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ADB:Lindner, Karoline

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Artikel „Lindner, Karoline“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 809–810, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lindner,_Karoline&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:17 Uhr UTC)
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Lindner *): Karoline L., Schauspielerin von Bedeutung, geb. 1797 zu Chemnitz, † am 11. September 1863 zu Frankfurt a. M. Sie entstammte einer Schauspielerfamilie, deren männliches Haupt eigentlich Dieldorf hieß, diesen Namen aber zu Gunsten der Bezeichnung L. abgelegt hatte. Die Jugendzeit Karolinens war keine glückliche und ihre jahrelange aufopfernde Pflege des kranken und contrakten Vaters wurde ihr von diesem schlecht vergolten. Karl Gollmick (Autobiographie I. S. 30) ist Zeuge gewesen, daß Lindner seine Töchter wegen der unbedeutendsten Vergehen vor sein Bett kommen ließ und mit der Peitsche züchtigte. Zum Theater kam die L. schon in sehr jungen Jahren und betrat von 1804–1811 in Kinderrollen das Theater zu Würzburg, an dem auch ihre Eltern und ihre ältere Schwester Therese längere Zeit wirkten. Seit dem 1. Januar 1811 erscheint sie unter den wirklichen Schauspielerinnen. Sie spielte zunächst kleinere, namentlich komische Rollen, so „Hans Peter Hollunder“ (Die beiden Füchse), „Peter“ (Menschenhaß und Reue), „Kakadu“ (Die Schwestern von Prag) etc., erhielt aber bald größere Aufgaben, nachdem sie als „Emma von Falkenstein“ (Kreuzfahrer) künstlerische Reife gezeigt hatte. Dem Einfluß einer Madame Renner (s. Bd. XII S. 726 f.), einer der gefeiertesten Naiven ihrer Zeit, verdankte L. die treffliche Ausbildung ihres Talents, dessen abgeklärte Leistungen ihr 1815 in Mainz und seit 1816 in Frankfurt die allgemeinste Anerkennung eintrugen. Sie debütirte in Frankfurt a. M. am 11. Januar 1816 als „Hedwig“ (Banditenbraut) und „Klärchen“ (Der Verräther) und blieb dieser Stadt auch treu, als sich 1825 ihr Ruf durch ein erfolgreiches Gastspiel in Berlin sehr steigerte und nach einem anderen Gastspiel am Burgtheater in Wien (1831) von diesem Institut aus alle Anstrengungen gemacht wurden sie zu gewinnen. Die Frankfurter Direction lohnte ihr diese Anhänglichkeit, indem sie die Gage der Künstlerin erhöhte und ihren Wirkungskreis [810] erweiterte. Ebenso erhielt sie damals ein Geschenk von 1000 Gulden für ihre häusliche Einrichtung. Namentlich seit 1825 glänzte sie in sentimentalen und munteren Naiven und gab dann seit Anfang der 30er Jahre auch Rollen wie „Maria Stuart“, „Lady Milford“, „Gräfin Orsina“ etc. und wußte auch dann Vorzügliches zu leisten, wenn die Partie ihrer Individualität nicht lag. In den 40er Jahren vollzog sich bei ihr der Uebergang ins Fach der älteren Rollen. Lewald (Allg. Theater-Revue II. S. 268 ff.), der die L. eines der größten Talente nennt, welche jemals der Bühne angehörten, schildert sie: ein Auge voll Seele, ein Organ so einschmeichelnd und gewinnend, eine Haltung so anmuthig und frei, eine so rasch bewegliche Phantasie und zu alledem eine ans Wunderbare streifende Beobachtungsgabe. Hiervon zeugte namentlich ihre Leistung in dem kleinen Stück „Proberollen“; groß und bedeutend war sie als „Klärchen“ (Egmont), „Käthchen von Heilbronn“, „Gretchen“ (Faust), dann als „Margaretha“ (Hagestolzen) und sie wußte auch Poesie in solche Rollen zu bringen, die der Dichter vergeblich versucht hatte poetisch zu gestalten. Die Zahl der Gastspiele, die sie gab, war nach heutigen Begriffen sehr gering; außer in Berlin und Wien gastirte sie in Dresden, Hannover, Stuttgart, Karlsruhe, München, Hamburg und Würzburg. Am 13. December 1852 beging sie ihr 50jähriges Künstlerjubiläum, zu dessen Feier die beiden letzten Akte der „Hagestolzen“ und „Hermann und Dorothea“ gegeben wurde. Fünf Jahre später, am 26. October 1857, nahm sie in den Partien der „Margaretha“ (Die Hagestolzen) und „Mutter“ (Eine Familie) für immer von den Brettern Abschied, auf dem ihr Spiel auch dem ersten der langen Reihe erfolgreicher Frankfurter Localstücke (Der alte Bürgerkapitän) zum durchschlagenden Erfolg verholfen hatte.

Vgl. Entsch, Deutscher Bühnen-Almanach XXVIII, S. 121–127; Frankfurter Conversationsblatt 1863, S. 236 f.

[809] **) Zu Bd. XVIII, S. 707.