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ADB:Lacy, Franz Moritz Graf von

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Artikel „Lacy, Franz Moriz Graf“ von Alfred Ritter von Arneth in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 487–499, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lacy,_Franz_Moritz_Graf_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:21 Uhr UTC)
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Lacy: Franz Moriz, Graf L., kaiserlicher General-Feldmarschall, am 21. Octbr. 1725 zu St. Petersburg geboren, entstammte einer ursprünglich normännischen Familie, von welcher ein Mitglied mit Wilhelm dem Eroberer nach England gezogen sein, ein späterer Sprößling aber sich unter Heinrich II. in Irland niedergelassen haben soll, so daß die Familie Lacy nunmehr zu den irischen gezählt wurde. Noch in früher Jugendzeit flüchtete Peter Graf Lacy mit König Jakob II. nach Frankreich. Wir wissen nicht wie es kam, daß er unter Zar Peter I. in russischen Militärdienst trat, in dem ihm eine glänzende Laufbahn beschieden war, und ebensowenig sind wir über die Ursachen unterrichtet, weshalb sein Sohn Franz Moriz im Alter von 12 Jahren nach Liegnitz, zwei Jahre später aber nach Wien geschickt wurde, um hier seine Erziehung zu vollenden. Im J. 1743 trat er als Fähnrich in die österreichische Armee und diente vorerst in Italien. Bei dem mißlungenen Angriffe, der in der Nacht vom 10. auf den 11. August 1744 gegen Velletri ins Werk gesetzt wurde, stand L. seinen Landsleuten, den Irländern gegenüber, die sich in neapolitanischen Diensten befanden; hier erhielt er seine erste Wunde, einen Stich mit dem Bajonnete. Im folgenden Jahre, während dessen L. als Hauptmann unter Karl von Lothringen in Böhmen und Sachsen diente, wohnte er den Schlachten bei Hohenfriedberg und Soor bei; in der letzteren wurde er neuerdings verwundet. Zum Major bei dem Infanterieregiment Bernklau ernannt, focht er zunächst in Italien und in den Niederlanden, wo er an der Belagerung von Mastricht Theil nahm. Nach Abschluß des Aachener Friedens rückte er zum Oberstlieutenant, im J. 1750 aber, erst 25 Jahre alt, nach sechsjähriger Dienstzeit, zum Obersten und Commandanten des Infanterieregimentes Graf Anton Colloredo vor. Als solcher erhielt er bei dem Ausbruche des siebenjährigen Krieges reichliche Gelegenheit zu dem Beweise, daß er der übermäßigen Bevorzugung, die ihm bisher zu Theil geworden, nicht unwürdig war. Gleich in der ersten Schlacht, die am 1. Oct. 1756 bei Lobositz zwischen den Oesterreichern und den Preußen geschlagen wurde, that L. sich dermaßen hervor, daß der Höchstcommandirende, Feldmarschall Graf Browne dem Kaiser schrieb, L. habe nicht nur tapferste Entschlossenheit, sondern auch sehr große Geschicklichkeit gezeigt. Man dürfe dem Glauben sich hingeben, daß wenn er nicht verwundet worden wäre, man einen glänzenden Sieg davon getragen haben würde. Durch die Beförderung zum Generalmajor wurde L. für sein ausgezeichnetes Verhalten belohnt.

Zog also auch die Verwundung, welche L. bei Lobositz erlitt, wichtige Folgen für den Ausgang der Schlacht nach sich, so scheint dieselbe doch keine besonders schwere gewesen zu sein, denn schon in der Neujahrsnacht überfiel L. die Preußen zu Marienthal und Ostritz und brachte ihnen empfindlichen Verlust bei. In der für Oesterreich so unglücklichen Prager Schlacht neuerdings, somit zum vierten Male verwundet, deckte er gleichwol mit seiner Brigade die Wahlstatt, und als sechs Wochen später, in Folge des Sieges der Oesterreicher bei Kolin der Stand der Kriegführung in Böhmen sich vollständig änderte, that L. mit seinen Grenadieren bei der Wegnahme des preußischen Lagers auf dem weißen Berge wieder das Beste. Ungleich wichtiger noch war sein hervorragender Antheil [488] an dem Siege bei Breslau, und als die Oesterreicher zwei Wochen, nachdem sie ihn erfochten, bei Leuthen entscheidend geschlagen wurden, rettete L., zum fünften Male verwundet, die wenigen Reste der in völliger Auflösung nach Böhmen zurückweichenden Armee.

Während dieser Ereignisse, und zwar ebensowohl der glücklichen wie der unglücklichen des an Wechselfällen aller Art so überreichen Feldzugsjahres 1757 hatte sich L. das Vertrauen des Siegers bei Kolin, des Feldmarschalls Grafen Daun, der nun den Oberbefehl übernahm, in ganz ungewöhnlichem Maße erworben. Insbesondere waren es seine Kenntnisse auf den verschiedenen Gebieten der militärischen Wissenschaften, durch welche L. den übrigen österreichischen Generalen jener Zeit gewaltig voranstand, und gerade in dieser Beziehung waren während des vergangenen Feldzuges arge Gebrechen fühlbar geworden. Ihnen möglichst zu steuern, schritt man an die Errichtung eines Generalstabes, wobei man sich den, der schon seit längerer Zeit in Frankreich bestand, zum Muster nahm. L. wurde, gleichzeitig zum Feldmarschall-Lieutenant befördert, an dessen Spitze gestellt, und fungirte nun als Daun’s Generalquartiermeister. Er lebte sich als solcher vollständig in die Art der Kriegführung Daun’s hinein, ja er wird wohl als deren Haupturheber anzusehen sein. Kluge Berechnung aller in Betracht kommenden Umstände, äußerste Vorsicht einem genialen Heerführer, wie Friedrich gegenüber werden ihm zum Lobe, ängstliche Unentschlossenheit aber zu entschiedenem Tadel angerechnet werden müssen. Darum bildete sich schon damals jener Gegensatz zu dem ungleich weniger kenntnißreichen, aber ebensoviel kühneren und unternehmenderen Laudon heraus, der während seiner und Lacy’s Laufbahn sich oft in recht greller Weise bemerkbar machte. So war L. ohne Zweifel der schroffen Ablehnung nicht fremd, welche von Seite Daun’s einem Antrage Laudon’s zu Theil wurde, den Entsatz der von den Preußen belagerten Festung Schweidnitz zu versuchen. Aber man würde doch L. wieder Unrecht thun, wenn man nicht anerkennen wollte, daß er nicht schon von vornherein jeder entscheidenderen Unternehmung abhold war; nur durfte sie ihm nicht als ein allzugroßes Wagniß erscheinen, und er mußte die Vorbedingungen erfüllt sehen, die ein Gelingen mit ziemlicher Gewißheit verbürgten. So war er es, der die Dispositionen zu dem Ueberfalle traf, welcher am 15. Octbr. 1758 mit glänzendem Erfolge bei Hochkirch ausgeführt wurde. Nicht nur Daun spendete ihm hiefür, so wie für alle seine Maßregeln während dieses Feldzuges reichliches Lob, sondern wir finden dasselbe auch von anderen, sogar französischen Stimmen mit kaum geringerer Wärme wiederholt. Aber freilich wird L. auch nicht von allem Verschulden freizusprechen sein, daß man auf österreichischer Seite von dem erfochtenen Siege, für welchen er das Großkreuz des Theresienordens erhielt, fast gar keinen Nutzen zu ziehen verstand. Und im nächfolgenden Jahre wiederholte sich die gleiche Erscheinung. Wieder wurden die Preußen, und zwar am 20. Novbr. überfallen; am 21. streckte das ganze Armeecorps des Generals Fink bei Maxen vor den Oesterreichern die Waffen. Auch jetzt wieder gab man in Wien der Erwartung auf ein entscheidendes Ergebniß des Feldzuges sich hin, und auch jetzt wieder wurde nichts von alledem erreicht. Obgleich sich der Unmuth, den man hierüber in ganz Oesterreich empfand und recht unverholen aussprach, mehr gegen den Oberbefehlshaber Daun als wider den doch nur in zweiter Reihe stehenden Generalquartiermeister L. richtete, so blieb doch auch er nicht von scharfem Tadel verschont. Bezeichnend ist es, daß L. zu jener Zeit nicht so sehr um seiner eigenen Verdienste willen, als weil Laudon für seine glanzvolle Betheiligung an dem Siege bei Kunersdorf zum Feldzeugmeister ernannt worden war und man Lacy’s Gönner Daun nicht kränken wollte, im December 1759 die gleiche Beförderung erhielt.

