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ADB:Languet, Hubert

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Artikel „Languet, Hubert“ von Ludwig Geiger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 692–694, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Languet,_Hubert&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:09 Uhr UTC)
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Languet: Hubert L. ist allerdings kein Deutscher von Geburt, verdient aber wegen seines langen Aufenthalts in Deutschland und wegen seiner nahen Beziehungen zu deutschen Gelehrten und Fürsten an dieser Stelle seinen Platz. Er ist in Vitteaux 1518 geboren, genoß eine gute Erziehung, wurde mit classischer Bildung vertraut und machte nach der Sitte des 16. Jahrhunderts seine Studienreise nach Italien. Dort (1547) erlangte er durch die Lectüre von Melanchthon’s Loci communes Befreiung von manchen religiösen Zweifeln, die ihn schon lange gequält hatten. Da er aber auch durch diese Schrift keine rechte Klarheit über die Abendmahlsfrage erlangen konnte, so reiste er 1549 zu dem Verfasser und lebte von da an bis zu Melanchthon’s Tode in engster Gemeinschaft mit ihm. Durch ihn wurde er auch mit Joach. Camerarius bekannt und vertraut, der in seiner Biographie Melanchthon’s dem Freunde eine liebevolle Schilderung widmete und, ebenso wie sein gleichnamiger Sohn, die Briefe Languet’s treu aufbewahrte. Dieselben, 63 an den ältern von 1554–1574, 40 an den jüngern von 1554 bis 1579 sind von dem Sohne des Letztern, Ludwig, herausgegeben worden (Groningen 1646). Languet’s Thätigkeit in Deutschland war eine vielseitige. Er war Politiker und Theologe, unterhielt mannigfache Beziehungen mit hervorragenden Männern und machte viele Reisen, theils als unabhängiger Privatmann, theils im Auftrage von Fürsten und Theologen. Wir finden ihn am kaiserlichen Hofe in Wien, als Theilnehmer am Convent zu Naumburg, in Augsburg, um gegen Schwenkfeld thätig zu sein, in Frankfurt, um mit Calvin zusammen zu treffen; wir sehen ihn thätig bei den Vermittlungsversuchen zwischen [693] Flacius Illyricus und den Wittenbergern. Seine Hauptthätigkeit, wenn auch nicht in, so doch für Deutschland oder wenigstens für einen deutschen Fürsten entwickelte L. von 1560–1572. Durch den kursächsischen Rath Ulrich Mordeisen, der dem wittenbergischen Kreise nahe stand, wurde er bewogen in die Dienste des Kurfürsten August von Sachsen zu treten. In dessen Auftrag ging er nach Paris und weilte in den genannten Jahren daselbst als kursächsischer Gesandter und Berichterstatter. Seine von dort geschriebenen Briefe sind, wenn auch nicht nach den Originalen und nicht vollständig, gedruckt von J. P. Ludwig in der Sammlung: „Arcana seculi XVI Huberti Langueti legati dum viveret et consiliarii saxonici secreta ad principem suum Augustum“, 2 Bde., Halle 1699. Diese Sammlung enthält aber weit mehr als die Gesandtschaftsberichte aus den genannten Jahren. Sie enthält einerseits die ferneren Sendschreiben (bis 1581), die L. an den Kurfürsten erließ, von dem er in herzlichstem Einvernehmen geschieden war, sowie die gesammte Correspondenz mit dem Rath Mordeisen, der ihn in kurfürstliche Dienste gebracht hatte. Den letzten Lebensjahren des Schriftstellers gehört eine dritte gleichfalls gedruckte Sammlung von Briefen an, die ebenso wie die früher erwähnten lateinisch geschrieben sind: 96 Briefe an den Engländer Philipp Sidney von 1573 bis 1580 (Frankfurt 1630, 2. Ausgabe Leyden 1646). Diese Briefe sind, bis auf die der letzten zwei Jahre, ausschließlich aus Deutschland und zwar aus Wien, Prag, Regensburg, Köln, Frankfurt datirt. Denn Languet’s Aufenthalt in Paris hatte die Bartholomäusnacht ein Ende mit Schrecken bereitet. Er war mit seinem Freunde, dem Buchdrucker Wechel aus Frankfurt, glücklich dem Morden entkommen und lebte seitdem theils in Deutschland, theils