ADB:Lehmann, Christoph
Otto v. Dieskau, 1588 die Universität Leipzig beziehen. Hier erwarb er sich, durch Talent und Fleiß sich auszeichnend, 1591 die Magisterwürde und kam später, bekannt geworden mit dem Reichskammergerichtsprocurator Dr. Cogman, nach Speyer, wo er im Juni 1594 an der dortigen Gelehrten- oder Rathsschule (schola senatoria) als Lehrer angestellt wurde. In dieser Stellung machte er sich in kurzer Zeit so sehr verdient, daß man ihn schon 1595 zum Conrector beförderte und, da er durch seine Heirath mit der Tochter eines Speyerer Secretarius und Sachwalters in verwandtschaftliche Verbindung mit den angesehensten Familien der Reichsstadt trat, wurde er den 18. April 1599 zweiter, und weil er juridische Bildung, geschichtliche Kenntnisse, Gewandtheit der Feder, auch, wo es galt, diplomatische Redefertigkeit bewährte, im Oktober 1604 erster Stadtschreiber, ein Amt, das zu jener Zeit in den Reichsstädten mit das wichtigste [133] und politischer Natur war. Neben diesem seinem Amte übertrugen L. auch die Reichsstädte der Rheinischen Bank auf dem Städtetage von 1606 die Aufsicht und Leitung ihres gemeinsamen Archivs. Dasselbe enthielt eine Sammlung der Reichs- und Städtetagsacten, sowie andere einschlägige Urkunden und Schriften und die Hauptmasse desselben lag in Speyer (im Rathhof) aufbewahrt und die Documente, deren man bei Reichstagen bedurfte, wurden in Truhen nachgeführt. Durch diese Stellung aber in Verbindung mit seiner Speyerer Verwendung hatte L. die beste Gelegenheit, sich eine genaue, auf Urkunden gegründete Kenntniß der reichsstädtischen Verhältnisse zu verschaffen. Wie der außerordentlich fleißige Mann diese für seine wissenschaftlichen Zwecke verwerthete, hat er in seiner Chronik bewiesen. Aeußerst wichtig aber wurde diese seine genaue Kenntniß der städtischen Verhältnisse für Speyer. Wir begegnen dem gewandten Unterhändler auf Reichstagen (1608, 1613), Städteconferenzen, Unionsconventen, wie es jene bewegte Zeit forderte, wo die Parteien vor dem Ausbruch des 30jähr. Krieges sich noch in Bündnissen und Gegenbündnissen zu Schutz und Trutz auf diplomatischem Boden versuchten. Zweimal erfuhr L. die Auszeichnung zu einer besonderen Vertrauensmission von Seiten auswärtiger Stände erbeten zu werden: einmal von der Reichsstadt Frankfurt im J. 1612, das zweite Mal von dem Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz 1619. In mannigfaltigster Verwendung finden wir jedoch L. in den heimischen Angelegenheiten der Reichsstadt, wie er denn auch nach Niederlegung seines Lehramtes gleichwol von 1616–18 als Scholarch im Schulfache wirksam blieb. Wie aus den noch vorhandenen Rathsprotokollen jener Zeit hervorgeht, überall, es mag Großes oder Kleines sein, wenn nur irgend ein geschichtliches Verhältniß in Frage kommt, ist es L., an den im Rathe die Sache verwiesen, dessen Gutachten verlangt, dessen Entscheidung mehrentheils befolgt wird. Handelt es sich um das Recht, einen Theil des Platzes vor dem Münster zu pflastern, so wird L. gefragt und er giebt Auskunft, wie es mit der Ausdehnung der Immunität – des um den Dom sich ziehenden gefreiten Raumes – beschaffen sei; will ein neugewählter Bischof seinen feierlichen Einritt in die Reichsstadt halten, so wird L. beauftragt, in den Acten nachzuforschen, wie man das immer gehalten habe, sodaß den alten wohlerworbenen Privilegien nichts vergeben werde. Indessen sah sich L. dennoch wegen Zerwürfnisse mit dem Rathe bewogen, 1629 in die Dienste des Speyerer Bischofs Philipp Christoph v. Södern, der seit 1623 auch zum Kurfürsten-Erzbischof von Trier erwählt worden war, überzutreten, so jedoch, daß er fortwährend in gutem Vernehmen mit der Reichsstadt blieb und auch ohne, wie ihm, jedoch erst lange nach seinem Tode, fälschlich vorgeworfen wurde, seine Religion geändert zu haben. In der bischöflichen Regierung (Remling, Gesch. d. Bischöfe, II. 451) wirkte er zunächst als beisitzender Rath, doch scheint es, daß er bis 1632 seine Zeit hauptsächlich zu