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ADB:Lipmann, Jom Tob

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Artikel „Lipmann, Jom Tob“ von Adolf Brüll in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 475–476, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lipmann,_Jom_Tob&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:09 Uhr UTC)
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Mühlhausen: Lipman M., jüdischer Theologe im 14. Jahrhundert. M. scheint seine Heimathsstadt, deren Namen er trägt, frühzeitig verlassen und noch als junger Mann in Prag seinen Aufenthalt genommen zu haben, wo er von Simson Baruch-Scheamar, dessen Schrift später durch einen Anhang von ihm ergänzt wurde, manche Unterweisung empfing. Er erwarb sich umfassende talmudische Kenntnisse, fand aber mehr Geschmack an dem Studium der kabbalistischen, religionsphilosophischen und exegetischen Litteratur, von der er, ohne gerade in dieselbe tief eingelesen zu sein, den für seine Zwecke angemessenen Gebrauch zu machen verstand. Durch die hussitische Bewegung traten damals in Prag dogmatische Streitfragen in den Vordergrund. Es konnte nicht ausbleiben, daß auch jüdische Gelehrte veranlaßt wurden, über einzelnes Einschlägige ihre Meinung zu äußern, wodurch auch M., der mit christlichen Theologen in persönlichem Verkehr stand, angeregt wurde, sich mit dem Inhalte des neutestamentlichen Schriftthums bekannt zu machen. In der Voraussicht, daß wol in dieser Zeit das Judenthum von Angriffen nicht verschont bleiben werde, verfaßte er, als er Rabbiner in Prag war, ein Werk „Nizzachon (Widerlegung)“ betitelt, eine Apologie des Judenthums, in welcher er dessen Lehren nach allen Seiten hin rechtfertigt, in Form eines Commentars zu den Schriftstellen, welche der christologischen Auffassung eine Handhabe boten oder von Rationalisten und Sectirern als Angriffswaffe gegen den herkömmlichen Glauben benutzt wurden. M. nimmt keinen Anstand, da, wo es ihm passend scheint, die talmudische Schrifterklärung aufzugeben und seine eigene an deren Stelle zu setzen, nichtsdestoweniger bewegt er sich nur in einem engen Gedankenkreise und muß zu künstlichen Auslegungen seine Zuflucht nehmen. Ein anderes Werk (Tikkun), das Vorschriften und Erläuterungen über die ritualmäßige Anfertigung von Pentateuchrollen, Scheidebriefen u. dgl. enthielt, wird von zeitgenössischen Autoritäten citirt. Im J. 1399 mußte M. in Folge der böswilligen Anklagen des Apostaten Peter mit vielen seiner Glaubensgenossen in den Kerker wandern. Es gelang ihm zwar, dieselben zu entkräften, aber er konnte es nicht verhindern, daß die meisten der mit ihm Verhafteten ein Jahr darauf hingerichtet wurden. Da er wol in Prag [476] sich nicht mehr sicher fühlte, zog er nach Krakau, wo er (1420) sein oben erwähntes apologetisches Werk in weiteren Kreisen bekannt machte.

Wolf, Bibliotheca hebraea, I, p. 734 ff.; Zunz, Zur Geschichte und Litteratur, S. 104; Ders., Nachtrag zur Litteraturgeschichte der synagogalen Poesie, S. 45, 46; S. Sachs, Kerem chemed, 8, S. 206 A.; Grätz, Geschichte der Juden, Bd. 8, S. 76–78.