ADB:Kunze, Gustav
[401] solchen Anlagen auch ein reger Sammeleifer erweckt wurde, war erklärlich; dieser warf sich zuerst auf die Schmetterlinge. Ein großes Glück aber für ihn, wie für die Wissenschaft war es, daß dieser jugendliche Hang durch treffliche Leitung in richtige Bahnen gelenkt wurde. Schon auf der Thomasschule zu Leipzig, in die K. im J. 1858[WS 1] eintrat, um die akademische Laufbahn sich zu öffnen, schloß er sich innig an den gleichen Bestrebungen huldigenden Ludwig Reichenbach an, den später berühmten Entomologen und Botaniker. Noch mehr aber wurden seine Kenntnisse bereichert durch die wohlwollende Fürsorge, welche der naturwissenschaftliche Professor Germar, früher in Halle, und der Botaniker Professor Schwägrichen beiden talentvollen Knaben zuwendeten. So aufs trefflichste vorbereitet, bezog K. 1813 die Universität seiner Vaterstadt, um neben dem Studium der Medicin sich eingehend mit den Naturwissenschaften, besonders mit der Botanik, zu beschäftigen. Auf Grund einer Dissertation „De dysphagia commentatio pathologica“ wurde K. am 22. Juni 1819 zum Dr. med. promovirt. Es war jedoch diese Arbeit nicht seine erste schriftstellerische Leistung. Bereits im J. 1817 hatte er im Verein mit dem Lehrer der Naturwissenschaften zu Tieffurth bei Weimar, Dr. Johann Karl Schmidt, der ihn zum Studium der mikroskopischen Pilze veranlaßt hatte, den ersten Band der „Mykologischen Hefte“ erscheinen lassen; deren zweiter Band 1823 nachfolgte und in denen manche neue Entdeckung des jungen Gelehrten verzeichnet war. Auch hatte K. schon ein Jahr vorher, ebenfalls zusammen mit Schmidt, 8 Lieferungen getrockneter Schwämme, 200 Nummern enthaltend, veröffentlicht. In ähnlicher Weise war K. für Entomologie thätig, wozu ihm die Anregung von seinem Freunde Reichenbach wurde. Im J. 1818 gab er eine Reihe von Beobachtungen über die Gruppe der Curculioniden in den Schriften der naturforschenden Gesellschaft zu Halle unter dem Titel „Entomologische Fragmente“ heraus. Doch bildeten alle diese Arbeiten vorläufig nur Nebenbeschäftigungen, die neben dem Studium der Medicin, als der Berufswissenschaft, einherliefen. Im J. 1822 wurde K. außerordentlicher Professor der Medicin und bald darauf Custos der Gehler’schen Bibliothek, was er bis zum J. 1848 geblieben ist. Inzwischen waren umfassende Arbeiten von Schwägrichen über die Moose und von Kaulfuß solche über die Farne erschienen. Dies war für K. die Veranlassung, sich mit Eifer auf das Studium dieser schwierigen Formen des Gewächsreiches zu werfen. Es ist überhaupt eine bemerkenswerthe Charaktereigenschaft Kunze’s gewesen, daß er, wenn er durch irgend eine specielle geistige Beschäftigung eines Anderen angezogen wurde, sich diesem anschloß und in derselben Richtung geistiger Thätigkeit Meister zu werden trachtete. So wurden denn die Farne von nun an der Mittelpunkt von Kunze’s botanischer Thätigkeit und sind seine Lieblingskinder aus der Pflanzenwelt stets geblieben. Zunächst bearbeitete er die von Christian Friedrich Ecklon zusammen mit Karl Zeyher in Südafrika gesammelten Farne, veröffentlicht in der Zeitschrift Linnaea (Vol. X) unter dem Titel „Plantarum acotyledonarum Africae australioris recensio nova e Drègei, Eckloni et Zeyheri aliorumque peregrinatorum collectionibus aucta et emendata. Particula prima, Filices complectens“, Lipsiae 1836. Nach Kaulfuß’ Tode erstand K. dessen Manuscripte