litterarischen Arbeiten verwendet habe, von diesem Jahre an zog ihn der Kurfürst in seine nähere Umgebung und bediente sich seiner ohne Zweifel bei seinen Streitigkeiten mit dem Trierer Domcapitel. Als aber die Verwaltung des Kurfürstenthums Trier, wie die des Bisthums Speyer in die Hände der stiftischen Capitel kam, fühlte er, daß seines Bleibens in Speyer nicht mehr sei. Und so nahm er nach 43jährigem Aufenthalte daselbst, noch bevor das Domcapitel zu Speyer, Winken von oben gehorsam, den förmlichen Beschluß faßte (6. April 1687) „die bischöflichen Räthe protestantischer Confession, unter dem Vorgeben, man könne sie nicht mehr bezahlen, nicht mehr in den Rath zu ziehen“ (Remling a. a. O., II. 495), im Februar 1637 die Stelle eines Syndicus in der evangelischen Reichsstadt Heilbronn am Neckar an. Aber es war ihm nicht beschieden, des neuen Amtes sich [134] zu erfreuen, denn schon wenige Monate später findet sich in dem evangelischen Kirchenbuch der Stadt Heilbronn aufgezeichnet: „Anno 1638 den 20. Januar ist allhier zu Grabe getragen worden Herr Georg Christoph Lehmann, Doctor von Speyer“. Er hatte bei seinem Tode ein Alter von nahezu 70 Jahren erreicht; Nachkommen, die seinen Namen fortpflanzten, hat er nicht hinterlassen und ein Magister Theophilus Lehmann, der sich 1636 wiederholt um das Conrectorat am Retschergymnasium zu Speier bewarb, jedoch abgewiesen wurde, gehörte actenmäßig nicht in seine Familie.
Lehmann: Christophorus (Christoph) L., Chronist und Parömiolog. Geboren um das J. 1570 zu Finsterwalde in der Niederlausitz als der Sohn eines Rectors der lateinischen Schule (ludimoderator), wurde er frühzeitig Waise, konnte aber, unterstützt von dem Erbherrn seines Geburtsortes,Seinen litterarischen Ruf verdankt L. zwei Werken, der „Chronica der Freyen Reichs Stadt Speyr …“ und seiner Sprichwörtersammlung „Florilegium Politicum“. Ganz besonders aber ist es die erstere, zugleich sein frühestes Werk, durch welches er sich nicht nur in Speyer einen Namen begründet hatte, um dessen willen man ihn als den „berühmten L.“, ja den „deutschen Livius“ mit bereitwilligster Hingebung anerkannte, sondern das auch weit über Speyer hinaus (soll doch der Minister Colbert befohlen haben, eine französische Uebersetzung der Chronik anzufertigen) im Gebiete deutscher Städtegeschichte einen bewährten Ruf bis auf den heutigen Tag sich erhalten hat. Bei der Abfassung dieser seiner Chronik beobachtete er gewissenhaft das „nonum prematur in annum“, denn erst nach zehnjähriger Arbeit übergab er das Manuscript vorschriftsmäßig dem Rathe der Reichsstadt zur amtlichen Censur, worauf der Druck, auch äußerlich ein stattliches Opus, in Großfolio zu Frankfurt 1612 in Verlegung Jonas Rosen erschien. Die dreifache Aufgabe, die sich L. setzte und in extenso schon auf dem Titel präcisirte, führt er in sieben Büchern von den ältesten Zeiten bis auf den Regierungsantritt Kaiser Maximilians I. durch. Im ersten schildert er die Zeit bis zum Untergang der Römerherrschaft im fünften Jahrhundert, im zweiten und dritten die Zeiten der fränkischen Herrschaft bis zum Aussterben der deutschen Karolinger, im vierten entwickelt er die Veränderungen, die sich nach der karolingischen Periode im deutschen Reiche unter den verschiedenen Ständen desselben allmählig bildeten und handelt dabei ausführlich von der Entstehung der Reichsstädte mit ihrer eigenen Regierung, insbesondere „was Gestalt die Statt Speyr zu Zeiten Kayser Caroli M. eine Reichsstatt gewesen und hernach zur Freyen Statt des H. Reichs worden und was es vor Jaren im Regiment daselbst vor Gestalt und Proceß gehabt“. Das fünfte Buch umfaßt die Geschichte des Deutschen Reichs von den salischen Kaisern an bis auf Kaiser Albrecht I., wobei besonders berichtet wird, zuerst von der römischen Kaiser Macht und Hoheit „über die Stände von Italien und Deutschland, darneben was Gestalt und durch was Mittel des Reiches und der Kaiser Macht und Gewalt geschwächt und anderen zugewachsen“ und endlich „was Gestalt zu derselben Kaiser Zeiten die Statt Speyer zu Vffnehmen komen“. Im sechsten Buch erzählt L. „von unterschiedlichen innerlichen Empörungen in der Stadt Speyr“ während des 14. und 15. Jahrhunderts, und das siebente und letzte Buch handelt „von Kaiser Alberti I. und dessen Nachfolger am Reich Regierung bis auf K. Maximilianum I., von unterschiedlichen Reichstägen, … was Gestalt das Römische Reich in fernere Schwächung erwachsen …, von vielfältigen Verbündnissen der höheren Ständt mit den Erbarn Freyen und Reichsstätten und derselben unter sich“. Schon aus dieser Anlage des ganzen Werkes geht hervor, daß L. ein zu seiner Zeit seltenes, sehr richtiges Verständniß der drei großen Culturperioden hatte, in welchen die Geschichte unseres Vaterlandes seit dem Untergange der Römerherrschaft bis auf das Reformationszeitalter verläuft. Daß er diese Gliederung nicht blos äußerlich auffaßte, geht aus der sehr fleißigen und für seine Zeit sehr vollständigen und klaren Schilderung der social-politischen Verhältnisse hervor, welche den eigenthümlichen Charakter dieser Perioden im [135] Großen und Ganzen bestimmen. Erst nachdem er eine solche Grundlage gegeben und sodann „an der Kayser und Könige Beschreibung so viel zu diesem Werk gehörig“ das allgemein Geschichtliche entwickelt, beschreibt er immer, was in der Stadt Speyer sich zugetragen hat und welche Bischöfe zu jener Zeit regiert haben. L. schrieb seine Chronik in deutscher Sprache und zwar ist sein Deutsch für jene Zeit, wo man bereits begonnen hatte, unsere Muttersprache mit allerlei ausländischen Lappen zu verunstalten, von anerkennenswerther Reinheit, seine Darstellung ist durchgängig frisch und nicht selten wird er wahrhaft beredt, bei aller Breite zeigen seine Erzählungen eine ergötzliche Natürlichkeit und sicher ist, daß er an Sprache und Darstellungsgabe seinem Fortsetzer und Erweiterer Melchior Fuchs, der fast hundert Jahre, sowie seinem Biographen Baur, der 150 Jahre später schrieb, weit voransteht. Einen bedeutenden Werth aber gewinnt sein Werk besonders dadurch, daß er überall die wesentlichen Belegstellen für seine Angaben ausführlich mittheilt und auf solche Weise den Leser in den Stand setzt, die Resultate, die er gewinnt oder gewonnen zu haben glaubt, mit den Quellen selbst zu vergleichen. L. hat, wie er selbst in einem Schreiben an Landgraf Moritz von Hessen sagt (Baur a. a. O., S. 177), vier Bibliotheken benützt und in der That eine Menge von Schriftstellern gelesen, um sich die Zustände und Einrichtungen des Deutschen Reiches in geschichtlichem Zusammenhange klar zu machen. Für die Speyerer Angelegenheiten stand ihm das damals (Baur, 43) bereits von seinem Vorgänger im Stadtschreiberamte, Hermann Schießer trefflich geordnete reichsstädtische Archiv (die gegenwärtige schöne Ordnung dieses Archivs verdankt man dem sehr verdienten, am 18. August 1836 verstorbenen K. Kreisarchivar Peter Bernh. Geyer) zu Gebote, wie für allgemeinere Städteangelegenheiten das seiner Aufsicht anvertraute bereits erwähnte Archiv der Städte rheinischer Bank. Von den Urkunden, welche er benützte und seiner Chronik einverleibte, sind zunächst unstreitig die Kaiserurkunden die wichtigsten; übrigens hat er kaum die Hälfte dieser aus dem Zeitraum, welchen sein Werk behandelt, im Speyerer Archive vorhandenen Urkunden veröffentlicht, wie die Vergleichung mit den Geyer’schen Repertorien ergiebt. Außerdem enthält die Chronik noch einige päpstliche und mehrere bischöfliche Urkunden, sowie eine Menge Rathserlasse, Verträge mit benachbarten Fürsten und Städten, Vergleichshandlungen und, was zu dem Interessantesten des mitgetheilten urkundlichen Materials gehört, die alten Richterordnungen der Reichsstadt. Unter den letzteren hat er übrigens die sogen. Vierrichterordnung nicht nach dem ältesten Original von 1314, sondern in der etwas abgeänderten Redaction von 1328, enthalten im Cod. 6 (Geyer; bei Zeuß, Die freie Reichsstadt Speier, 1843, S. 2, Cod. C.) abdrucken lassen.