[489] Es erweckte keine günstigere Stimmung für L., als er, wie es ihm als Generalquartiermeister zukam, für 1760 einen von Daun eifrig empfohlenen Feldzugsplan vorlegte, laut dessen die österreichische Armee sich in Sachsen Anfangs vertheidigungsweise verhalten und nur dann versuchen sollte, die Preußen aus diesem Lande zu verdrängen, wenn sie hiebei durch einen Einmarsch der Russen in Schlesien unterstützt würde. Lebhaft erklärte sich Kaunitz, mit noch weit größerer Schärfe aber Laudon gegen den Gedanken, sich auch nur im Beginne des Feldzuges blos defensiv zu verhalten. Man kann wohl denken, daß dieser Zwiespalt der Meinungen und die Bevorzugung, welche Maria Theresia derjenigen Laudon’s zu Theil werden ließ, die schon vorhandene Eifersucht Lacy’s auf seinen glänzenderen Nebenbuhler nur noch verschärfte. In seinem vertraulichen Briefwechsel mit Daun giebt L. dieser Empfindung ziemlich unverhüllten Ausdruck. Sie mag durch die nächsten Kriegsthaten Laudon’s, die Gefangennehmung Fouqué’s bei Landshut und die Eroberung von Glatz nur noch gesteigert worden sein. Sie war auch ferner Stehenden nicht verborgen, und als Laudon bei Liegnitz geschlagen wurde, da erhob sich wider Daun und L. die leidenschaftliche Anklage, sie hätten ihn absichtlich im Stiche gelassen, um ihn zu verderben.

Nicht der geringste Anhaltspunkt läßt sich auffinden, der diese schwere Beschuldigung als eine nicht ganz ungegründete erscheinen ließe. Man wird vielmehr mit voller Bestimmtheit annehmen dürfen, daß sowohl Daun als L., welche erst vor kurzem eine Unternehmung König Friedrichs gegen Dresden vereitelt hatten und Beide der Kaiserin persönlich aufs tiefste ergeben waren, die wichtigsten Interessen derselben nicht um einer Eifersüchtelei willen schwerster Schädigung preisgegeben hätten. Aber freilich trat der Gegensatz zwischen L. und Laudon bei jedem sich ergebenden Anlasse mit verstärkter Heftigkeit zu Tage. Als es um die Unternehmung sich handelte, die nach dem Ereignisse bei Liegnitz ins Werk gesetzt werden sollte, war Laudon dafür, daß man die Hauptmacht beisammen halte und den König von Preußen zu einer entscheidenden Schlacht treibe. L. hingegen war der Meinung, man könne nicht mehr thun, als Schweidnitz belagern. Aber weder zu dem Einen noch zu dem Anderen kam es. Maria Theresia wollte zwar nicht geradezu von Daun verlangen, den Feind in seiner gegenwärtigen Stellung anzugreifen, wenn er dies für allzugefährlich hielte, aber die Offensivoperationen müßten doch allsogleich und mit dem größten Nachdrucke wieder aufgenommen werden. Fast flehentlich lautete Daun’s Bitte an L., ihm beizustehen, denn die aus Wien eingegangene Instruktion enthalte zwar keinen bestimmten Befehl, wol aber die Andeutung, ohne nachdrückliche und entscheidende Operationen sei die Sache Oesterreichs verloren. Da jedoch König Friedrich sich jedem wider ihn gerichteten Angriffe mit äußerster Gewandtheit zu entziehen verstand, befand man sich im österreichischen Hauptquartier in der früheren Unentschlossenheit, bis endlich von Seite der russischen Heeresleitung der Vorschlag kam, Laudon möge mit einem Armeecorps von etwa 25 000 Mann, welches durch 20 000 Russen verstärkt werden könnte, direct nach Berlin ziehen; dem Feinde werde hiedurch eine mächtige Diversion gemacht werden. Es scheint daß dieser Plan bei Daun und bei L. großen Beifall gefunden, jedoch gleichzeitig den Gedanken wachgerufen habe, nicht Laudon, sondern L. die Ehre und den Vortheil des Zuges auf Berlin zu Theil werden zu lassen. Am 28. Septbr. trat er ihn, jedoch nur mit 18 000 Mann an; am Morgen des 7. Octbr. stand seine Vorhut vor Berlin, in dessen Nähe schon vor ihm eine russische Streitmacht von 30 000 Mann eingetroffen war. Zu Lacy’s nicht geringer Erbitterung ergab sich die Stadt nicht ihm, sondern den Russen. Er eilte gleichwol herbei und bemächtigte sich des Halle’schen Thores, um sich von [490] den Vortheilen der Einnahme Berlins, die wenigstens zum Theil auch durch seinen Anmarsch herbeigeführt worden war, nicht ganz ausschließen zu lassen. In seinen vertraulichen Berichten an Daun führte er bittere Beschwerde über das Verfahren der russischen Generale, denen es zu wahrer Schande gereiche, daß sie die große Ueberzahl ihrer Streitkräfte nicht benützt hätten, den von Berlin zurückweichenden Preußen den Rückzug abzuschneiden. Aber wo es den Kampf gelte, wüßten sich die Russen demselben jederzeit zu entziehen, und nur dort, wo Beute und Plünderung winkten, seien sie rasch bei der Hand; niemals werde aus dem Bündnisse mit solchen Leuten Nutzen erwachsen. Zwänge ihn nicht seine Pflicht hiezu, so möchte er um keinen Preis noch länger mit ihnen vereinigt bleiben.

