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ADB:Lochner, Stephan (2. Artikel)

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Artikel „Meister Stephan“ von Eduard Firmenich-Richartz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 79–81, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lochner,_Stephan_(2._Artikel)&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 17:57 Uhr UTC)
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Stephan:[WS 1] Meister St., altkölnischer Maler, dessen Name uns Albrecht Dürer überliefert hat. In seinem niederländischen Tagebuch von 1520 (Thausing, Dürer’s Briefe, Tagebücher und Reime. Quellenschriften II, 1872, S. 99, 21/22 ; Leitschuh, Albrecht Dürer’s Tagebuch, 1884, S. 66, 6) findet sich die Stelle: … item hab 2 weiss₰ geben von der taffel auffzusperren geben die maister Steffan zu Cöln gemacht hat – eine Aufzeichnung, die mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit auf den Flügelaltar zu beziehen ist, auf welchem die Stadtpatrone Kölns in Verehrung der Mutter Gottes mit dem Christkind dargestellt sind, und der heute unter dem Namen „Dombild“ allbekannt ist. Dürer [80] fand die Gemälde offenbar noch an ihrem ursprünglichen Bestimmungsorte, auf dem Hochaltar der Rathhauscapelle, welche seit 1426 zur Sühne an der Stelle errichtet wurde, wo ehedem die Judenschule gestanden (Urkunde bei Kugler, Kleine Schriften II, 295). Im 16. und 17. Jahrhundert galt der Rathhausaltar für den vorzüglichsten Kunstschatz Kölns (vgl. Georg Braun, Städtebuch 1572 I, 38; Mathias Quad v. Kinkelbach, Teutscher Nation Herligkeit, 1609, S. 429, wo in etwas verschleierter, anekdotenhafter Weise auch von Dürer’s Besuch die Rede ist; Gelenius, De magnitudine Col. 1645, p. 633), gerieth aber späterhin vollständig in Vergessenheit, bis er im Beginne unseres Jahrhunderts die enthusiastische Bewunderung der Romantiker fand, welche das seit 1810 in einer Chorcapelle der Kölner Cathedrale aufgestellte „Dombild“ als eine Hauptschöpfung mittelalterlicher deutscher Kunst priesen und den Werken der italienischen Renaissance, vornehmlich Rafael’s Madonnen, gleichwerthig gegenüberstellten. (Schlegel, Sämmtl. Werke VI, 196–207; Wallraf, Ausgewählte Schriften S. 295–327; Passavant, Kunstreise S. 411.) Die Composition des Dombildes ist ebenso einfach wie kunstvoll. In der Mitte des Hauptbildes erblicken wir die Himmelskönigin völlig en face auf dem Thron, eine hehre und doch trauliche Erscheinung. Sie hält das segnende Christkind auf dem Schooße. Anbetend kniet links der älteste der hl. drei Könige, voll Innigkeit und feierlichen Ernstes, rechts bietet der zweite Magier, eine Gestalt von derb charakterisirter Männlichkeit seine Gabe dar, weiterhin naht schüchtern, jünglinghaft der dritte. Von den Seiten drängt mit Fahnen und Prunkwaffen ein glänzendes Gefolge herbei. Auf dem linken Flügel schreitet Ursula demuthvoll mit Aetherius und ihrem Geleite heran, den rechten nimmt Gereon in strahlender Rüstung mit seinen Knappen ein. Außer Maria sind alle Figuren in das prächtige Zeitkostüm gekleidet und heben sich in lebhaften Farben von dem gemusterten Goldgrunde ab. (Kupferstich von Massau, Farbendruck der Arundel Society.) Bei einer hohen, idealen Auffassungsweise, welche den Ausdruck der Unschuld und festlicher Würde erstrebt, überwiegt in dem Werke doch der lebensfrohe Zug frischer, derber Natürlichkeit. Dies gilt ebenso von den zarten, schalkhaften Mädchenerscheinungen mit den vollen, lachenden Gesichtern, den großen, blauen Kinderaugen, Stumpfnäschen und rundlichem Munde wie von den etwas plumpen, knolligen Zügen der biederen Männerköpfe. Jede Gestalt findet ihre besondere, eingehende Charakteristik, ihre kräftige Abrundung, und gerade durch die sichere, reife Formensprache wird das Dombild