ADB:Krönlein, Georg
Krönlein: Georg K., der Erforscher der Namasprache, rheinischer Missionar. Als der rheinische Missionar Georg K. das Namaland betrat, schauten seine Vorgänger schon auf eine neunjährige Thätigkeit zurück. Er gehörte also nicht zu den Begründern des Werkes, hat aber im Lauf der Zeit nachhaltigen Einfluß auf dasselbe ausgeübt und ihm gleichsam sein Gepräge aufgedrückt, das sich trotz der veränderten Lage der Dinge bis heute noch nicht völlig verwischt hat.
K. ist am 19. März 1826 zu Seegnitz in Unterfranken geboren. Er trat als junger Kaufmann in die Missionsschule zu Barmen ein unter dem Inspector Wallmann und gehörte zu den begabtesten und eifrigsten Schülern desselben. Bei seiner Aussendung 1851 wurde ihm der Auftrag zuteil, die schwere Namasprache gründlich zu erlernen und die Bibel in dieselbe zu übersetzen. Der ihn auf der Station Bersaba einführende Superintendent Zahn erklärte, als sie den Ort nach mühevoller Reise erreicht hatten: „Hier kann ja weder Hund noch Katze leben!“ Dessen ungeachtet hat K. es ein Vierteljahrhundert daselbst ausgehalten, freilich mit Unterbrechungen. Erst nach Ausbau des Wohnhauses und nach seiner Verheirathung mit der Schwester des Missionars Terlinden in Stellenbosch gelang es ihm, sich den Sprachstudien mit größerem Fleiß als bisher hinzugeben. Nach wenigen Jahren schon besaß er einen Schatz von Namawörtern, der sich für die ihm gestellte Aufgabe fruchtbar erwies. Doch erst nach Einweihung der von ihm gebauten Kirche, 1857, und nach Rückkehr von einer Erholungsreise ans Cap konnte er daran denken, den Uebersetzungsarbeiten näher zu treten. Eine Reihe jüngerer Collegen kamen abwechselnd ihm zur Hülfe und teilten sich in die Amtsgeschäfte. – Morgens 4 Uhr fand man ihn regelmäßig an seinem Schreibtisch. Geistig geweckte Schüler wurden herangezogen, auch ältere Männer ausgeforscht, wenn es sich darum handelte, für fremdartige Begriffe die rechten Worte zu suchen. Von Vortheil für ihn war es, daß er mit dem Sprachforscher Dr. Bleek, derzeit Bibliothekar von Sir George Gray’s Library in Kapstadt, in Verbindung trat. Wie dieser sein Comparative Grammar of South African Languages auf das Standard Alphabet des Dr. Lepsius aufbaute, so hat auch Missionar K. dies epochemachende Werk zum Muster genommen, besonders als es galt, die der Namasprache eigenen Schnalzlaute typisch festzulegen. Andererseits lieferte letzterer dem Dr. Bleek werthvolle Beiträge, welche dieser in seinem Werke verwerthete oder in seinem Rynard the Fox in South-Africa aufnahm.
Im J. 1864 begab sich K. auf die Reise nach Deutschland, um seine Manuscripte der Presse zuzuführen. Gedruckt wurden bei W. Herz in Berlin der kleine Luthersche Katechismus, die Calwer biblische Geschichte und das Neue Testament in der Namasprache; eine Riesenarbeit in der Zeit von 15 Jahren, um so mehr, als keine ebenbürtigen Revisoren ihm zur Seite gestanden hatten. – Als Präses der Nama-Mission kehrte er 1867 wieder ins Land zurück und fand in dieser Eigenschaft so reichlich Arbeit vor, daß er zunächst verhindert war, diesen seinen linguistischen Studien sich hingeben zu können. Während seiner Abwesenheit hatten seine Stellvertreter und Collegen wegen Fehden etlicher Stammeshäupter und kriegerischer Vorgänge im Lande es nicht leicht gehabt. Doch war der entscheidende Kampf geschlagen, als K. ankam. Der Boden zum Friedensschluß war geebnet, so daß [396] der Frieden seinen Bemühungen gleichsam als reife Frucht in den Schooß fiel. – Einer Deputation von Bastarden aus der Capcolonie, deren Volksgenossen einzuwandern gedachten, wurde K. mit Erfolg ein warmer Fürsprecher bei den Häuptern der Colonie. Etliche Jahre später führte er seine Collegen nach dem Hereroland zu einer Generalconferenz rheinischer Missionare in Otjimbingue. Wenige Monate danach hatten die Bewohner jener Gebiete auch das Glück, zu sehen, daß zwischen den Häuptern der schwarzen und der braunen Rasse Frieden geschlossen wurde, was nicht ohne Einfluß der Missionsleiter geschehen sein soll. Ein Jahr später, 1871, reiste K. mit seiner Frau ans Cap. Sein Schwager, der kinderlose Wittwer Missionar Terlinden, sehnte sich danach, seine Schwester nochmals zu sehen; auch sie wünschte ihren leidenden Bruder zu sprechen. Vor der Rückkehr in das Namaland drückten sie ihm die Augen zu. Auch diese Erholungszeit wußte der unermüdliche K. mit Arbeit auszufüllen. Die deutsche Gemeinde in Capstadt ermangelte derzeit eines Pastors. Aushülfsweise übernahm er den Dienst in der St. Martinskirche, und als er heimgekehrt war, konnte er seinen Collegen die Psalmen des Alten Testaments, ein Liederbüchlein und eine Agende für den Kirchengebrauch gedruckt und gebunden in die Hände legen.