Da er von Seite der Russen so geringe Willfährigkeit erfuhr, suchte L., um der Unternehmung auf Berlin nachhaltigeren Erfolg zu sichern, die Beihülfe der Schweden zu erlangen, aber auch dieser Schritt blieb fruchtlos. Als die Russen von Berlin aufbrachen, konnte auch L. nicht länger dort verweilen. 50 000 Gulden als österreichischer Antheil an der Contribution, welche Berlin hatte erlegen müssen, zehn Kanonen, unter ihnen drei österreichische, die in Berlin vorgefunden worden waren, einige Landkarten endlich, die dem Könige gehörten, bildeten die ganze Kriegsbeute, welche L. mit sich fortführte. Am 22. Octbr. vereinigte er sich unweit von Torgau mit Daun; schon zwölf Tage später, am 3. Novbr. kam es daselbst zur Schlacht, in welcher Daun verwundet und sein Heer, wenn auch nicht geradezu geschlagen, so doch zum Rückzuge genöthigt wurde.

Was Lacy’s persönlichen Antheil an der Torgauer Schlacht betrifft, so ist es gewiß, daß es ihm trotz wiederholter Anstrengung nicht gelang, die Preußen von den durch sie eroberten Anhöhen von Süptitz wieder zu vertreiben, und daß man in der Behauptung dieser Stellung die Entscheidung des Kampfes erblickte. Darum fehlte es auch in der Armee nicht an Stimmen, die ihm die Schuld gaben an der unglücklichen Wendung der Schlacht. Sogar Daun, sonst Lacy’s eifriger Protector, der ihn gerade damals wieder den einzigen Mann von Kopf in der österreichischen Armee nannte, sagte von ihm, daß er sich allzusehr fühle und dabei verdrossen und unwillig sei; der ungünstige Ausgang der Schlacht vermehrte noch seine Uebellaunigkeit. Und als man trotzdem in Wien den Entschluß faßte, einstweilen L. den Oberbefehl zu übertragen, erhob Daun dagegen ernstliche Einrede. Er machte darauf aufmerksam, daß L. dem Range nach der Letzte unter den bei der Armee anwesenden Feldzeugmeistern und Generalen der Cavallerie sei. Sie Alle urplötzlich von dem Heere zu entfernen, wäre an und für sich unmöglich und für dieselben eine allzugroße und unverdiente Schmach. Endlich könnte L. nicht allein das Ganze übersehen und leiten; taugliche Gehülfen wären hiebei ganz unentbehrlich. So sehr war Daun von den verderblichen Folgen überzeugt, welche die Uebertragung des Oberbefehls an L. nach sich ziehen müßte, daß er es sogar auf sich nahm, das an denselben gerichtete Ernennungsdecret einstweilen zurückzubehalten. In Wien aber wurde sein Verfahren gebilligt und der rangsälteste General der Cavallerie Graf O’Donell führte das von ihm gleich nach der Torgauer Schlacht übernommene Obercommando fort, aber freilich nur, um es bald wieder an Daun abzutreten, dem man es in Wien trotz aller hiegegen auftauchenden Bedenken doch neuerdings übertrug. Auch jetzt wieder nahm L. seine frühere Vertrauensstellung bei Daun ein, aber freilich war er es auch jetzt wieder, dessen Rathschlägen man es zuschrieb, daß die österreichische Armee in Sachsen in ihrer früheren Unthätigkeit verharrte. Aehnliches war auch während des letzten Feldzuges des siebenjährigen Krieges, des von 1762 der Fall, und wo es, wie in dem Treffen bei [491] Burkersdorf und dem Gefechte bei Reichenbach, in welch’ letzterem L. den rechten Flügel der Oesterreicher commandirte, zu offenem Kampfe kam, war ihnen das Kriegsglück nicht gerade günstig.

Der Hubertusburger Frieden machte endlich dem langdauernden Streite ein Ende, und nun begann für Oesterreich eine Zeit der inneren Reorganisation, die sich auch auf das Kriegswesen erstreckte. Auf diesem Gebiete zweckmäßige Reformen zu ersinnen und durchzuführen, war L. ganz der geeignete Mann, und eine wahrhaft großartige Thätigkeit entwickelte er, als Daun gestorben war und Kaiser Joseph II., welchem Maria Theresia nach dem Tode ihres Gemahls die Leitung der militärischen Angelegenheiten übertrug, mit Zustimmung seiner Mutter L. unter dessen gleichzeitiger Ernennung zum Feldmarschall an die Spitze des Hofkriegsrathes stellte. Mit ebensoviel Eifer als Sachkenntniß schritt nun L. an die Erfüllung der Pflichten seines neuen Amtes. Ein Mann von außerordentlicher Begabung und unvergleichlicher Thätigkeit, der sich sowohl durch Studium als durch Praxis ganz ungewöhnliche taktische Kenntnisse erworben habe, wird er von einem Zeitgenossen, dem Prinzen Albert von Sachsen-Teschen genannt. Und kein Geringerer als König Friedrich sagte, der Kaiser werde es niemals bereuen, L. die Leitung des österreichischen Militärwesens anvertraut zu haben. Wirklich verstand es L. in wahrhaft bewunderungswürdiger Weise, gleichzeitig zwei sich anscheinend entgegengesetzte Zwecke zu erreichen. Während er zu Gunsten des Staatsschatzes ansehnliche Ersparungen machte, trug er Sorge für weit bessere Bekleidung, Bewaffnung und Ausrüstung des Heeres, als dies bisher geschehen war. Er führte die Exercierlager ein und schuf neue Reglements für die taktischen Uebungen der Truppen, neue Kriegsgesetze und ein neues Verpflegungssystem. Die Armee sollte so zahlreich, so gut eingeübt und disciplinirt, so schlagfertig sein und gleichzeitig den Staat so wenig kosten als nur immer möglich: auf die Durchführung dieser Hauptgrundsätze waren Josephs und Lacy’s Bestrebungen vornehmlich gerichtet. Einmüthig gingen Beide in dieser Richtung vor, wie denn überhaupt L. sich in immer höherem Maße das Vertrauen des Kaisers erwarb, so daß er bald und gewiß nur mit Recht als derjenige angesehen wurde, den Joseph aus seiner ganzen Umgebung am meisten liebte und von dem er gleichzeitig die günstigste Meinung hegte. Bemerkenswerth aber und bei dem Gegensatze, der schon damals zwischen Joseph und seiner Mutter herrschte und im Laufe der Zeit immer größere Dimensionen annahm, geradezu bewunderungswürdig ist es, daß L. sich auch in gleichem Maße des Vertrauens der Kaiserin erfreute. An den schmeichelhaftesten Kundgebungen in diesem Sinne ließ es Maria Theresia nicht fehlen, und schon in der ersten Zeit, nachdem L. das Präsidium des Hofkriegsrathes übernommen hatte, forderte sie ihn auf, ihr rückhaltlos mitzutheilen, was er als nothwendig ansehe. Eingedenk ihrer Pflicht werde sie den einzigen Mann in ihrer Monarchie, ja vielleicht in Europa bereitwillig unterstützen, der das was Noth thue, unternehmen und durchführen könne. Hiezu bedürfe es seiner Talente, seiner Festigkeit, seines Fleißes und Eifers, seiner Anhänglichkeit. Er möge auf ihr ganzes Vertrauen, ihre Erkenntlichkeit und Freundschaft zählen.