nebst den noch nicht publicirten Kupferplatten, auch sorgte er dafür, daß die reiche Farnsammlung jenes Forschers durch Uebergang in die Hände des beiden Männern befreundeten v. Römer in Dresden vor Zersplitterung bewahrt und dem Vaterlande erhalten blieb. Seine eignen Studien über diesen Gegenstand veröffentlichte K. außer in einigen kleineren Monographien und in der Bearbeitung der Farne einzelner Floren in seinen beiden Hauptwerken: 1) „Analecta pteridographica s. descriptio et illustratio Filicum aut novarum, aut minus cognitarum“, Lipsiae 1837 und 2) „Die Farnkräuter, in colorirten Abbildungen [402] naturgetreu erläutert und beschrieben.“ Schkuhr’s Farnkräuter, Supplement. Bd. I (Lieferung 1–10) 1840–47, Bd. II (Lieferung 11–14) 1848–51. Es ist namentlich das erstere Werk eine bedeutsame Erscheinung in der Literatur über die Systematik der Kryptogamen. In demselben sind 68 Farne aus allen Abtheilungen dieses Formenkreises beschrieben und mit kritischen Bemerkungen versehen, die eine sehr genaue Naturbeobachtung voraussetzen. Durch die beigegebenen guten Abbildungen und die ganze Ausstattung stellt sich das Werk den besten ähnlichen Werken des Auslandes würdig an die Seite, durch seine Bearbeitung übertrifft es alle bis dahin publicirten. Im Anschluß an das zweitgenannte Werk und gleichzeitig mit demselben behandelte K. auch die Supplemente zu Schkuhr’s Riedgräsern, einer ebenfalls schwierigen Pflanzengruppe, deren ausführliche Beschreibungen durch recht gute Abbildungen illustrirt werden. Schon durch seine ersten Arbeiten über die Farne erwarb sich K. den Ruf eines der besten Kenner dieser Pflanzenformen auf dem Continent, was ihm 1835 die außerordentliche Professur der Botanik aus der Universität Leipzig einbrachte. Seine Thätigkeit blieb jetzt dieser Wissenschaft allein zugewandt und so wurde er 1845 ordentlicher Professor, nachdem er bereits 1837 die Verwaltung des botanischen Gartens übernommen hatte. Unter seiner Leitung und der thätigen Beihülfe des wohlverdienten Gärtners Plaschnick erblühte dieses Institut zu neuem Glanze; seine Farnsammlung wurde die reichste Europa’s und wies bei Kunze’s Tode von diesen Gewächsen allein 450 Arten auf. Mit Reichenbach und vier anderen, nicht dem Gelehrtenstande angehörenden Naturfreunden zusammen, gehörte K. zu den Gründern der im October 1818 ins Leben getretenen naturforschender Gesellschaft zu Leipzig, die sehr bald an Ansehen gewann und ihre ersten Schriften 1822 veröffentlichte. Nach Reichenbach’s Uebersiedlung nach Dresden im J. 1820 erhielt K. das Secretariat der Gesellschaft, das er bis zu seinem Tode behielt. An äußerer Anerkennung hat es K. nicht gefehlt. Schon als Schüler und Student mit Naturforschern correspondirend, wurde er zuerst von der naturforschenden Gesellschaft zu Halle, dann von der botanischen Gesellschaft zu Regensburg zum Mitgliede ernannt und bis an sein Lebensende folgten Diplome der Ehrenmitgliedschaft von den verschiedensten wissenschaftlichen Vereinen fast aller Länder. Hätte K. kein einziges größeres Werk geschrieben, so hätte er dennoch um die botanische Litteratur sich wohl verdient gemacht. Die kritischen Verzeichnisse seiner Farnsammlungen („Indices Filicum in hortis europaeis cultarum“ etc., Halis 1858 und Argentorati 1853), sodann seine Sammlungen selbst, seine Mittheilungen an befreundete Botaniker sind so reich an mühsam geschaffenen litterarisch