ADB:Lahmeyer, Johann Wilhelm
Crelle’s Journal für die Baukunst Bd. XVIII, S. 207 etc. abgedruckt) und Poncelet’s „Memoire sur la stabilité des revêtements et de leurs fondations“ unter dem Titel „Ueber die Stabilität der Erdbekleidungen und deren Fundamente, nebst einem vom Uebersetzer beigefügten Anhang. Arbeiten anderer Autoren über denselben Gegenstand betreffend“, Braunschweig 1844. Diese Uebersetzungen hatten für Deutschland insofern einen doppelten Werth, als erstens seit Navier keine bedeutsamen Abhandlungen über diese für das Ingenieurwesen hochwichtigen Gegenstände erschienen waren und zweitens die von L. benutzte Quelle, das „Mémorial de l’officier du Génie“ (und zwar Nr. 12 und Nr. 13) den [525] deutschen Fachmännern fast gänzlich unbekannt geblieben war. Inzwischen war auch die längst gehoffte Anstellung als Conducteur bei der hannoverschen Wasserbaudirection erfolgt, womit auch die wichtigsten Arbeiten Lahmeyer’s, namentlich aber seine Experimente zur Ermittelung der (wahren?) Gesetze der Wasserbewegung in Canälen und Flüssen, beginnen. Lahmeyer’s betreffende Versuche wurden, in Gemeinschaft mit dem hessischen Bauconducteur Bücking, in den Jahren 1842 und 1843 in der Weser zwischen Münden und Lippoldsberg und in der Fulda zwischen dem Kragenhofe unterhalb Kassel und eine halbe Stunde oberhalb Münden angestellt. Es bezogen sich dieselben vornehmlich auf die Ermittelung des Gesetzes über die Abnahme der Geschwindigkeit von der Oberfläche ab nach dem Boden (die sogenannte Geschwindigkeitsscala), auf das Aenderungsgesetz der Geschwindigkeit bei verschiedenen Wasserständen und drittens auf den Zusammenhang zwischen der mittleren Geschwindigkeit und dem Gefälle eines Flusses. Für alle drei Fälle stellte L. aus den Versuchsresultaten neue Formeln, insbesondere aber aus 480 derselben, eine für den vorbemerkten dritten Fall auf, welche neben den gewöhnlichen fünf Elementen (mittlere Geschwindigkeit , Gefälle auf die Länge , Profilquerschritt und benetzter Umfang ) noch die Breite des Kanals oder Flusses und außerdem den Krümmungshalbmesser des betreffenden Profils und endlich auch die Höhe des Wasserstands über den niedrigsten vom Jahre 1842 in sich faßten *). In Betreff der Einführung letzterer Größe hat L. vielfachen, zum Theil nicht unbegründeten Tadel erfahren müssen, wobei als Hauptgegner der Wasserbaudirector Wex in Wien und der Kunstmeister Bornemann in Freiberg auftraten und worüber in Förster’s Bauzeitung (Jahrgänge 1849–1852) und beziehungsweise in Bornemann’s Ingenieur, Bd. I, nachzulesen ist. Hervorzuheben ist überdies, daß bei letzteren Angaben in Bezug auf die Zeitfolge der Sache nachzutragen ist, daß Lahmeyer’s Hauptschrift, worin er seine großen Versuche und betreffenden (mehrfach sinnreichen) Rechnungen mit ausgedehnter Verwendung der Methode der kleinsten Quadrate zuerst bekannt machte, im J. 1845 in Braunschweig (Verlag von Meyer sen.) unter dem Titel erschien: „Erfahrungsresultate über die Bewegung des Wassers in Flußbetten und Canälen“. Schließlich veranlaßten diese Controversen L. jedoch weitere Versuche anzustellen und aus deren Resultaten als Hauptformeln folgende zwei abzuleiten, welche frei von der Kenntniß der Höhe über den niedrigsten Wasserstand vom Jahre 1842 waren, nämlich (für hannoversche Maaße):
Lahmeyer: Johann Wilhelm L., einer der bedeutendsten, neueren Hydrotekten Deutschlands auf dem wissenschaftlichen Gebiete des Wasserbaufaches, wurde am 29. April 1818 in Hannover geboren und starb daselbst den 9. August 1859. Er war der Sohn des 1838 verstorbenen Commissars L. beim Finanzministerium in Hannover, erhielt seine Schulbildung am Lyceum (humanistischen Gymnasium) seiner Vaterstadt und besuchte von 1832 an die (1831 errichtete) polytechnische Schule daselbst. Hier gewann er die mathematischen Wissenschaften so lieb, daß in ihm, geradezu leidenschaftlich, der Wunsch entstand, Astronomie auf einer Universität zu studiren. Leider konnte er hierzu die Einwilligung seines Vaters nicht erhalten, da dem Sohne zu diesem Fache zwar nicht das Talent, wohl aber dem Vater die erforderlichen Geldmittel fehlten. L. wählte deshalb ein schneller zum Broterwerb führendes Fach, den rationellen Wasserbau zum Lebensberufe. Bei dem äußerst geringen Umfange, in welchem damals die Hydrotechnik an sämmtlichen deutschen polytechnischen Schulen und auch an der (zu jener Zeit nur höheren Gewerbeschule) in Hannover gelehrt wurde, auch