Aus dem Vorstehenden ist ersichtlich, daß im Vergleich mit anderen Chronisten L. ein sehr bedeutendes urkundliches Material mitgetheilt hat. Im Verhältniß zu dem aber, was im reichsstädtischen Archiv zu geschichtlicher Benutzung vorhanden war, ja selbst zu dem, was jetzt noch von letzterem übrig geblieben ist, hat er immer noch eine reiche Nachlese übrig gelassen, vgl. auch Rau a. a. O. S. 29 und dessen Geschichte der Regimentsverfassung von Speier, I. S. 26, 39, 40. Am schwächsten ist L., wo er sprachliche und etwa historisch-topographische Combinationen wagt. So sei u. a. nur erwähnt, daß er dem Leser zur Erklärung, woher der Name Nemetes (die germanische Völkerschaft in der Gegend des jetzigen Speyer) komme und was er bedeute, zumuthet zu glauben, derselbe sei entweder „ein Teutsch verzwickt Wort: Niemetshie (die in der Einöde wohnenden) oder der von den Wenden zuerst aufgekommene Name der Deutschen Nemetschi“ (Chron. B. I. Cap. 1), weshalb die Nemeter und [136] Wenden zuerst auch Nachbarn gewesen sein müßten. Wenn endlich die überall, besonders aber in der Geschichte der Kaiser und zumal Rudolfs von Habsburg, zahlreich eingestreuten „nützliche und lustige Exempel“ der Kritik oft Anlaß geben zur Uebung ihres Amtes, so darf nicht vergessen werden, daß doch die meisten derselben mit großem Geschicke ausgewählt sind, um einem größeren Leserkreise die geschichtlichen Gestalten recht frisch und lebendig vorzuführen. Gerade durch diese Bestandtheile ist seine Chronik, wie die elsässische seines Zeitgenossen Bernh. Hertzog durch seine Familiengenealogien populär geworden und geblieben in jener altväterlichen guten Zeit, in der man sich die Mühe nicht verdrießen ließ, Belehrung und Unterhaltung aus Folianten zu schöpfen. Selbst in unserem Jahrhundert noch, als man anfing, den Sinn für vaterländische Geschichte in Taschenbüchern zu pflegen, und noch in der gegenwärtigen Zeit in der Unterhaltungslitteratur (vgl. u. a. Illustr. Chronik der Zeit, 1878, S. 357), gewährte und gewährt diese Chronik, als ein wahres Florilegium in folio, dankbare Auslese. So ergibt sich denn als Gesammtresultat das Urtheil, daß die Speyerer Chronik bei allen Schwächen, Fehlern und Einseitigkeiten im Einzelnen, im Ganzen ein Werk ist von staunenswerthem Fleiße, für seine Zeit reicher Gelehrsamkeit, geschickter Auffassung und vielfach gelungener Darstellungsweise. Sie erlebte denn auch binnen hundert Jahren vier Auflagen: die zweite (diese allein in Quart) 1662, die dritte, von Melchior Fuchs, einem Speyerer, von 1665 bis 1680 Stadtschreiber daselbst, mit vielen Zusätzen vermehrt, 1698 und die vierte, ein Abdruck der dritten, 1711, sämmtlich zu Frankfurt a. M.