wichtigen Notizen, daß sie allein schon den Werth so mancher in der Litteratur hervortretenden Bücher übertreffen. Denn fast mit allen namhaften Botanikern und Zoologen seiner Zeit stand K. in persönlichem oder brieflichem Verkehr. Jedoch noch nach einer anderen Seite hin ist K. für die Wissenschaft thätig gewesen. Ihn interessirte in hohem Grade die nahe Beziehung der Botanik zur Heilmittellehre und nach Maßgabe seines Studienganges war Niemand mehr befähigt als K. in diesem Sinne zu wirken. So gab er im Vereine mit seinem Freunde Kummer eine treffliche, sehr vermehrte Uebersetzung von Achille Richard’s „Medicinische Botanik“ heraus, die in zwei Bänden 1824 zu Berlin erschien. Ferner bearbeitete er selbständig den zweiten Band von „Fr. Göbel’s pharmazeutischer Waarenkunde“, der in 8 Heften von 1830–1834 herauskam. Von Magendie’s „Vorschrift zur Bereitung neuer Arzneimittel“ hat er die deutsche Bearbeitung mit Anmerkungen und Zusätzen in der dritten bis sechsten Auflage (Leipzig 1824–1831) gegeben. Endlich erschien von ihm „Raspail, Naturgeschichte des Infects der Krätze, vergleichende Untersuchung aus dem Französischen mit Anmerkungen“, Leipzig 1835. Daß K. indessen auch [403] die nicht ausschließlich seiner speciellen Richtung angehörenden Fragen in der botanischen Wissenschaft mit regem Interesse verfolgte, bezeugt die lebhafte Theilnahme, die er für die von seinem Collegen W. Hofmeister ausgeführten epochemachenden embryologischen Untersuchungen an den Tag legte. Ueberhaupt liegt Kunze’s Bedeutung wol am meisten in der Vielseitigkeit seines Wissens, das, an Umfang wie an Gründlichkeit gleich hervorragend, ihn zu einem der fruchtbarsten Lehrer seiner Wissenschaft machte. Die politischen Tagesfragen berührten ihn nicht, in der strengsten Pflichterfüllung innerhalb der engeren Sphäre seiner Wissenschaft und seines Berufs sah er seine alleinige Lebensaufgabe und inmitten seiner Berufsthätigkeit wurde er auch hinweggerafft. Nachdem er noch in der frühen Morgenstunde seiner gewohnten Beschäftigung im botanischen Garten nachgegangen war, wurde er bei der Heimkehr in seine Wohnung vom Schlage getroffen und verschied auf der Stelle. Er erreichte ein Alter von nicht ganz 58 Jahren. In der Gattung Kunzea aus der australischen Familie der Myrtaceen, hat sein Freund L. Reichenbach sein Andenken gesichert.
Kunze: Gustav K.. Botaniker, geb. am 4. October 1793 zu Leipzig, † als ordentlicher Professor der Botanik ebendaselbst am 30. April 1851. Er war der Sohn eines Oberschöppenschreibers im Rathe der Stadt Leipzig und genoß eine treffliche Erziehung, sowie einen wohlgeordneten Unterricht auf der Rathsfreischule seiner Vaterstadt. Durch beides wurden die vielseitigen Anlagen des Knaben zu frühzeitiger Reife entwickelt. In gleicher Weise zeichnete sich schon der Jüngling durch eine seltene Beherrschung der Musik, wie durch sein Geschick im Zeichnen und Radiren, durch sein Talent für bildende Künste, wie nicht minder durch seine Fertigkeit in allen körperlichen Uebungen vor allen Altersgenossen aus. Kurz er scheint ein sogenannter Musterknabe gewesen zu sein, doch ohne die Fehler eines solchen zu besitzen. Daß in dem Knaben bei- L. Reichenbach, Worte zur Erinnerung an G. Kunze, Vortrag, geh. in der Sitzung der naturforsch. Gesellschaft zu Leipzig am 13. Mai 1851.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ gemeint ist wohl 1808.