ausgleichung der beiden Theile an Land und Hoheitsrechten blieb eine offene Frage. Man vertagte sie 1460 auf vier Jahre. In der äußeren Politik gingen L. und Heinrich alsbald getrennte Wege. L. tummelte sich andauernd in Fehden mit nördlichen Nachbarn. Wichtiger waren seine Beziehungen zu Kurpfalz und Kurmainz. L. wurde zuerst Bundesgenosse des großen Gegners Kaiser Friedrich’s III., des Kurfürsten Friedrich des Siegreichen von der Pfalz, und zwar in dessen Krieg mit dem neuen Mainzer Erzbischof Diether von Isenburg (1459–1461 bzw. 1463). L. half Friedrich 1460 den Sieg bei Pfeddersheim über Diether gewinnen. Die Fehde endigte mit völliger Aussöhnung und einem Bündniß Diether’s und Friedrich’s. Nun aber wurde Diether vom Papste abgesetzt und sein Stuhl an Adolf II. von Nassau[WS 1] gegeben (1461–1475). Jetzt traten Friedrich und L. politisch auseinander: Friedrich erneuerte sein Bündniß mit Diether, L. dagegen ergriff die Partei Adolf’s, der ihm dafür Ende 1461 zwei mainzische Gebietsstücke verpfändete, eins im Eichsfeld, das L. nachher nicht zu behaupten vermocht hat, ein zweites im sächsischen Hessen, mitten zwischen landgräflichen Besitzungen, nämlich Hofgeismar mit Schöneberg und Zubehör. Das Eintreten Ludwig’s für Adolf aber war eine Parteinahme, die dem anderen hessischen Theilherrn unmöglich war. Denn Heinrich’s Politik mußte vor allem bestimmt werden durch die Aussicht auf Katzenelnbogen. Da nun einerseits Kaiser Friedrich 1461 dem König Georg Podiebrad von Böhmen Anwartschaft auf die Katzenelnbogener Reichslehen ertheilte, andererseits Graf Philipp von Katzenelnbogen sich offen verbündete mit dem abgesetzten Diether von Mainz und dem kaiserfeindlichen Friedrich von der Pfalz, so war es für Landgraf Heinrich durchaus geboten, in der Mainzer Stiftsfehde Partei für Diether zu nehmen. Er that es Anfang 1462. Und Diether verpfändete dafür an Heinrich eine Reihe mainzischer Besitzungen in Oberhessen, nämlich Battenberg, Rosenthal und die bisher nichthessische Hälfte von Wetter mit Mellnau. So standen also L. und Heinrich in der Stiftsfehde einander gegenüber. Mit L. und Erzbischof Adolf waren in Hessen außerdem die Stifte Hersfeld und Fulda verbündet. L. unternahm im Januar 1462 einen Feldzug an den Main, darauf kehrte er mit Adolf nach Hessen zurück, wo Adolf jetzt die Obedienz der mainzischen Städte Amöneburg, Neustadt und Fritzlar für sich erlangte. Das Eichsfeld freilich blieb (wie Erfurt) auf Diether’s Seite. Die beiden Landgrafen gingen sich übrigens militärisch ziemlich aus dem Wege. Heinrich operirte mit Friedrich von der Pfalz zusammen im Rheingau, seine Truppen halfen weiterhin im Juni 1462 Friedrich den Sieg bei Seckenheim erfechten. L. dagegen gewann im Juli mit Waffengewalt das ihm verpfändete Hofgeismar, worauf die Belagerung von Schöneberg und Anderes ihn noch Monate lang hier im Norden von Hessen beschäftigte. Sein Bundesgenosse Adolf aber erhielt dann im October ein großes Uebergewicht durch die Eroberung von Mainz. Seitdem war Diether’s Niederlage entschieden. Im nächsten Jahre fanden lange Friedensunterhandlungen statt, sie führten am 5. October 1463 zum Vertrag von Zeilsheim. Diether trat zurück. Den Kriegsverlust aber trug das Erzstift. Denn sowohl Diether’s wie Adolf’s Verpfändungen blieben in Kraft. So erhielt Hessen als Ganzes aus doppelter Parteinahme doppelten territorialen Gewinn. Und die starke Verminderung des unmittelbaren mainzischen Besitzes in Hessen war ein erheblicher Vortheil für die Stellung der Landgrafschaft. Für L. kamen dann