Das zweite Werk Lehmanns, welches nicht minder seinen Werth bis auf die Jetztzeit sich erhalten hat, ist seine Sprichwörtersammlung. Aehnlich dem Chronist und Amtmann Bernh. Hertzog (Bd. XII. S. 251), der in seinen Mußestunden mit Schwankdichtung sich beschäftigte, liebte es auch der Stadtschreiber L. zur Erholung von seinen historischen Studien, Sprichwörter und Apophthegmen zusammenzutragen. Mitten in den schlimmsten Wirren des 30jährigen Kriegs, von denen auch er manches zu leiden hatte, arbeitete er an dieser Sammlung, der er den Titel gab: „Florilegium politicum. Politischer Blumengarten. Darinn außerlesene Politische Sentenz, Lehren, Regulen vnd Sprüchwörter … vnter 286 Titulen … in locos communes zusammen getragen … impensis autoris Anno 1630“ o. O., doch ist das Druckerzeichen auf Bl. 8 das des Paul Helwig oder dessen Erben zu Wittenberg. Es ist dies die erste und einzige noch zu Lebzeiten des Verfassers erschienene Ausgabe, in der jedoch, wie in allen späteren jede Erklärung der Sprichwörter fehlt (12,605 Spr.). Die folgenden Ausgaben (sämmtlich in 12., keine einzige in 8.), bezüglich deren Zahl und Inhalt die bibliographischen bezw. parömiologischen Litteratoren vielfach sich widersprechen, sind nach persönlicher Einsicht und Prüfung: I. Editionen in einem Theile: 2. o. O. 1630 „impensis autoris“ (Nachdruck); 3. Franckf. Anth. Humm 1638; 4. ibid. 1638; 5. Lübeck, Joh. Jung 1639; 6. ibid. 1641. II. Editionen in drei Theilen: 7. Erster Theil, Frankf., Schönwetter 1640 (13 662 Spr.); zweiter Theil ibid. 1641 (73 loci comm. mit 7065 Spr.); 8. Erster Theil ibid. 1643, dritter Theil (sehr niederes und schmales Duodez), ibid. 1642 (67 loci comm. 2195 Spr.). III. Editionen in vier Theilen: 9. Frankf., Schönwetter Erben, 1662 (2195 Spr.). Von allen diesen Ausgaben sind die von 1630, 1638, 1640, die von 1641 II. und 1662 I., II. und die von 1642 III. und 1662 IV. identischen Inhalts; demnach beläuft sich der Inhalt aller Theile des Florilegiums, aller „Sententz, Lehren, Regulen und Sprichwörter“ in Summa auf 22,922 Nummern, von denen jedoch ein Drittel theils aus anderen Sprachen entlehnte Sprichwörter, theils lediglich Moralsätze [137] oder geschichtliche Anekdoten sind. Eine Amsterdamer und Gießener Ausgabe existiren nicht. Wenngleich L. wie seine späteren ungenannten Fortsetzer jede Auslegung der Sprichwörter unterlassen hat, man müßte denn die sehr häufig aus den Alten entlehnten längeren und kürzeren Citate als solche gelten lassen, und wenn seine Arbeit den älteren Sammlungen des Agricola oder Sebast. Franck hinsichtlich der Darstellung sowol als der geistreichen Auffassung oder der seines Zeitgenossen Fr. Peters an Reichhaltigkeit (vgl. meine Mittheilungen im Anzeiger f. K. d. d. Vorzeit, 1866, 333 ff.) unbedingt nachsteht, so verdient doch seine Blumenlese das Lob, das ihr zu jeder Zeit und bis auf unsere Tage als einer der besten Sammlungen sprichwörtlicher Volksweisheit gezollt wurde, mit vollem Rechte. Denn L. trifft in seinen Sprüchen überall den rechten Sinn und Ton für jegliche Wahrheit, Ironie und Witz sind immer an der rechten Stelle, sein Schwert ist niemals stumpf, sein Muth stets ohne Furcht und seine Deutschheit ohne Ueberhebung. Es ist ein staunenswerth reicher Geist, ein heller Kopf, ein warmes Gemüth, daß sich in den Sprüchen offenbart. Vor allem aber wird man, wie in seiner Chronik, so auch in diesem Florilegium die Spuren einer aus dem edelsten Boden der Nation erwachsenen starken und ungebrochenen echt deutschen Gesinnung finden. Was aber seine Zeitgenossen anbelangt, so stand diese Sammlung bei ihnen in so hohem Ansehen, daß sie der geniale Balthasar Schupp (Morhof, Polyh. §. 