Trotz dieser Lebhaftigkeit der Anerkennung, welche Maria Theresia den Eigenschaften und Verdiensten Lacy’s zollte, läßt sich doch keineswegs verkennen, daß er mit seinen Gesinnungen und Anschauungen weit mehr auf der Seite Josephs als auf derjenigen der Kaiserin stand. Mehr noch als in den militärischen sprach dies in den übrigen inneren und in den auswärtigen Angelegenheiten des Staates sich aus. In den ersteren bekannte sich L. nicht nur zu Josephs reformatorischen Ideen, sondern man wird kaum fehlgehen, wenn man annimmt, daß hinsichtlich verschiedener überaus wichtiger Punkte gerade er es [492] war, der dem Kaiser sie eingab oder ihn wenigstens in ihnen bestärkte. Und nach Außen hin huldigte er nicht nur den Vergrößerungsplänen des Kaisers, sondern er betheiligte sich so lebhaft an den Bestrebungen zu ihrer Durchführung, daß ihn Maria Theresia in Bezug auf den weitaus wichtigsten unter ihnen, die polnische Theilung geradezu als den Haupturheber der Schritte bezeichnete, welche hiebei von österreichischer Seite geschahen. Die wenigen Zeilen, die sie hierüber in der zweiten Hälfte des August 1772 an L. richtete, kennzeichnen zu treffend den Zwiespalt der Anschauungen, in welchen Maria Theresia selbst sich befand, als daß ihnen hier nicht Aufnahme gegönnt werden sollte. Denn einerseits verwarf sie von Grund ihrer Seele aus und brandmarkte sie in den schärfsten Ausdrücken das Verfahren der Theilungsmächte gegen Polen. War es jedoch einmal ganz unabwendbar, dann wollte sie auch, daß der Antheil Oesterreichs so wenig als möglich hinter denen Rußlands und Preußens zurückbleibe und sie belobte L., daß er gleich von Anfang an in diesem Sinne gewirkt habe. „Der Courier aus St. Petersburg“, schrieb sie ihm mit eigener Hand, „hat die Unterzeichnung der unglückseligen Theilung überbracht. Ihnen danke ich wieder diesen großen Vortheil, wenn er wirklich ein solcher ist. Gewiß ist aber, daß Sie den Plan dazu entwarfen, daß Sie so viel zu verlangen wagten und dadurch dem Staate diesen Nutzen verschafften, ohne sich einzulassen in die Frage, ob er auch gerecht sei oder nicht.“

Es läßt sich wohl denken, daß die außerordentlichen Anstrengungen, welche bei Lacy’s rastlosem Eifer im Dienste des Staates ihm dadurch auferlegt wurden, daß seine Geschäftsthätigkeit sich weit über das ihm anvertraute Kriegsdepartement hinaus erstreckte, auf seine ohnedies nie starke Gesundheit von schädlichstem Einflusse waren. Zuerst ist es die Kaiserin selbst, von der wir hierüber lebhafte Besorgniß äußern hören. Schon im April 1767, also etwa ein Jahr, nachdem L. das Präsidium des Hofkriegsrathes übernommen, hielt sie ihm eine Strafpredigt, daß er sich allzuwenig schone, und sehr häufig kehrt sie ihm gegenüber auf dieses Thema zurück. So schrieb sie ihm, nachdem L. in den ersten Tagen des September 1770 der Zusammenkunft Josephs mit Friedrich in Neustadt beigewohnt hatte: „Was mich am meisten beunruhigt, das ist die Erschütterung Ihrer Gesundheit, welche schon bei Ihrer Abreise schlecht war. Bei der ungeheuren Arbeit, die Sie für den Staat vollbringen, ist das nichts Erstaunliches, aber Sie dienen dabei schlecht Ihrer Freundin Therese, der so unendlich viel an der Erhaltung eines Mannes liegt, welcher so anhänglich, eifrig und jetzt einzig in seiner Sphäre ist. Wer hätte sich je einbilden können, daß wir uns diesem kriegerischen Könige gleichstellen, ja ihn vielleicht etwas übertreffen, daß wir sogar wünschen würden, vor seinen Augen zu erscheinen, und daß wir Eindruck auf ihn hervorbringen könnten? Dies danke ich Ihrer Sorgfalt; urtheilen Sie nun, wie mir Ihre Erhaltung am Herzen liegt. Sie können mir keine stärkere Probe Ihrer Anhänglichkeit geben, als wenn Sie alle Sorgfalt für sich tragen“. Und wenige Monate später, in den ersten Tagen des Januar 1771 kam die Kaiserin L. gegenüber auf diesen Gegenstand zurück. „Ich gestehe“, so lauten die Worte, die sie damals an ihn richtete, „daß ich Sie niemals so übel aussehend fand. Ich zitterte und zittere noch, aber ich muß Sie schelten, und die Rathssitzung, die Sie vorgestern abhielten, war der vorgeschriebenen Schonung gerade entgegen. Ich habe mich bei Ihnen nicht nach Ihrem Befinden erkundigen lassen, weil ich weiß, daß Sie diese Plage nicht lieben, aber ich vermochte unserer gemeinsamen Freundin meine Unruhe nicht zu verbergen“.

In den ersten Monaten des J. 1773 waren die Anfragen der Kaiserin nach Lacy’s Gesundheitszustand immer häufiger und drängender geworden, denn derselbe hatte sich zu jener Zeit zusehends verschlimmert. Und mit der ernstesten [493] Besorgniß erfüllte es sie, daß L. trotz seines Unwohlseins sich nicht schonen wollte und seine Arbeiten mit der gleichen Unermüdlichkeit fortsetzte, die sie früher so oft an ihm gelobt hatte. „Ich bin sehr getröstet“, schrieb sie am 23. April 1773, „daß Sie sich besser befinden, aber ich bin wahrhaft aufgebracht gegen Sie. Um acht Uhr schon bei der Arbeit sitzen, heißt sich zu Grunde richten wollen. In solcher Weise thun Sie nichts zur Erhaltung des Mannes, der dem Staate und seinem Fürsten so nothwendig ist, des Freundes der Maria Theresia“.