Dasselbe Maaß von Vertrauen, welches sein Lehrer, Inspector Wallmann, K. in sprachlicher Hinsicht entgegen gebracht hatte, ließ dessen Nachfolger, Dr. Fabri, ihm auf dem Gebiet der Verwaltung zu theil werden. Von seiner im Mittelpunkt des Landes gelegenen Station Bersaba konnte er sagen: „Hier laufen alle Fäden zusammen.“ So lange er an der Spitze stand, war dies auch wirklich der Fall. Er hielt Kirchen- und Schulvisitationen ab und präsidirte auf den Synodalconferenzen. An seinem Wohnsitz tagte auch einmal eine Generalversammlung rheinischer Missionare. Seine Schule hat er schon 1869 eingeweiht; sieben Jahre danach auch die Kirche zu Gibeon. Schon ehe ihm die Superintendentur übertragen ward, hatte er drei an seiner Seite arbeitenden Collegen die Ordination erteilt und 1876 die Verhandlungen mit dem capischen Civilcommissar Palgrave geleitet, welcher das Namaland gleichwie Hereroland der Capregierung gern unterstellt hätte; allein mit diesem Plan drangen sie nicht durch. Die Nama wollten freie Leute bleiben.
Im J. 1877 verlegte K. seiner Frau zu Liebe seinen Wohnsitz nach Stellenbosch. Sie hatte schon 1867 etliche Kinder des Missionars Kraft, der Wittwer geworden war, zur Erziehung angenommen. Diese bedurften besserer Schulung, als das Inland sie darbot. Ihnen selbst blieben Nachkommen versagt, nicht aber ein Theil des Erbes von ihrem entschlafenen Bruder. Dieser hatte seinen Besitz der rheinischen Mission zur Errichtung eines Töchterinstituts überlassen. K. selbst war es darum zu thun, das Alte Testament noch in das Nama zu übertragen. Er ruhte nicht, bis seine Lieblingsaufgabe gegen Ende der 80er Jahre vollendet war. Zum Druck ist das Alte Testament gleichwohl nicht gekommen. Die weite Entfernung des Caplandes von der Colonie machte es unmöglich, einen Revisor zu bekommen, zumal in jener Zeit von 1880–94, in welcher keiner seiner Collegen wegen anhaltender Kämpfe der schwarzen und der braunen Rasse den Posten verlassen durfte. Anno 1882 ging K. zwar, von seiner Behörde beauftragt, nochmals ins Land zurück, um für den Frieden zu wirken. Seine Bemühungen hatten übrigens nur momentan einen Erfolg. – In den 60er Jahren schätzte K. die Zahl der Namaredenden auf 40–50 000 Seelen. Dreißig Jahre später soll sie sich infolge 14jähriger Kämpfe auf weniger als die Hälfte herabgemindert haben. Erst Gouverneur Leutwein machte 1894 durch den Friedensschluß mit H. Witboi den Kämpfen ein Ende. Viele der Eingeborenen verließen das Land und kamen der [397] Mission aus den Augen. Andererseits verlangte die deutsche Colonialregierung, daß in den Schulen neben dem Nama auch Deutsch gelehrt wird, und da die Eingeborenen von jeher keinen großen Werth auf ihre Schriftsprache legten, vielmehr das Holländische bevorzugten, namentlich die Stämme, die im Laufe des 19. Jahrhunderts eingewandert sind, erachteten die Leiter und Kenner der Verhältnisse es nicht mehr für nothwendig, den Druck des Alten Testaments zu bewerkstelligen. Man legte mehr Werth auf geeignete kleinere Schriften im Nama, die fühlbarem Mangel abhelfen sollten.
Inzwischen fand Missionar K. Arbeit, indem er sich bemühte, Deutsche, die außerhalb der Capstadt wohnten, in dem reizend gelegenen Orte Wynberg um sich zu sammeln. Sie lösten sich von der St. Martinsgemeinde, so weit sie ihr angehörten, ab und gründeten ein eigenes Kirchspiel, dessen Pastor K. blieb, bis er im Februar 1892 nach kurzem Krankenlager zu großem Schmerz seiner Gattin und Gemeinde an Lungenentzündung verschied.
Etwa vier Jahre vor seinem Heimgang hatte er noch die Genugthuung, daß sein Freund Dr. Büttner in Berlin sein „Nama-Deutsches Wörterbuch“ herausgab. Damit hat er seinen Collegen und den Freunden der Namasprache den besten Liebesdienst erwiesen.