ADB:Konrad (Dichter des Rolandsliedes)
Heinrichs des Stolzen von Baiern, dessen Hofcaplan er vielleicht war, und seiner Gemahlin Gertrud, der Tochter Kaiser Lothars, zwischen 1127 und 1139, wahrscheinlich 1131, zu Regensburg die altfranzösische Chanson de Roland, nachdem er sie zunächst, wie er selbst angiebt, ins Lateinische umgesetzt hatte, in deutsche Verse. Der verlorene Text der Chanson, welchen er benutzte, muß unter den noch erhaltenen Manuscripten dem Oxforder und Venezianer am nächsten gestanden haben. Mangelhafte Kunde der französischen Sprache verleitete K. zu manchen Mißverständnissen; die zahlreichen Widersprüche seiner Quelle bemerkte er so wenig, daß er sie sogar durch neue vermehrte; Naturgefühl ging ihm gänzlich ab, und statt der vielfachen und verschiedenen Motive, von welchen in der Vorlage die Handlungen der Helden bestimmt werden, patriotische Gesinnung, Frauenliebe, religiöse Begeisterung, schob er die letztere als die einzige Triebfeder Karls und seiner Paladine in den Vordergrund. So wird unter den Händen des Umdichters aus dem epischen Stoffe eine Legende, welche Abtötung des Fleisches in demselben Sinne und mit denselben Formeln predigt, wie es die geistlichen Dichtungen der vorhergehenden Zeit gethan hatten. Feindseligkeit gegen die volksmäßige Poesie und ihre Vertreter schimmert überall durch, obwol K. ihre Redewendungen für die Kampfschilderungen zu verwerthen nicht verschmähte. In diesem Betrachte bewegt er sich ganz auf gleichem Boden mit seinem Zeitgenossen, dem Verfasser der Kaiserchronik, welchem er auch insofern ähnelt, als er wie dieser von bairischem Localpatriotismus erfüllt ist. Trotzdem also Konrads Werk weit hinter dem Originale zurückbleibt, nimmt es in der deutschen Litteraturgeschichte einen hervorragenden Rang ein. Denn K. und der Pfaffe Lamprecht sind, so viel wir wissen, nicht nur die ersten deutschen Geistlichen, sondern überhaupt die ersten Deutschen, welche den folgenreichen Schritt unternahmen, umfängliche romanische Gedichte durch Nachbildungen in Deutschland bekannt zu machen und dem in den Kreuzzügen erweiterten geistigen Horizonte ihrer Stammesgenossen neue und durch die Ausblicke, welche sie eröffneten, interessante Stoffe zuzuführen: beide zwar in sehr verschiedener Weise aber mit gleichem Erfolge. Daß Konrads Werk sich Anerkennung verschaffte, beweist die Zahl der Handschriften und Handschriftenfragmente (dessen ungeachtet ist unsere Ueberlieferung keine lückenlose), beweisen ferner die Ueberarbeitungen, denen es unterzogen wurde: die eine am Niederrhein um die Wende des 12. und 13. Jahrhunderts, welche dann hundert Jahre später Aufnahme in eine Compilation, die insgemein [639] als Karlmeinet bezeichnet wird, fand, die andere um 1230 in Oesterreich durch den Stricker.
Konrad: der Pfaffe K. übertrug auf Wunsch Herzog- Ruolandes Liet von Wilhelm Grimm, Göttingen 1838. Das Rolandslied, herausgegeben von Karl Bartsch, Leipzig 1874. Bruchstücke einer neuen Handschrift in der Zeitschrift für deutsche Philologie, 10, 485 ff. – Scherer in der Zeitschrift für deutsches Alterthum, 18, 298 ff. Schröder ebend. 27, 70 ff. Sijmons in den Taalkundige Bijdragen 1 (Haarlem 1877), S. 300 ff. Wald, Ueber Konrad, den Dichter des deutschen Rolandsliedes, Wandsbeck 1879. – Karlmeinet zum ersten Male herausgegeben von A. v. Keller, Stuttgart 1858. Bartsch, Ueber Karlmeinet (Nürnberg 1861), S. 87–208. Karl der Große von dem Stricker herausgegeben von K. Bartsch, Quedlinburg und Leipzig 1857.