Diese Lehren fruchteten jedoch ebensowenig als die Wünsche, welche die Kaiserin für Lacy’s Wohlbefinden hegte, sich erfüllten. Seine Krankheit artete vielmehr in förmliche Bluterbrechungen aus, so daß Joseph, gleichfalls voll lebhafter Theilnahme für L., ihm vorschlug, er möge sich für den bevorstehenden Winter nach Pisa begeben. Der Kaiser kam hiedurch nur einem Gedanken entgegen, den L., hiezu durch die Rathschläge Anderer veranlaßt, selbst schon gehegt hatte. Nur mit Widerstreben gab Maria Theresia ihre Zustimmung zu Lacy’s Entfernung, und im October 1773 machte sich derselbe zwar nicht nach Italien, wohl aber nach Südfrankreich auf den Weg.

So wie der Kaiserin Maria Theresia, so fiel auch ihrem Sohne Joseph der Abschied von dem ihnen gemeinsamen Lieblinge schwer. „Mit Vergnügen sehe ich an dem Schmerze“, schrieb er nach Lacy’s Abreise an ihn, „den wir wechselseitig empfanden, uns sogar nur wenige Monate zu verlassen, daß wir in Wahrheit der Eine für den Andern gemacht waren. Diese Wahrheit ist so tief eingegraben in meinen Kopf und in mein Herz, daß gar kein Gerede der Welt mich jemals davon abweichen machen wird.“

Das Gerede, auf welches der Kaiser hier anspielt, indem er es gleichzeitig ein ganz unbegründetes nennt, hatte sich in der That dieses Gegenstandes, und zwar in verschiedenem Sinne bemächtigt. Von der einen Seite wurde behauptet, daß L., dem man den Besitz großer Talente und ausgebreiteter Kenntnisse sowie ganz unvergleichlichen Fleißes nicht absprechen konnte, durch sein despotisches Auftreten und das Bestreben, sich zum Leiter aller Staatsgeschäfte zu machen, viel Schaden angerichtet und gar Manche genöthigt habe, sich der Verwirklichung seiner Absichten im Interesse des Staates zu widersetzen. Andere behaupteten wieder, daß Kränkungen, welche L. von Seite des Kaisers erfahren habe, ihn zum Rücktritte veranlaßt hätten. In Josephs zahlreichen Briefen an den Feldmarschall ist jedoch nicht die leiseste Spur einer Mißstimmung gegen ihn zu entdecken. Wie seine Mutter, so tadelte auch der Kaiser ihm gegenüber in schärfster Weise die Gerüchte, die über die Ursachen seines Ausscheidens verbreitet worden waren; ja er nahm sogar Lacy’s Mitwirkung in Anspruch, sie wieder verstummen zu machen. Gleichzeitig erklärte er es als eine bare Unmöglichkeit, auf Lacy’s Dienste vollständig zu verzichten.

Von diesem Gedanken ausgehend, mußte Joseph sich peinlich berührt finden, als L. seine Abneigung vor dem Wiedereintritte in seine frühere Stellung immer deutlicher kundgab. Alle Bemühungen des Kaisers und seiner Mutter konnten ihn jedoch hievon nicht abbringen. Als sie Beide keine Möglichkeit mehr vor sich sahen, L. zu fernerem Verbleiben an der Spitze des Hofkriegsrathes zu bewegen, ernannten sie ihn, um ihn wenigstens nicht aus jeglicher amtlicher Beziehung scheiden zu sehen, zum Minister und Mitgliede der Staatsconferenz. Als solcher blieb L., nach Wien zurückgekehrt, auch noch fortan der vertrauteste Rathgeber des Kaisers in allen, insbesondere in militärischen Dingen. So wurden die letzteren trotz der Veränderung, die in Lacy’s äußerer Stellung eingetreten war, doch wenigstens in ihren wichtigsten Punkten neuerdings von ihm geleitet, während er gleichzeitig den Vortheil genoß, daß er von dem anstrengenden [494] und ermüdenden Detail der Geschäfte mehr als früher verschont blieb.

Welch’ überaus hohe Meinung der Kaiser von Lacy’s militärischen Fähigkeiten hegte, zeigte sich niemals deutlicher als beim Beginne und im Verlaufe des Feldzuges, in den er durch sein Bestreben, Baiern für Oesterreich zu erwerben, im J. 1778 mit König Friedrich II. verwickelt wurde. Bekanntlich hatte Joseph beschlossen, selbst den Oberbefehl über sein Heer zu führen, und L. sollte hiebei sein vornehmster Rathgeber sein. Er werde, erklärte er offen, keinen Schritt unternehmen, ohne zuvor Lacy’s Meinung zu hören. Diesem Vorsatze blieb der Kaiser denn auch unerschütterlich treu, und er befand sich wenigstens nach seiner eigenen Ansicht wohl dabei, denn nicht sich selbst, sondern nur L. schrieb er das schließliche Scheitern der Entwürfe des Königs von Preußen zu. Ohne ihn sei er nichts, erklärte ihm zu wiederholten Malen der Kaiser, und nur die vertrauensvolle Sicherheit, die er seinen Rathschlägen verdanke, diene ihm als Stütze auf der gefährlichen Bahn, die er eingeschlagen habe. Und als L. nach dem Rückzuge der Preußen aus Böhmen in Anbetracht seiner mißlichen Gesundheitsverhältnisse das Heer verließ, während Joseph noch bei demselben zurückblieb, schrieb der Letztere seiner Mutter, daß er nichts mehr bedauere, als von L. getrennt zu sein, dessen Rathschläge, Urtheile und Kenntnisse ihm von dem größten Nutzen gewesen seien. Deshalb ließ es sich auch Joseph während der Zeit, in der man sich noch mit Vorbereitungen zu einem zweiten Feldzuge beschäftigen zu müssen glaubte, ungemein angelegen sein, L. neuerdings zur Theilnahme an demselben zu bewegen. Und als es zu keinem Kampfe mehr kam, gab Joseph seiner lebhaften Zufriedenheit mit den Diensten, die ihm L. während des nun beendigten Krieges geleistet hatte, dadurch allgemein erkennbaren Ausdruck, daß er trotz seiner weitgetriebenen Sparsamkeit ihm doch die Summe von 24 000 Gulden, welche L. während des Krieges bezogen hatte, als Jahrespension auf Lebenszeit anwies.