zu Hofgeismar und Schöneberg in den nächsten [120] Jahren noch zwei benachbarte Erwerbungen hinzu. In der Fehde, die sich 1464 zwischen ihm und Bischof Simon III. von Paderborn erhob, nahm er gleich 1464 die bisher nicht-hessische Hälfte von Trendelburg und 1465 Liebenau gewaltsam in Besitz und behielt beides auch in dem Vertrage, der erst 1471 dieser langen, landverwüstenden Fehde ein Ziel setzte. Inzwischen war für die Landgrafschaft die Theilungsfrage brennend geworden. Seit 1464 gab es jetzt jahraus jahrein ohne Erfolg Tagsatzungen und Schiedsversuche. Der Streit der beiden Brüder, von Parteigängern und Nachbarn genährt, nahm allmählich immer mehr an Schärfe zu, er artete zuletzt aus in förmlichen Bruderkrieg, der die eigene Heimath verheerte. So verbrannte L. 1469 die Städte Borken und Schwarzenborn. Doch nunmehr drangen endlich die Vermittlungsversuche durch, um die vor allem der dritte Bruder, der sympathische junge Landgraf Hermann, sich verdient machte. Und mit ihm zusammen wirkten die hessischen Landstände, die eben in diesen Bemühungen, das Landeswohl gegenüber dynastischem Ehrgeiz zu wahren, jetzt mehr in den Vordergrund traten. Nach wiederholten neuen Zusammenkünften sowol der Landgrafen selbst wie von Räthen und Ständen auf der üblich gewordenen Stätte am Spieß beim Kloster Kappel (bei Frielendorf) erfolgte daselbst im Mai 1470 die endgültige Auseinandersetzung der streitenden Brüder mit Hülfe eines förmlichen Landtages. Im Mai des nächsten Jahres machte L. seinen Frieden mit Paderborn, darauf zog er mit stattlichem Gefolge in allem Prunk zum großen Regensburger Reichstag und erhielt hier von Kaiser Friedrich als der Aelteste des Hauses für sich und seinen Bruder am 24. Juli 1471 die gemeinsame Belehnung mit dem Gesammtbesitz der Landgrafschaft. So waren die staatlichen Verhältnisse Hessens endlich wieder fertig geordnet. Glücklicher Weise, denn noch vor Ablauf dieses Jahres starb L., am 8. November 1471 zu Reichenbach. Ein Hauptanliegen war ihm noch zuletzt die Förderung seines Bruders Hermann gewesen, der 1471 Aussicht erhielt, Bischof von Hildesheim zu werden. Ludwig’s Tod war mit daran schuld, daß Hermann das Stift nicht erlangte. Auch dort, wo Hermann’s Zukunft lag, im Erzstift Köln, hatte L. sich für ihn bemüht. Bei einem Besuch, den er dem Bruder im März 1470 in der Stadt Köln machte, erfahren wir manches von Ludwig’s Auftreten und von seiner Art. L. ist nur wenig über 33 Jahre alt geworden. Sein Bild stellt sich uns dar als das einer lebhaften und empfänglichen Natur voll jugendlicher Frische und geistiger Regsamkeit. Doch wie von Unternehmungslust so war er auch von Unrast und Leidenschaft erfüllt. Es fehlte ihm, wie es scheint, das rechte Maaß, die Tugend seines Vaters. Ludwig’s treffliche Gemahlin Mechthild von Württemberg ist erst am 6. Juni 1495 gestorben, eben als ihr Bruder Eberhard, der Erzieher ihres zweiten Sohnes, Herzog ward. L. hatte mit ihr schon 1455 eine Tochter, Anna, die jedoch früh, um 1458, starb, dann die zwei Söhne und Landeserben, die er unmündig hinterließ: Wilhelm I., geboren 1466, † 1515, und Wilhelm II., geboren 1469, † 1509, den Erneuerer des hessischen Gesammtstaats, den Vater Philipp’s des Großmüthigen.

Gerstenberg bei Diemar, S. 294 – Nuhn bei Senckenberg III, 426 ff. – Rommel III, 1 ff. – Landau in Zeitschr. f. Hess. Gesch. II, 164 ff. und V, 268 ff. – Gundlach, Hessen und die Mainzer Stiftsfehde, Marburg 1899. – Diemar in Mitteilungen und Zeitschr. a. a. O.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Adolf I.