in den Niederlanden. Er starb in Antwerpen 1581. Auch außer seinen Briefen hat L. manches Bemerkenswerthe, durchaus auf die damalige Geschichte und Politik Bezügliche geschrieben. Unbedeutend ist seine „Apologie ou défense de Guillaume, Prince d’Orange“ (1581), übrigens seine einzige französisch abgefaßte Schrift. Auf rein deutsche Verhältnisse bezieht sich die historische, aber eine That seines Herrn glorificicende Schrift „Historica descriptio susceptae a Caesarea Majestate executionis Augusto Saxoniae septemviro duce contra S. Rom. Imperii rebelles eorumque receptatorem et captae urbis Gothae soloque aequati castri Grimmensteinii, 13 Apr. 1567“, die in mehrfachen lateinischen Ausgaben, auch in einer deutschen Uebersetzung veröffentlicht worden ist. Die Schrift aber, der L. eine bleibende und bedeutende Stellung in der Litteraturgeschichte verdankt, ist die pseudonym 1581 erschienene, aber 1574 und in den folgenden Jahren wol unter dem Eindrucke der Bartholomäusnacht und der durch dieselbe erregten Gedanken entstandene „Vindiciae contra tyrannos sive de principis in populum populique in principem legitima potestate Stephano Junio Bruto Celta auctore“. Die Vorrede dazu schrieb einer der L. am nächsten stehenden französischen Freunde Duplessis-Mornay; eine französische Uebersetzung der Schrift erschien 1581, eine theilweise deutsche Uebertragung wurde von Rich. Treitschke besorgt, Leipzig 1846. Diese Arbeit, tief eingreifend in die damaligen religiös-politischen Kämpfe der Hugenotten mit den Katholiken, der französischen Adeligen gegen den Monarchen, ist zugleich eine politische Lehr- und Streitschrift allgemeinen Charakters. Sie zerfällt in vier Theile. Der erste Theil beantwortet die Frage: „Sind die Unterthanen verpflichtet, den Fürsten zu gehorchen, wenn sie etwas Unrechtes verlangen?“ mit Nein, mit Hinweis darauf, daß die Fürsten nicht unbedingte Stellvertreter Gottes seien und die Unterthanen das Recht, ja die Pflicht der Empörung gegen die göttliche Rechte sich Anmaßenden hätten. Das Recht zur Empörung wird im zweiten Theile den Unterthanen, d. h. nicht der bellua, der universa multitudo, sondern den Beamten, den Ständen eingeräumt, besonders dann, wenn die Fürsten dem Worte Gottes zuwiderhandeln und die Kirche [694] zu vernichten streben. Wie hier das Recht zur Empörung, so wird im dritten Theil das Wahlrecht mit aller Entschiedenheit betont: die Wahl des Königs durch das Volk bleibt ein unveräußerliches Recht, ebenso wie die Abhängigkeit des Fürsten von den Ständen in wichtigen Staatsangelegenheiten: eine Auflehnung gegen den Fürsten ist daher berechtigt, sobald ein Tyrann wider oder ohne den Willen des Volkes die Herrschaft an sich reißt, oder sobald ein zwar regelmäßig gewählter Fürst in Despotismus geräth. In der Bekämpfung eines solchen Herrschers, – das ist die Lehre des vierten Theils – müssen die benachbarten Fürsten den unterdrückten Unterthanen zu Hilfe kommen, denn die durch Jenen verletzte wahre Religion ist ein Gut, das Allen beschädigt wird, sobald es den Einzelnen verkümmert wird. – Languet’s Vindiciae, in vortrefflichem Latein geschrieben, mit vielen sehr deutlichen Anspielungen auf zeitgenössische Ereignisse und Persönlichkeiten, sind zwar nicht von unmittelbarer Wirkung für Deutschland gewesen, aber sie mögen auf die Interventionstheorie der folgenden Jahrzehnte hervorragenden Einfluß geübt haben und sind schon deshalb wichtig, weil sie gewiß manche Ideen ausführen, die in Gesprächen mit deutschen Freunden erwogen worden sind.

Außer den angeführten drei Briefsammlungen sind zu vergleichen: Vita H. L. ed. Joh. P. Ludovicus. Halle 1700. H. Chevreuil, Études sur le 16. siècle. H. L. 2. Ausg. Paris 1856. Blasel, H. L., 1. Thl. Breslau 1872. Osk. Scholz, H. L. als kursächsischer Berichterstatter und Gesandter in Frankreich während der Jahre 1560–1572. Halle 1875.