Prüfungen (wie später) für den höheren technischen Staatsdienst noch nicht bestanden, andererseits aber gerade deshalb die hannoversche Wasserbauverwaltung wenigstens einen kurzen Universitätsbesuch verlangte – ging L. Ostern 1837 erst nach Göttingen und dann 1838 nach Berlin. Während dieser Zeit übersetzte er Fourier’s (bereits 1831 in Paris) erschienenes Werk „Analyse des équations déterminées“ und bemühte sich um die Lösung einer Preisaufgabe, deren Thema war: „Expositio praecipuarum methodorum aequationum radicis, quae numeris continentur, per approximationem inveniendi“. Am 3. August 1839 wurde Lahmeyer’s betreffende Arbeit von der Universität Berlin mit 25 Ducaten gekrönt und ihm bald darauf auch bestimmte Aussicht zum Eintritt in den hannoverschen Staatsdienst eröffnet. Indessen mußte er immer noch bis 1842 auf Anstellung warten, verbrachte jedoch die Zwischenzeit nicht nutzlos. Er erwarb sich daher nicht nur Existenzmittel durch Zeichnungen von allerhand hydrographischen und anderen technischen Karten und hydraulischen Maschinen etc., sondern auch durch Uebersetzungen zweier in Deutschland fast ganz unbekannt gebliebener hochwichtiger technischer Schriften, nämlich Petit’s „Mémoire sur le calcul des voûtes circulaires“ (unter dem Titel „Theorie der Kreisgewölbe“, in- I. und
- II. oder ,
wenn man die obigen Bezeichnungen beibehält und statt und die correspondirenden Wassertiefen und einführt. Im J. 1850 wurde L. mit der [526] Erbauung eines Hafens zu Freiburg an der Unterelbe beauftragt und von 1853 ab mit der Herstellung des Hadelnschen Kanals beschäftigt. Aus dieser praktischen Thätigkeit entsproß eine werthvolle Abhandlung, die sich im dritten Bande (1853–1854) S. 344 ff. des Notizblattes des hannoverschen Architekten- und Ingenieur-Vereins (unter Beigabe von Zeichnungen) abgedruckt vorfindet und woraus man zum ersten Male erkannte, wie es L. auch verstand seine theoretischen hydraulischen Kenntnisse vortrefflich für die Praxis brauchbar zu machen. Nach Vollendung des Hadeln’schen Kanals wurde unserem L. die Wasserbau-Inspection Neuhaus a. d. Oste übertragen und dann unter seiner speciellen Leitung das Project des Bederkesa-Geeste-Kanals bearbeitet. Aus dieser Zeit stammt wieder eine werthvolle Arbeit „Ueber die Weiten der Abwässerungsanstalten für die, der Ebbe und Fluth unterworfenen, bedeichten Marschen“, die ebenfalls zuerst durch die Zeitschrift des hannoverschen Architekten- und Ingenieur-Vereins (Bd. III, 1857, S. 270 ff.) in weiteren Kreisen bekannt wurde. Im J. 1857 wurde L. als stimmführendes Mitglied der damaligen Generaldirection des Wasserbaues nach Hannover berufen, wobei er zugleich die Hoffnung hegte, von da ab mit seiner Familie sorgenfreie, glückliche Jahre verleben zu können. Aus dieser besseren Zeit gelangten namentlich folgende Arbeiten zur öffentlichen Kenntniß: 1. „Notizen über die Grundsätze bei Abschätzung der jährlichen Wasserbau-Unterhaltungskosten in den Marschen des Königreichs Hannover“ und 2. „Ueber Sicherung der Stadt Emden gegen Sturmfluthen, sowie die Verbesserung des Fahrwassers und der Abwässerung daselbst“. Beide Arbeiten wurden wieder in der Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur-Vereins für das Königreich Hannover und zwar beziehungsweise in Bd. III S. 810 und in Bd. IV (1858) S. 199 abgedruckt. Die zweite Arbeit ist zugleich mit einer beachtenswerthen Geschichte des seiner Zeit berühmt gewordenen Emdener Hafen- und Schleusenbaues ausgestattet. Endlich ist noch einer zwar weniger bedeutsamen, aber immerhin beachtenswerthen Arbeit Lahmeyer’s „Ueber Vermessung der Seeschiffe“ zu gedenken, welche er im Jahrgange 1859 (Bd. V) der vorgedachten Zeitschrift veröffentlichte. Lahmeyer’s unablässiger Fleiß und übergroßer Eifer für den Staatsdienst, der ihm über Alles ging, zog ihm im J. 1859 eine schwere Krankheit zu, der er leider am 9. August desselben Jahres, erst 41 Jahre alt, erlag, tief betrauert von der verwaisten Familie, von Fachgenossen, Kennern der Wissenschaft und Allen, welche Gelegenheit gehabt hatten, den talentvollen, strebsamen und liebenswürdigen Mann kennen zu lernen. L. hatte sich im J. 1850 mit der Tochter einer Predigerwittwe (Schindewolf mit Namen) verheirathet, die Ehe war musterhaft und glücklich. Die Wittwe blieb mit drei unerzogenen Kindern und einem sorgenvollen Leben zurück und beweint noch im J. 1883 den geliebten Mann und den treusorgenden Vater ihrer Kinder.