Als Joseph durch den Tod seiner Mutter zur alleinigen Regierung der österreichischen Länder gelangte, ließ er in seiner Gesinnung der Dankbarkeit, der Freundschaft und des Vertrauens zu L. nicht die geringste Aenderung eintreten. Unablässig zog er ihn, und zwar nicht blos über militärische, sondern auch über die wichtigsten politischen Fragen zu Rathe. Von den weitausgedehnten Reisen, die der Kaiser unternahm, berichtete er regelmäßig über seine Wahrnehmungen und über die Eindrücke, die er in sich aufnahm, an den Feldmarschall, und häufig benützte er diesen Anlaß, um höchst schmeichelhafte Worte für denselben mit einfließen zu lassen. So schreibt er ihm, um nur ein Beispiel zu erwähnen, aus Spaa, das er das Kaffeehaus Europa’s nennt, im Juli 1781, voll Befriedigung betrachte er jene Quellen, denn durch sie sei die Gesundheit des theuersten und werthvollsten Freundes, den er besitze, dessen Meinung ihm jederzeit die verläßlichste Richtschnur sowohl dem Feinde gegenüber als auf politischem Gebiete gewesen sei, neu gestärkt worden.

Von noch größerem Interesse als diese Briefe des Kaisers aus dem Jahre 1781 sind diejenigen, die er im Juni 1783 aus Siebenbürgen und Galizien, in dem darauf folgenden Winter aber aus Italien an L. schrieb. Und auch sie stehen an Werth wohl noch hinter den Aufzeichnungen zurück, welche Joseph im Mai und Juni 1787 während seiner gemeinschaftlichen Reise mit der Kaiserin Katharina II. nach der Krim an L. richtete. Durch die aufständischen Bewegungen in den Niederlanden zur schleunigsten Rückkehr nach Wien veranlaßt, ließ der Kaiser auch unter dem Gefühle der tiefen Erbitterung, die er über diese Ereignisse und die ihm verfehlt scheinenden Maßregeln der Behörden empfand, das der Freundschaft für L. nicht leiden. Das Wiedersehen mit ihm [495] werde, schrieb er dem Feldmarschall, wohl die einzige Freude sein, die in Wien ihn erwarte.

Bei dem innigen Verhältnisse, welches zwischen Joseph und L. ununterbrochen fortbestand, und bei dem sehr großen Gewichte, das der Kaiser den Rathschlägen des Feldmarschalls jederzeit beimaß, läßt sich wol mit ziemlicher Bestimmtheit annehmen, der Letztere werde sich gleichfalls unter denen befunden haben, die den Kaiser zu dem verhängnißvollen Entschlusse drängten, in einem Augenblicke, in welchem die Unruhen in den Niederlanden nichts weniger als beschwichtigt erschienen, an der Seite Rußlands activen Antheil an der Kriegführung gegen die Pforte zu nehmen. Bei den Vorbereitungen hiezu bediente sich wenigstens Joseph der Dazwischenkunft und der Beihülfe Lacy’s im ausgedehntesten Maße. Und da er selbst wieder das Obercommando zu führen gedachte, hielt Joseph es für einen sehr großen Gewinn, daß er L. zu bestimmen vermochte, ihm hiebei neuerdings zur Seite zu stehen, wie dies vor zehn Jahren in dem letzten Kriege gegen Preußen mit so günstigem Erfolge geschehen war.

Aber diesmal sollte sich diese Combination keineswegs als eine glückliche erweisen. In der Bevölkerung wie im Heere war man in hohem Grade mißmuthig darüber, daß der Kaiser bei der Wahl des Mannes, dem er nach sich den ersten Platz bei der Armee einräumte, Laudon überging, von dessen Feldherrntalenten man mit Recht eine viel höhere Meinung als von denen Lacy’s hegte. Unberechtigte Bevorzugung des Einen, unverdiente Zurücksetzung des Andern erblickte man hierin, und der Gang der Kriegsereignisse schien dieses Urtheil rechtfertigen zu sollen.

Selbstverständlich kann hier auf den Verlauf des verunglückten Feldzuges des J. 1788 nicht näher eingegangen werden. Nur das wird gesagt werden müssen, daß L. am 10. März in Futak eintraf, wo Joseph schon seiner harrte. Bald nach seiner Ankunft ließ L. im Sinne seines menschenfreundlichen Kaisers den Einwohnern der türkischen Provinzen, die man im Laufe der Kriegführung besetzen zu können hoffte, erklären, man werde Jeden in seinem Eigenthume und der Ausübung seines Gewerbes schützen, die mahomedanische Religion und ihre Diener ungekränkt lassen und nur die Bewaffneten als Feinde ansehen und behandeln. Die Türken besaßen jedoch für die Grundsätze der Humanität, von denen diese Kundgebung dictirt wurde, nur wenig Verständniß. Hiezu kam noch, daß man keineswegs so weit in Feindesland vorzudringen vermochte, als man sich anfangs versprochen hatte. Zwar eroberte man Sabácz an der Save, aber mit diesem Erfolge schien die Reihe derselben auch schon wieder abgeschlossen zu sein. Joseph und L. trafen alle Anstalten zu einer Belagerung von Belgrad, sie gingen jedoch bald wieder von diesem Gedanken ab. Statt eine andere entscheidende Unternehmung ins Werk zu setzen, ließen sie die Armee durch Monate unthätig um Semlin stehen. Krankheiten rissen ein und decimirten die Reihen der Soldaten, deren Stimmung von Tag zu Tag sich verschlimmerte. Aber nicht nur in der Armee wurde der Mißmuth immer ärger; er verbreitete sich über die ganze Monarchie. Allgemein beschuldigte man L., er habe schlechte Dispositionen getroffen, und mit Ungestüm forderte man Laudon’s Berufung zur Armee. Unbeschreiblich war der Jubel, als endlich der Kaiser diesem Drängen sich fügte, aber auch jetzt erhielt Laudon nicht das Commando über das Hauptheer, sondern nur das über das Armeecorps, welches schon seit langer Zeit Dubitza belagerte. Dubitza fiel zwar, ungefähr gleichzeitig brach aber großes Mißgeschick über das Hauptheer unter Joseph und L. herein. Eine vorgeschobene Abtheilung unter General Papilla wurde von den Türken überfallen und empfindlich geschädigt. Die Generale Wartensleben, Brechainville und Lilien zogen sich gleichfalls zurück und gaben dadurch blühende Landstriche den Verheerungen des [496] heranziehenden Feindes preis. Schon glaubte Joseph weder das Banat noch Siebenbürgen mehr schützen zu können. „Schrecklicheres, Unglücklicheres, ja Schmachvolleres“, schrieb er am 20. Septbr. seinem Bruder Leopold, „hätte uns fürwahr nicht zustoßen können. Ich fühle mich als der Unglücklichste der Menschen, der physisch und moralisch die äußersten Qualen erdulden muß. Aber ich will lieber unter einem Baume sterben, als die Dinge in dem Zustande verlassen, in welchem ich sie hier sehe. Denn der Feldmarschall ist selbst so verzweifelt, daß er nicht mehr weiß was er thun soll.“

Joseph ahnte nicht, als er dies niederschrieb, daß ihm noch Traurigeres unmittelbar bevorstehe. Am 21. September, unmittelbar vor Tagesanbruch, trat seine Armee den Rückmarsch von Illova nach Karansebes an. Aus geringfügiger Ursache verbreitete sich in ihren Reihen panischer Schrecken. Man glaubte sich von den Türken überfallen; die einzelnen Abtheilungen feuerten aufeinander, Alles löste sich in regelloser Flucht auf und grenzenlos war die Verwirrung. Viele Verwundungen, ja Tödtungen kamen vor, äußerst beträchtlich war der Verlust an Kriegsgeräth aller Art. Nur schwer gelang es, die Truppen, und erst nachdem sie die verwerflichsten Excesse verübt hatten, wieder in Ordnung zu bringen. Wäre jedoch die Armee, sagt Joseph selbst, von den Türken verfolgt worden, so wäre sie verloren gewesen.