zu einem Markstein in der Entwicklung der deutschen Kunst. Der Einfluß der realistischen niederländischen Richtung des 15. Jahrhunderts zeigt sich aber mehr in der ganzen, lebendigen Auffassungsweise und der Freude am naturwahren Detail als im Stil und der Technik, welche mit der Oelmalerei der van Eyk keine Uebereinstimmung zeigt. Archivalische Forschungen nach Meister St., dem Schöpfer des Dombildes, führten zu dessen Identificirung mit Stephan Lochner (Ennen, 5. December 1857 und 4. Juli 1858), dem einzigen Kölner Maler dieses Namens zu jener Zeit, welcher urkundlich eine hervorragende Stellung unter seinen Zunftgenossen einnahm. Stephan Lochner war aus Meersburg am Bodensee gebürtig (Kölner Rathsschreiben 16. Aug. 1451, liber. cop. incept. 1451), seine Gattin hieß Lysbeth. Die Schreinsbücher berichten, daß er am 27. October 1442 das Haus Roggendorp in der St. Laurentiuspfarre zur Hälfte erwarb, welches er am 28. August 1444 wiederum verkaufte. Am 18. October 1444 finden wir ihn als Mitbesitzer der Häuser zome Carbunckel und zome alden Gryne an St. Alban, doch ward sein Antheil am 12. September 1448 mit einer Schuld belastet und verfiel bereits am 7. Januar 1452. Für das Ansehen, welches Stephan Lochner genoß, spricht seine Wahl zum Rathsherrn 1447 und 1450. Ende 1451 scheint der Künstler wahrscheinlich [81] an der Pest gestorben zu sein. Die vergleichende Stilkritik schreibt dem Meister des Dombildes noch einige andere hervorragende Gemälde zu. Die Madonna im Rosenhag, Kölner Museum Nr. 118, wurde von Hotho und Waagen für eine Jugendarbeit Meister Stephan’s gehalten. Seiner Frühzeit dürfte vor allem auch die liebliche, überlebensgroße Madonna mit dem Veilchen im erzbischöflichen Museum zu Köln angehören. (Farbendruck Arundel Society; Organ für christl. Kunst III (1853) Nr. 7, IV Nr. 23, V Nr. 7, XV Nr. 1 u. 12; Deutsche Kunstbl. 1855 S. 157; Crowe u. Cavalcaselle, Altniederl. Malerei S. 113/14; Daten aus dem Leben der Stifterin Elisabeth v. Reichenstein in Urkunden und Regesten zur Geschichte der Burggrafen u. Freiherren v. Hammerstein, Hannover 1891, Nr. 783.) Charakteristische, eigenhändige Arbeiten des Meisters sind ferner: der „Crucifixus mit Heiligen“ im Germanischen Museum zu Nürnberg Nr. 13, die Heiligen Ambrosius, Cäcilia, Augustinus – Marcus, Barbara, Lucas im Kölner Mus. Nr. 119/20; die 1447 dat. Darstellung im Tempel aus der Köln. Katharinenkirche in der Galerie zu Darmstadt Nr. 168 (Kugler, Kl. Schr. II, 352/53) ist etwas flüchtig behandelt und der Muschel-Metternich-Altar aus der St. Laurenzkirche steht wenigstens in einigen Gestalten der Art des Meisters ganz ungemein nahe. Das Mittelbild Jüngstes Gericht besitzt das Kölner Mus. Nr. 121, die Innenseiten der Flügel mit den Martyrien der Apostel befinden sich im Städel-Institut zu Frankfurt Nr. 62/63 (Kugler a. a. O. S. 350); zwei Marterscenen copirte Wenzel v. Olmütz in seinen Stichen BB. 23 u. 25. (M. Lehrs, Wenzel v. Olmütz, Dresden 1889.) Die Außenseiten mit edlen Heiligenfiguren und Stiftern kamen mit der Sammlung Boisserée in die Pinakothek zu München Nr. 3/4 (Lithographie Strixner). Arbeiten der Werkstatt und Schule Meister Stephan’s sind ziemlich zahlreich.

Foerster, Geschichte der deutsch. Kunst I. – Kugler, Gesch. d. Malerei I, 272 fg. – Schnaase, Gesch. d. bild. Künste VI, 410 fg. – Hotho, Malerschule Hubert’s van Eyk I, 398 fg. – Waagen, Handbuch der deutsch. u. niederl. Malerei I, 155 fg. – Mohr, Köln in seiner Glanzzeit. – Woltmann-Woermann, Gesch. d. Malerei II, 87 fg. – Janitschek, Gesch. d. deutsch. Malerei S. 226 fg. – Lübke, Gesch. d. deutsch. K. S. 428. – Merlo, Nachrichten etc. Neue illustrirte Ausgabe (in Vorbereitung).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Über diese Person existiert in Band 19 ein weiterer Artikel.