Zum Inhalt springen

ADB:Kummerfeld, Karoline

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Kummerfeld, Karoline“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 372–374, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kummerfeld,_Karoline&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:59 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Kummer, Kaspar
Nächster>>>
Kuen, Franz
Band 17 (1883), S. 372–374 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Karoline Schulze-Kummerfeld in der Wikipedia
Caroline Kummerfeld in Wikidata
GND-Nummer 118839446
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|17|372|374|Kummerfeld, Karoline|Joseph Kürschner|ADB:Kummerfeld, Karoline}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118839446}}    

Kummerfeld: Karoline K., geb. Schulze, vortreffliche Schauspielerin, geb. am 30. Septbr. 1745 zu Wien, starb am 20. April 1815 zu Weimar. Das Andenken an diese höchst bemerkenswerthe, von einem Goethe besungene Persönlichkeit der deutschen Theatergeschichte, ist erst in den letzten Jahren wieder lebhaft geweckt worden durch die von Uhde besorgte Veröffentlichung ihrer Denkwürdigkeiten in dem „Historischen Taschenbuch“ für 1873 (S. 359–415), wo man auch die sonstigen Quellen zusammengetragen findet. In der vierten Anmerkung dieser Veröffentlichung wird von einer zweiten, mit der a. a. O. veröffentlichten parallel laufenden Handschrift gesprochen, in der „Alles, was zum Theater gehöre, noch deutlicher abgefaßt sei“, zugleich aber von Uhde bemerkt, daß es ihm nicht habe gelingen wollen, diese Handschrift aufzufinden. Nun, es scheint, diese Handschrift hätte, als der verdiente Forscher dies niederschrieb, bereits das 50jährige Jubiläum ihrer Drucklegung feiern können, denn schon 1828 wurde durch Holtei im 2. und 3. Heft des 3. Bandes seiner „Beiträge zur Geschichte dramatischer Kunst und Litteratur“ (Berl. 1828) eine Art Selbstbiographie der K. ans Licht gestellt, die nicht immer mit der von Uhde mitgetheilten zusammenstimmt. Leider reicht auch sie, gerade wie die von Uhde mitgetheilte, nur bis zur Verheirathung der K. Eine Fortsetzung wurde zwar für das nächste Heft seiner Zeitschrift von Holtei versprochen, aber – dieses Heft ist niemals erschienen. Trotz mancher Wiederholungen ergänzen sich die beiden Quellen in willkommener Weise und bilden nun die Unterlage zu dem Nachfolgenden.