Obgleich dies nicht geschah und die Lage der Dinge sich überhaupt wieder besser gestaltete, als man unter dem Eindrucke jener unglücklichen Ereignisse annehmen zu müssen geglaubt hatte, so kann es doch nur Verwunderung erregen, daß Joseph an der Einrichtung der Heeresleitung, unter der sich Solches hatte zutragen können, auch für den nächsten Feldzug wieder festhalten wollte. Als L. um die Mitte des Februar 1789 dem Kaiser seinen unwiderruflichen Entschluß ankündigte, die Stellung nicht neuerdings einzunehmen, die er im verflossenen Jahre ihm angewiesen hatte, erklärte ihm Joseph, daß ihn dies in die peinlichste Verlegenheit versetze. „Sie kennen besser als ich“, schrieb er ihm am 17. Februar, „die körperlichen und geistigen Eigenschaften derer, die Ihren Platz einnehmen könnten oder sollten. Sie sind sich wohl bewußt, daß Sie weder an Feldherrntalent noch an Erfahrung oder geistiger Begabung, am allerwenigsten aber in Bezug auf das Vertrauen und die Hochschätzung, die ich seit 23 Jahren für Sie hege, durch irgend Jemand ersetzt werden können. Sie werden sich das Alles schon selbst gesagt haben, ehe Sie den Entschluß faßten, nicht mehr mit mir die Armee zu commandiren. Denn Sie sind ja nicht der Mann, der mir Schmerz bereiten will, so lang als Sie die Möglichkeit vor sich sehen, mir denselben zu ersparen.“

Aber ebensowenig als L. konnte der Kaiser ins Feld ziehen, seine Gesundheit war ja in einem noch viel übleren Zustande als die des Feldmarschalls. Sie blieben daher Beide in Wien und betheiligten sich wenigstens von hier aus eifrigst an den Dingen, die mit der Kriegführung zusammenhingen. Sie nahm jetzt eine weit glücklichere Wendung, und die Freude hierüber mochte bei L. wol etwas durch den Gedanken vergällt werden, daß es nicht ihm, sondern seinem Nebenbuhler Laudon beschieden war, die ihm versagt gebliebenen Erfolge zu erringen. Dasjenige Gefühl aber, von dem wohl anzunehmen sein wird, daß es L. zu jener Zeit fast ausschließlich beherrschte, war wohl das des Schmerzes über die wahrhaft reißenden Fortschritte, welche die Krankheit des Kaisers machte. Und diese Freundschaft, die sie im Leben so innig verband, hat ihm denn auch Joseph bis an das Ende des seinigen stets gleichmäßig bewahrt. Als er in Folge des raschen Schwindens seiner Kräfte die Staatsgeschäfte nicht mehr wie bisher zu besorgen vermochte, übertrug er diese Aufgabe einer Conferenz, in die er neben dem Fürsten Starhemberg und dem Oberstkämmerer Grafen Rosenberg auch [497] L. berief. Aber nur wenige Wochen dauerte diese Einrichtung, denn schon am 20. Februar starb der Kaiser, nicht ohne daß er Tags zuvor, wie er es auch Kaunitz und Rosenberg gegenüber that, von L. schriftlich Abschied genommen hätte.

„Nur das Zittern meiner Hand“, so lautet dieser Brief, „macht es mir unmöglich, diese wenigen Zeilen selbst niederzuschreiben. Deshalb muß ich mich einer fremden bedienen, weil ich den Augenblick mit schnellen Schritten herannahen sehe, der für immer uns trennen soll. Ich würde sehr undankbar sein, wenn ich diese Welt verließe, ohne Ihnen, mein theurer Freund, die Gesinnungen der Erkenntlichkeit an den Tag zu legen, die ich Ihnen in so verschiedenen Rücksichten schulde und im Angesichte der ganzen Welt zur Geltung zu bringen das Vergnügen genoß. Ja wenn ich in der Welt etwas geworden bin, so danke ich es Ihnen, der mich gebildet, mich aufgeklärt hat, und der mich die Menschen kennen lehrte. Ueberdies verdankt auch die ganze Armee Ihnen ihre Ausbildung, ihren Ruhm und ihr Ansehen. Die Verläßlichkeit ihrer Rathschläge in allen Angelegenheiten, Ihre persönliche Anhänglichkeit an mich, die durch kein großes oder kleines Ereigniß jemals erschüttert wurde, Alles dies macht, daß ich ganz außer Stande bin, Ihnen meinen Dank hinlänglich bezeigen zu können. Ich sah Ihre Thränen um mich fließen; Thränen eines großen Mannes aber und eines Weisen sind die schönste Apologie. Empfangen Sie dafür, indem ich Sie zärtlich umarme, mein Lebewohl. Das Einzige, was ich in der Welt zu verlassen bedauere, ist die kleine Anzahl von Freunden, unter denen Sie sicher der Erste sind.“

