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ADB:Lavater, Hans Rudolf

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Artikel „Lavater, Hans Rudolf“ von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 82–83, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lavater,_Hans_Rudolf&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:25 Uhr UTC)
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Lavater: Hans Rudolf L., geb. 1491, † am 10. Januar 1557. – L. stammte aus einem ursprünglich in Rheinau unweit Schaffhausen angesessenen, von seinem Berufe im Dienste des dortigen Klosters den Namen (lavator) führenden, im J. 1446 in Zürich eingebürgerten Geschlechte. In seiner Jugend Glaser, mehr aber noch Kriegsmann, nahm er an den Feldzügen der Schweizer in Italien, 1512 am Pavierzuge gegen die Franzosen, 1521 an den beiden Zügen in die Romagna im Dienste Papst Leo’s X. Antheil und bekleidete im letzten derselben bereits an der Seite des obersten Hauptmanns, Georg Berger von Zürich, seines Schwestermannes, den Posten des Fähndrichs, d. h. des zweiten Befehlshabers im Range. Dies gab Zürich auch Veranlassung, ihn im J. 1524 einem der angesehensten Magistraten der Stadt, dem Sekelmeister Jakob Werdmüller, als Mitgesandten an Papst Clemens VII. nach Rom beizuordnen, um von letzterem die der Stadt von Leo X. verheißenen, aber noch rückständigen Zahlungen für jene Kriegshülfe einzufordern; eine Sendung, die freilich ohne Erfolg blieb. Wohlgestalt, ein kräftiges und entschlossenes, dabei aber auch einnehmendes Wesen hatten L. diese Auszeichnungen erworben. Er war aber auch frühe schon mit voller Theilnahme der geistigen Strömung gefolgt, die Zürich jetzt beherrschte, und schloß sich seit Zwingli’s Auftreten an dessen reformatorische Bestrebungen mit allem Nachdrucke an, ermuntert durch den greisen Sekelmeister Niklaus Räuchlin, seit 1516 sein Schwiegervater, den schon seit Jahrzehnten sehnliches Verlangen nach einer Aufrichtung der Kirche aus ihrem tiefen sittlichen und geistigen Verfall beseelte. So lenkten sich denn die Blicke seiner Mitbürger mehr und mehr auch auf L. und diese übertrugen 1525 dem vier und dreißigjährigen Manne das wichtige Amt eines Landvogtes der Grafschaft Kiburg, die einen Dritttheil des ganzen zürcherischen Gebietes umfaßte. L. bewährte sich in dieser Stellung sofort aufs Trefflichste. Als die Bewegung, welche in Deutschland die Schrecken des Bauernkrieges hervorrief, auch im schweizerischen Landvolke Keime trieb und in einer großen Versammlung der Zürcher Bauern in Töß unweit Winterthur am 5. Juni 1525 einen Ausdruck fand, war es vorzüglich L., der durch sein Erscheinen unter den Versammelten, durch sein leutseliges, kluges und zugleich festes Benehmen den unschädlichen Verlauf des Tages bewirkte und der Bewegung damit die Spitze brach. Mit ähnlichem Erfolge vertrat L. Zürichs Sache im nahen Thurgau, wo die reformirte Bevölkerung gegen die katholische Mehrheit der regierenden eidgenössischen Orte zu schützen und der Landvogt von Kiburg hiebei das nächstberufene, natürliche Organ der zürcherischen Regierung war. Als aber 1529 förmlicher Krieg zwischen den Orten beider Confessionen, der sog. erste Kappeler Krieg, losbrach, erhielt L. Auftrag und Gelegenheit seine militärische Begabung in Zürichs Dienste zu bethätigen, indem er an der Spitze eines Aufgebotes aus der Grafschaft Kiburg den Thurgau und das stiftsanctgallische Rheinthal besetzte und der Stadt Zürich huldigen ließ. Mitten in diesen Anordnungen traf ihn die Nachricht vom Abschlusse eines Waffenstillstandes, der Befehl, einzuhalten, und als er nach Zürich und Kappel eilte, um den jetzt angeknüpften Friedensunterhandlungen nahe zu sein und