K. war die Tochter des Schauspielers Christian Schulze (geb. am 8. Nov. 1693 zu Frankfurt a. O.), eines Mannes, den Mittellosigkeit gezwungen hatte, die eingeschlagene wissenschaftliche Laufbahn mit dem schauspielerischen Berufe zu vertauschen. Karolinens Mutter, eine adeliche Dame, die der Zufall der Bühne zugeführt hatte, war die zweite Frau Schulze’s, der sie bei dem Director Hake kennen gelernt und am 7. Decbr. 1741 geehelicht hatte. Die bessere Herkunft und Bildung der Eltern gab auch der K. einen höheren Schwung und eine bessere Unterlage für die Zukunft. Der Vater hatte eine gute Anstellung beim Wiener Theater, auf dem auch Karoline, kaum drei Jahre alt, als Kind (Aesop in der Stadt) und in anderen Kinderrollen auftrat. Nachdem Schulze seine Stellung in Wien durch eine gegen ihn gerichtete Kabale verloren hatte, zog er mit den Seinigen zu dem Prinzipal Johann Schulz in München, bei dem sein Sohn erster Ehe, Christian, engagirt war. Die erbärmlichen Verhältnisse dieses Directors nöthigten den Vater der K., bald darauf bei Weidner in Erlangen ein Unterkommen zu suchen. Mit dessen Gesellschaft spielte nun die Schulze’sche Familie in Erlangen und Fürth, wo der Prinzipal durchging und Schulze nichts übrig blieb, als selbst eine Gesellschaft zu begründen, die er, mit mancherlei Hindernissen kämpfend, nach Erlangen u. a. O. und schließlich nach Ingolstadt führte, wo das Unternehmen an dem Widerstand der Jesuiten scheiterte. Ohnehin waren die Mitglieder der Schulze’schen Familie auch jetzt wieder gezwungen, nach Nebenverdiensten zu suchen, um sich überhaupt durchzuschlagen. So malte der Vater und schriftstellerte, die Mutter verdiente sich etwas mit Handarbeiten oder beide halfen den Mönchen und Nonnen in den Klöstern geistliche Komödien einstudiren und aufzuführen. Auch Karoline ward zu diesem letzteren Zweck verwendet, sie sprach auch auf dem Theater Reden und erhielt der Sitte der Zeit gemäß dafür von den Zuschauern ganz ansehnliche Geldgeschenke. Nach der Auflösung der eigenen Truppe nahmen Schulzens abermals ein Engagement bei Johann Schulz an, mit dem sie diesmal in Passau, Regensburg und Nürnberg spielten. In letzterer Stadt erlag der Prinzipal abermals den Schulden und Schulze wendete sich (1752) nun mit den Seinigen zum Prinzipal Mayer in Luxemburg, gab aber diesen Versuch auf, als er unterwegs zur Brunian’schen Gesellschaft [373] stieß, bei der auch seine Stieftochter Marianne engagirt war. Schulzens traten bei dieser Truppe meist in Würzburg, Eichstädt und Rothenburg auf. Die Unordnung bei Brunian war die Ursache, daß Schulze Ostern 1754 mit seiner Familie zu Joseph Kurz ging, der im Lager von Kollin und in Regensburg „arbeiten“ ließ. Schon im Herbst verließ die Familie auch dieses Engagement wieder, um bei Locatelli in Prag die Direction des deutschen Schauspiels zu übernehmen und ließ, als Locatelli heimlich das Weite suchte, sich bei der Nicolini’schen Gesellschaft in Braunschweig und 1756 bei Franz Schuch anwerben. Unter dessen Leitung übernahm die damals 12jährige Karoline neben ihren Kinderrollen bereits eine Reihe Rollen jugendlicher Liebhaberinnen, so die „Marie“ (Kaufmann von London), die „Marianne“ (Tartüffe), „Clarisse“ (Verschwender), „Rutland“ (Graf Essex) etc. Sie spielte bei Schuch außer in Magdeburg, auch in Potsdam, Stettin und Frankfurt a. d. O. Doch größer wurde der Kreis ihrer Wirksamkeit, nachdem sie mit den ihrigen von Schuch zu Kirsch gekommen war, nicht nur Liebhaberinnen, auch junge Frauen und Wittwen galt es hier trotz des jugendlichen Alters darzustellen. „Durch hohe Absätze und Frisur und einen umfangreichen Reifrock“ – erzählt sie selbst – „machte man meine kleine schmächtige Gestalt ansehnlicher, gab mich auch für älter aus, und ich spielte und tanzte in jeder Vorstellung, jedem Ballet“. Die Zeitläufte zwangen Kirsch bald, seine Gesellschaft zu entlassen und Schulze’s suchten in Folge dessen in Freiberg ihr Heil, aber auch hier mußte der Prinzipal bald die Idee, zu spielen, aufgeben. Zu allem Unglück wurde hier die Familie noch von heftiger Krankheit heimgesucht und durch den Tod ihres Hauptes beraubt (1757). Jetzt ging Karoline mit ihrer Mutter zu Doebbelin und unter dessen Führung von Erfurt nach Mainz, Köln und Düsseldorf. Als auch bei diesem Director das lecke Schifflein dem Sinken nahe war, rettete sich Karoline, von ihrer Mutter und ihrem Bruder begleitet, 1758 zu Ackermann, den sie im August in Zurzach trafen und bei dem Karoline als „Iphigenie“ (von Racine) debütirte. Mit der Ackermann’schen Gesellschaft spielte K. in Bern, Luzern, Straßburg, Kolmar, Freiburg im Br., Karlsruhe, Mainz, Kassel, Braunschweig, Hannover, Göttingen, Hamburg, wo 1766 ihre Mutter starb. Die Reibungen, die in Hamburg zwischen Sophie Friederike Hensel (vgl. Bd. XI S. 788) und Karolinen statthatten, wurden, wie bekannt, zur Veranlassung der Begründung der ersten stehenden Bühne Deutschlands, welche unvergessen bleibt durch Lessing’s innig damit verbundene „Dramaturgie“. Die Hensel behauptete das Feld, Karoline ging im März 1767 von Hamburg weg und ließ sich in Leipzig bei Koch engagiren. Sie erhielt hier von mehreren Kennern ehrenvolle Beweise der Anerkennung und selbst Goethe zählte zu ihren Verehrern. Dennoch schied sie 1768 von der Bühne, um sich am 24. Febr. d. J. mit dem Bancoschreiber Kummerfeld in Hamburg zu vermählen. Neun Jahre später verlor sie ihren Gatten, dem sie eine treue Frau gewesen war. Anstatt ein ruhiges Alter genießen zu können, sah sie sich von neuem zur Thätigkeit gezwungen, unter wesentlich anderen Geschmacksverhältnissen, die ihr in der Beurtheilung ihres Spieles nicht günstig waren. Am 11. Juli 1777 betrat sie als „Julia“ (Weiße’s Romeo und Julia) wieder die hamburgische Bühne, verließ diese aber schon am 7. Nov. 1778 und nahm ein Engagement am gothaischen Hoftheater an, nach dessen Auflösung sie einem Anerbieten nach Mannheim an das neubegründete Nationaltheater folgte. Das Schicksal wollte, daß sie hier abermals mit ihrer Rivalin Friederike Hensel, nunmehrige Seyler, zusammentraf, was wol die Ursache ist, daß sie schon 1780 auch Mannheim wieder verließ. 1781 erscheint sie in Innsbruck, 1782 in Linz, 1783 bei Großmann, 1784 bei Joseph Bellomo, mit dem sie in demselben Jahre nach [374] Weimar kam, wo sie als „Marchese Portia Vercelli“ (Gianetta Montaldi) am 22. Juni 1785 ihre theatralische Laufbahn beschloß. Von der Herzogin Amalie unterstützt, begründete sie nun in Weimar eine Nähschule, schrieb von 1792–95 ihre Denkwürdigkeiten und starb 1815. Noch in der letzten Zeit ihres Lebens übergab sie der weimarischen Hofapotheke das Recept eines Schönheitsmittels, des sogen. „Kummerfeld’schen Waschwassers“, das ihren Namen in die weitesten Kreise trug. Als Schauspielerin war K. am bedeutendsten im Lustspiel; unter den verschiedenen, vielfach widersprechenden Urtheilen nimmt auch Uhde als das erschöpfendste das des gothaischen Theaterkalenders von 1792 an, in dem gesagt wird, als das Eigenthum der „ehemals berühmten Aktrice müsse Munterkeit, Naivetät, Drolligkeit, Muthwille auf der einen, der Enthusiasmus der Liebe und der höchste Schmerz des Trauerspiels auf der anderen Seite betrachtet werden“. Goethe findet ihre „Bewegungen und Recitationen vielleicht zu scharf“, aber „durch Anmuth der Jugend gemildert“.