Noch bei Lebzeiten Josephs hatte sein Bruder Leopold erklärt, daß die militärischen Angelegenheiten des Staates und die so wichtige Correspondenz mit den commandirenden Generalen in keine geeigneteren Hände als diejenigen Lacy’s gelegt werden könnten. Das Vertrauen, das sich hierin aussprach, bewährte Leopold auch, nachdem er zur Herrschaft über die österreichischen Länder und in den Besitz der römisch-deutschen Kaiserkrone gelangt war, dem Feldmarschall in stets sich gleichbleibendem Maße. So übertrug er unmittelbar nach dem Eintreffen der Nachricht von Laudon’s plötzlichem Tode L. das Obercommando, ohne daß derselbe jedoch, da es wenigstens vor der Hand nicht mehr zum Kriege kam, sich wirklich ins Feld begeben mußte. Ebenso finden wir L. unter denen, die in den letzten Augusttagen 1791 den Kaiser zur Zusammenkunft mit dem Könige von Preußen nach Pillnitz begleiteten. An den Berathungen der geheimen Conferenz, in deren Schoße die wichtigsten Staatsangelegenheiten zur Verhandlung kamen, nahm L. als ihr dem Range nach zweites Mitglied und zwar ebensowohl während Leopolds kurzer Regierungszeit als nach dessen Tode unter Franz II. überaus thätigen Antheil. Auch ihn begleitete L. zu der Zusammenkunft mit dem Könige von Preußen in Mainz, und mit dem Herzoge von Braunschweig pflog er dort Conferenzen, in denen er sich gegen die Art und Weise erklärt haben soll, in der man den beabsichtigten Feldzug gegen Frankreich ins Werk setzen wollte. Legte er daher später dessen Mißlingen einzig und allein dem Verfahren Preußens zur Last, so fehlte es dagegen freilich auch nicht an Stimmen des Tadels über die noch immer in Lacy’s Händen befindliche oberste Leitung der militärischen Angelegenheiten in Oesterreich. Ihm schrieb man es beispielsweise zu, daß Wurmser so lange Zeit hindurch ohne eine seiner früheren Erprobung würdige Verwendung blieb, weil man behauptete, sein kühner Unternehmungsgeist sei der Auffassung und dem Wesen Laey’s nur wenig entsprechend. „Der Feldmarschall“, heißt es in einer sehr interessanten Aufzeichnung vom 1. Februar 1793, „ist immer damit beschäftigt, die Gedanken herabzustimmen, die sich über die seinigen erheben, und denen entgegen [498] zu wirken, die nicht von ihm selbst kommen. Denn stolz auf seine Erfolge auf militärischem Gebiete, und sich als gleich hervorragend ansehend in Dingen der Verwaltung wie des Oberbefehls, begreift er nicht recht, daß eine gut geschulte und wohl ausgerüstete Armee dennoch eines Laudon bedarf, um sie wirkungsvoll zu verwenden, und daß die politischen Geschäfte und die Lenkung der Völker andere Talente verlangen als die genaue Kenntniß dessen, was ein Regiment kostet.“

Mag dieses wol allzu scharfe Urtheil nicht frei von jeglicher Voreingenommenheit gegen L. sein, so versteht es sich doch gewissermaßen von selbst, ja es konnte gar nicht anders kommen, als daß derselbe, den man wol mit Fug und Recht eine Verkörperung der Traditionen des siebenjährigen Krieges nennen durfte, in die neuere Zeit nicht mehr paßte und sich insbesondere in die vollständige Umwälzung der Kriegführung, wie sie durch die französischen Revolutionsgenerale, vor allem durch Napoleon Bonaparte herbeigeführt wurde, nicht mehr zu finden vermochte. Dem jungen Kaiser schon in Folge des sehr großen Altersunterschiedes weit ferner stehend, als es dessen Vater Leopold und insbesondere Joseph II. gegenüber der Fall gewesen war, trat L. mehr und mehr in den Hintergrund zurück. Mit Vorliebe verbrachte er seine Tage in seiner reizenden Schöpfung Neuwaldegg bei Wien, wo er sich schon in der Mitte der sechziger Jahre angekauft und in Verbindung mit dem anspruchslosen Schlößchen, zu dem er seinen nunmehrigen Wohnsitz umgestaltet, von Maria Theresia und Joseph in jeglicher Weise gefördert, einen weit ausgedehnten Park angelegt hatte. Von jenem Wohlwollen für die Menschen beseelt, in dem er sich mit seinem kaiserlichen Freunde begegnete, öffnete L. diesen Park rückhaltlos aller Welt, und Hunderttausende mögen seither, der dumpfen Luft der nahen Großstadt entfliehend, Freude und Erquickung auf den grünen Matten und in den schattigen Laubgängen gefunden haben, ohne sich dabei des Mannes zu erinnern, ja ohne jemals dessen Namen gehört zu haben, dem sie diesen Hochgenuß verdankten. Und in einem schattenreichen, abgelegenen Theile des Parkes, wohin nur selten betretene Pfade führen, an einem von ihm ausgewählten Plätzchen steht des Feldmarschalls schlichte Grabkapelle, die außer seinen Gebeinen nur noch diejenigen seines ihm schon lang im Tode vorangegangenen, von ihm sehr geliebten Neffen, des Feldzeugmeisters Grafen Georg Browne birgt. Diese Grabkapelle immer in gutem Stande zu erhalten, das ganze Besitzthum nie zu veräußern und die Pensionen auszubezahlen, welche L. seinen Dienern zudachte, die sich jedoch nicht höher als auf 6500 Gulden belaufen durften, dies waren die einzigen Bedingungen und so zu sagen der Kaufpreis, um welchen L. kraft eines Contractes, den er im Juli 1798 mit dem Fürsten Joseph Schwarzenberg und dessen Hause abschloß, ihm die Herrschaft Neuwaldegg abtrat. Doch behielt er sich deren Fruchtgenuß bis zu seinem Tode vor, welcher am 24. Novbr. 1801 zu Wien eintrat. Noch zeigt man in dem Schlößchen zu Neuwaldegg ein Bild, welches Joseph II. und L. im Kreise der fünf fürstlichen Frauen darstellt, deren anregende Gesellschaft Beiden nach den rastlosen Mühen des Tages stets die liebste Erholung darbot. Von einem viel Jüngeren aber, der gleichwohl noch unter ihnen in dem unglücklichen Feldzuge gegen die Türken gedient hatte, dem Fürsten Franz Dietrichstein wurde L. zu den Monumenten, die ihm der Kaiser Joseph schon bei seinen Lebzeiten, und zwar im Arsenale der auf seinen Rath neu erbauten Festung Pleß, jetzt Josephstadt, und in dem großen Saale des Hofkriegsrathes durch Aufstellung von zwei Büsten gesetzt hatte, mit pietätvoller Feder ein drittes errichtet, indem er das abfällige Urtheil des Militärschriftstellers Jomini über L. zu widerlegen sich bestrebte. Neben den kriegerischen Eigenschaften und Verdiensten, die er an L. rühmt, hebt Dietrichstein besonders [499] hervor, welch’ ausgezeichneter Chef des Generalstabes, welch’ unvergleichlicher Organisator derselbe war. Und außerdem sagt er von ihm, er sei „voll Edelmuth und Zartgefühl, großmüthig, der liebenswürdigste Gesellschafter, der sanfteste Gebieter, der zugänglichste, mittheilendste, unterrichtendste Anführer, der standhafteste, vortrefflichste Freund, der unerschütterlichste Beschützer gewesen“. Diese Worte des Fürsten Dietrichstein und mehr noch die treue Anhänglichkeit Josephs an L. werden jeden Zweifel darüber beseitigen, daß er trotz mancher Gebrechen ein ebenso pflichteifriger als selten begabter Mensch war, der es verdient, daß er insbesondere in Oesterreich in ehrenvollem Andenken fortlebe.