unbedingtes Nachgeben gegenüber den Forderungen der Gegner zu verhüten, gelang es ihm nicht, seine Ansichten zur Geltung zu bringen. Ungeachtet Zwingli’s eindringlichen, von L. und andern Freunden des Reformators unterstützten Vorstellungen wurde der Friede vom 25. Juni 1529 („Erster Kappeler Friede“) abgeschlossen, der selbst das von L. Gewonnene wieder preisgab. Eine noch viel schwerere Prüfung harrte aber Lavater’s. Als die unentschiedenen und verworrenen Zustände, welche der ebengeschlossene Friede schuf, nach kurzer Frist zum Ausbruche des zweiten Kappelerkrieges führten, dem Zürich in ungünstigster Lage, gelähmt durch innere Zwietracht und durch Mißverständniß mit Bern, [83] entgegentrieb, wurde L. zum Kriegshauptmann ausersehen und konnte nicht verweigern, dem Rufe zu folgen, obwohl er die volle Schwierigkeit seiner Aufgabe voraussah. Hemmnisse aller Art, Unentschlossenheit und Uneinigkeit in den Räthen, Lauheit, Zögerung, heimlicher Widerstand lähmten seine Anordnungen; ihm ertheilte Vollmachten wurden im wichtigsten Augenblicke wieder beschränkt. Als er endlich mit dem kleinen, in Eile zusammengerafften Heerhaufen der vorausgesandten zürcherischen Grenzhut in Kappel zu Hülfe zu kommen vermochte, fand er dieselbe schon in den Kampf verwickelt, in welchem er nur ihren Widerstand gegen den überlegenen Feind zu theilen, aber ihre und der Seinigen Niederlage nicht abzuwenden im Stande war. Mit genauer Noth entkam er selbst aus dem blutigen Treffen, das Zürich Zwingli und viele seiner besten Männer entriß, nachdem er Alles gethan, was seine Stellung ihm vorschrieb und persönliche Tapferkeit vermochte. Von den Vorwürfen, die jetzt gegen ihn ertönten, sprach ihn die auf sein Verlangen angeordnete eingehende Untersuchung völlig frei und mit ungeschwächtem Vertrauen seiner Obrigkeit übernahm er wieder die Verwaltung seiner Landvogtei. Mit Bullinger, der an Zwingli’s Stelle trat, verband ihn sofort nahes Einverständniß. An Bullinger und L. als an die Häupter der entschiedenen Evangelischen in Zürich wandte sich das Vertrauen Landgraf Philipps von Hessen im October 1533. Bullinger und L. vermittelten 1534 die Anknüpfung neuer freundschaftlicher Beziehungen Zürichs zu Bern. Und als L. 1536 als nunmehriges Mitglied des täglichen Rathes, der eigentlichen Regierung, in Zürich Wohnsitz nahm, gestaltete sich seine Verbindung mit Bullinger zu enger, dauernder Freundschaft, die bei Lavater’s beginnendem Aufsteigen zu den höchsten Staatsämtern von wesentlicher Bedeutung für Zürich war. Dem Sekelmeister L. widmete Bullinger 1543 seine Auslegung des Evangeliums St. Johannis. Die Ende 1544 erfolgende einhellige Ernennung Lavater’s zum Bürgermeister und die 13 Jahre seiner Amtsführung als solcher neben seinem gleichgesinnten Collegen Haab, bilden den Höhepunkt der zürcherischen Reformationszeit. Im Einverständnisse der Häupter des staatlichen Gemeinwesens mit dem Vorsteher der Kirche, deren Einrichtungen ihre abschließende Gestalt erhielten, war das Verhältniß beider Institutionen jetzt richtiger, weil mit gleichartigerem Gewichte beiderseits gestaltet als zur Zeit, da neben Zwingli’s überragender Gestalt der ehrenwerthe, aber dem Reformator nicht gewachsene Amtsvorgänger Lavater’s, Diethelm Röust, gestanden hatte. Aber Bullinger blieb das von ihm beklagte Geschick beschieden, L., der ihm freilich an Alter um 13 Jahre voranging, und die Zeit des Zusammenwirkens mit ihm lange zu überleben.

Neujahrsblatt f. d. zürcherische Waisenhaus auf das J. 1864 (Bgmstr. H. R. Lavater. Von C. Pestalozzi). – Dazu Berichtigung in Mörikofer, J. C. Ulrich Zwingli, II, S. 3 und 495. Zürich 1867/9. – Egli, Pfarrer E., Die Schlacht von Cappel 1531. 8°. Zürich 1873.