150) sogar „zunächst der Bibel setzte“. Später war es Lessing, der das Andenken an das verschollene Werk im Anfang seines Wolfenbütteler Aufenthalts wieder erweckte und ein so großes Gefallen an dem kernigen treffenden Geist dieser Sprüche fand, daß er (Fülleborn, Lessing’s Leben, III, 16) eine Bearbeitung des „Blumengartens“ begann, an der Vollendung der Arbeit aber durch bibliothekarische und anderweitige Thätigkeit verhindert wurde. Unter den Neueren theilte dann Hoffmann von Fallersleben in seinen „Spenden zur Litteraturgeschichte“ Proben aus dem Florilegium mit und noch 1879 erschien (Berlin, C. Duncker) eine Auswahl aus den drei ersten Theilen der Ausgabe von 1662. Nach dem Beispiel des L. hatte auch der jüngere H. Meibom einem seiner handschriftlichen Werke (in Hannover: Bodmann, N. 368) den Titel gegeben: „Florileg. ethico-politicum ex class. auct. vet. et novitiis collectum“. L. ist schließlich auch der Verfasser einer Apophthegmensammlung „Exilium Melancholiae. Das ist: Unlust Vertreiber …“ (Goedeke a. a. O.), welche jedoch erst nach seinem Tode, zu Straßburg 1655, 8°., erschien. Es ist dies eine Bearbeitung des französischen Originals: „La Chasse-ennuy, ou l’honeste Entretien des hommes compagnies“ von Louis Garon (Caron), welches (Brunet, Manuel, II. 366) bereits zu Lyon 1628–31 gedruckt worden war. Ueber den Verfasser ist zu vergleichen Variétes historiques (Lyon 1836), S. 80–91. Unter dem Titel „Exilium Melancholiae“ hat bekanntlich auch der Gründer der Münchener „Fliegende Blätter“, Kaspar Braun, ein illustrirtes Buch herausgegeben. Von den übrigen Werken unseres L. sind noch anzuführen: „Reichshandlungen über den Religionsfrieden“ (Frankf. 1631, 1640, 1707), sowie ein Commentar über die goldene Bulle, außerdem zwei lateinische Schulreden, von denen die eine zu Frankfurt gedruckt wurde. Auffallend ist es, daß sein Name auf allen Ausgaben der Chronik sowol als des Florilegiums hartnäckig als „Lehman“ erscheint, während sein Biograph Baur (S. 7) ausdrücklich angibt, derselbe sei auf den Bestallungsbriefen im Speyerer Archive eigenhändig „Lehmann“ unterschrieben, wie er sich denn auch in allen Arten Christophorus oder zuweilen auch Christoph schreibt und nur das oben erwähnte Heilbronner Kirchenbuch ihn Georg Christoph nennt. Ueber die Ableitung und Bedeutung des Eigennamens vgl. Anzeiger f. d. Kunde d. d. Vorzeit, 1860, 316–318.
- [138] Für die Chronik: Erh. Christ. Baur, Leben des Chr. Lehmann, Frankf. 1756. Morhof, Polyh. I. 256, 514, 595. Magiri Eponymolog. voc. Lehm. Fabricii Hist. biblioth. III. 45–46. Reimmann, Hist. litt. 547. Pütter, Litt. d. d. Staatsrechts, I. 162 ff. Löbel in Act. Academ. Theod. Palat., VI, 416 ff. Saxi Onomast. IV. König, Reform.-Gesch. d. Stadt Speyer. G. Rau, Chr. Lehmann und s. Chronica, 1859 (Programm, dem wir im wesentlichen gefolgt sind). – Für die Sprichwörtersammlung: Baur. – Heineccius, Hall. gel. Anz. Schottelius, Opus de ling. germ. p. 86. Goedeke, Gr., I. S. 113. Maltzahn, Bücherschatz, I. N. 1263–66. – Für das Exilium Melancholiae: Nopitsch, Litt. d. Sprichw., S. 45. Duplessis, Bibliographie Parémiologique, S. 335. Grässe, Trésor, II. 52 b. III. 30 a b. Goedeke, Gr. II. 512.