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ADB:Lang, Heinrich (evangelischer Theologe)

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Artikel „Lang, Heinrich“ von Alois Emanuel Biedermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 598–600, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lang,_Heinrich_(evangelischer_Theologe)&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:13 Uhr UTC)
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Lang: Heinrich L., theologischer Schriftsteller und Prediger, der Sohn eines württembergischen Landpfarrers, wurde geboren den 14. Novbr. 1826 zu Frommern auf der schwäbischen Alp. Nachdem er seine vorbereitende Bildung auf der Lateinschule zu Sulz a. N. und von 1840–1844 auf dem Seminar zu Schönthal erhalten, studirte er vom Herbst 1844–1848 im evangelischen Stift zu Tübingen Theologie. Seine, zwar ziemlich unschuldige, Betheiligung an den Revolutionsbewegungen von 1848, welche mitten in die Zeit seines theologischen Examens fielen, veranlaßte ihn, sein Vaterland zu verlassen und in die Schweiz zu fliehen. Hier wurde er nach kurzer Frist Pfarrer in der Berggemeinde [599] Wartau in St. Gallischen Oberland. Von da wurde er im J. 1863 nach Meilen am Zürichsee und im April 1871 an die St. Petersgemeinde in Zürich berufen, wo er am 13. Januar 1876 starb. Von Beginn seiner Studien an hatte er sich mit rückhaltloser Begeisterung der freien kritischen Theologie angeschlossen, wie sie damals in Tübingen besonders Baur und Zeller vertraten. Mit kritisch-speculativem Sinn verband er aber zugleich ein lebendiges Verständniß für das den Menschen zur praktischen Erfassung des Idealen erhebende Wesen der Religion, sowie den energischen Trieb, die Ergebnisse der Wissenschaft mit furchtloser Consequenz ins praktische Leben der Kirche einzuwirken und mit seiner Gabe lebendiger plastischer Darstellung den weiteren Kreisen des gebildeten Publicums zu vermitteln. Sein Lebensziel war, den religiösen Inhalt des Christenthums, losgelöst von den altchristlichen Glaubensvorstellungen, auf dem Boden rückhaltloser Anerkennung der „modernen Weltanschauung“ den Kindern unserer Zeit theoretisch und praktisch nahe zu bringen. 1859 berufen zur Redaction der „Zeitstimmen aus der reformirten Kirche der Schweiz“, dem Organ der liberalen Theologie, die 1872 mit den Berner „Reformblättern“ zur „Reform, Zeitstimmen aus der reformirten Schweiz“ verschmolzen wurden, trat L. als allezeit schlagfertiger Vorkämpfer an die Spitze der sog. „Reformtheologie“, welche der freisinnigen Richtung uneingeschränkte Gleichberechtigung mit den übrigen theologischen Richtungen in den schweizerischen Kirchen theoretisch zu begründen und praktisch zu erringen strebte. Die schneidige, alle halben und lahmen Vermittelungen energisch abweisende Art, wie er seine Grundsätze vertrat, verwickelte ihn in fortlaufende scharfe Fehden nicht nur mit der „positiven“, sondern fast noch mehr mit der Vermittelungstheologie. Als jedoch „der alte und der neue Glaube“ von Strauß erschien (1872), der jedes Band zwischen der modernen Weltanschauung und dem Christenthum radical durchschnitt, und es auf diese Autorität hin zum allgemeinen Vorurtheil zu werden drohte, daß dies eigentlich die wahre Consequenz aller liberalen Theologie sei, und auch sonst von einer materialistischen Naturwissenschaft aus immer heftigere Angriffe auf die Fundamente aller Religion erfolgten, da wandte sich L. mit der gleichen Entschiedenheit und Energie auch gegen diese Angriffe von links, zur Vertheidigung der „Religion im Zeitalter Darwin’s“. Lang’s Schriftstellerei war sehr fruchtbar und mannigfaltig. In jeder Form aber sah er es nicht sowohl auf die Förderung der Wissenschaft selbst als auf die Vermittelung ihrer Ergebnisse für das Bewußtsein der Gebildeten ab, und für diesen Zweck war seine klare, durchsichtige und zugleich lebenswarme plastische Darstellungsweise mustergültig. Direct dem erbaulichen Zwecke, dem Leser eine gediegene religiöse Speise zu bieten, dienen seine „Sammlung von Predigten“ (1852), seine „Religiösen Reden, gehalten in St. Peter“ (2 Bde., 1872), seine „Stunden der Andacht“ 2 Bde, 1802-65). Eine zweite Classe bilden seine geschichtlichen Bilder: „Gang durch die christliche Welt, in Briefen an einen Laien“ (1859, 2. Aufl. 1870), „Religiöse Charaktere“ (1862) und vor allem „Martin Luther, ein religiöses Charakterbild“ (1870). Sein „Versuch einer christlichen Dogmatik“ (1859, 2. umgearbeitete Aufl. 1868) ist der geniale Entwurf einer populären Ausprägung des christlichen Glaubensinhaltes im Material des modernen Bewußtseins. Besonders aber war er, seiner ganzen Art nach, ein Meister in freien Vorträgen über religiöse Zeitfragen vor einem gebildeten Publicum. Vielfach wurde er auch aus der Ferne um solche angegangen. So hielt er im Winter 1875 eine Reihe von Vorträgen in Holland, wo er sich besonders viele Freunde und Verehrer erworben hatte. Und von einem solchen Vortrag, den er schon krank in Basel gehalten, kehrte er heim, um nach wenig Tagen mitten aus lebensfrischer Thätigkeit dahingerafft zu werden, den 13. Januar 1876. In seinem öffentlichen Auftreten [600] allezeit kampfbereit und prinzipiell schneidig, war L. im Privatumgang auch mit Gegnern durchaus naiv offen und loyal verträglich. –

Vgl. Biedermann, Heinrich Lang, Zürich 1876. K. Ed. Mayer, H. Lang, Lebensbild eines freisinnigen Theologen, Basel 1877.