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ADB:Kirstenius, Petrus

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Artikel „Kirstenius, Petrus“ von Adolf Schimmelpfennig in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 34–35, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kirstenius,_Petrus&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 04:22 Uhr UTC)
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Kirstenius: Petrus K., philos. et med. Dr., königlich schwedischer Leibarzt und Professor der Medicin in Upsala, der größte Orientalist seiner Zeit, war der Sohn eines reichen Kaufmanns in Breslau und am 25 Decbr. 1577 geboren. Nachdem er auf dem Elisabethanum die Anfangsgründe des Lateinischen gelernt hatte, wurde er nach des Vaters Tode von seinen Verwandten 1589 nach Posen gethan, um dort die für seinen künftigen Beruf als Kaufmann wichtige und nützliche polnische Sprache gründlich zu erlernen. Nach anderthalbjährigem Aufenthalte in Posen kam er 1591 nach Breslau zurück, aber nicht um Kaufmann zu werden, sondern um auf dem Elisabethan die abgebrochenen Studien wieder aufzunehmen und sich der Wissenschaft zu widmen. Mit tüchtigen Kenntnissen im Lateinischen, Griechischen und Hebräischen bezog er 1596 die Universität Leipzig, studirte dort und in Jena, wo er im Februar 1599 Magister wurde, durch 4 Jahre Theologie und Medicin und trat im August 1600 die damals herkömmliche wissenschaftliche Reise an, auf welcher er zunächst in Basel längern Aufenthalt nahm, um sich dort den 29. August 1601 durch Vertheidigung seiner Dissertation über die Pest das Doctorat der Medicin zu erwerben. Die Schriften des Avicenna, die nur in sehr fehlerhaften und ungenügenden Uebersetzungen bekannt waren, hatten in ihm schon längst den Wunsch erregt, das in Europa damals fast völlig unbekannte Arabisch zu lernen, und Scaliger und Casaubonus, die er deßwegen zu Rathe gezogen, hatten ihn in diesem Vorhaben bestärkt. Auf seiner großen Reise, die ihn nach Italien, Spanien, Frankreich, England, Belgien, Böhmen und Polen führte, lernte er nun nicht blos die Sprachen aller dieser Völker, sondern fand auch Gelegenheit, sich das ersehnte Arabisch vollständig anzueignen, wobei ihm seine gründliche Kenntniß des Hebräischen und Syrischen, welches er auf der Universität eifrig getrieben, nicht wenig zu Statten kam. Wo und von wem er das Arabische gelernt hat, sagt er nirgends, und auch seine Biographien schweigen darüber; einzelne Stellen der ihm gewidmeten Gedichte lassen vermuthen, daß in Italien oder Spanien ein geborener Orientale sein Lehrer geworden ist, auch erwähnt er selber einmal beiläufig seinen praeceptor Arabs. Nach siebenjähriger Abwesenheit kehrte er, nachdem er sich zuvor am 31. Octbr. 1603 mit Barbara Schröter in Jena verheirathet hatte, in seine Vaterstadt zurück und ließ sich in ihr als Arzt nieder. Doch K. wollte das Arabische nicht blos für sich allein gelernt haben, sondern auch andern mit seiner Kenntniß desselben dienen. Daß er sich Alles erst selber schaffen mußte, schreckte ihn nicht ab. Er zeichnete arabische Typen, ließ sie unter seiner Aufsicht auf eigene Kosten schneiden und gießen und gab 1608 wieder auf eigene Kosten das erste Buch seiner arabischen Grammatik, die Orthographie und Prosodie enthaltend, 105 Seiten Folio, heraus, der erste arabische Druck, der in Deutschland hergestellt wurde und typographisch an Deutlichkeit und Schönheit Nichts zu wünschen übrig läßt. 1610 [35] erschien alsdann das zweite Buch der Grammatik, die Etymologie, 41 Seiten Folio und in demselben Jahre auch noch das dritte, die Syntax, 38 Seiten Folio, während 1609 auch das 2. Buch „de canone canonis a filio Sina (Avicenna) ex Asiatico et Africano Manuscripto Caes. arabice editus et ad verbum in latinum translatus notisque illustratus“, 132 Seiten Folio von ihm herausgegeben worden war. Der Ruf dieser Arbeiten erscholl in alle Lande, und seine Vaterstadt Breslau glaubte ihren berühmten Sohn nicht besser ehren zu können, als daß sie ihn 1610 zum Rector des Elisabethans und Inspector sämmtlicher Breslauer Schulen berief. Diese Wahl scheint nicht zum besten ausgefallen zu sein. In einem gleichzeitigen Rathsprotokoll findet sich die spöttische Bemerkung: De Kirstenio Rectore quidam ita: Dic, quaeso, a medico quando curata schola est? Der Schularbeit überdrüssig, legte K. nach einer längeren Krankheit 1616 sein Amt nieder. Dürfen wir aus den bei Einführung seines Nachfolgers Thomas Sagittarius gehaltenen Reden auf Kirsten’s Amtsführung einen Schluß ziehen, so hat er die Disciplin aufrecht zu halten nicht verstanden. Der neue Rector sprach de concordia collegarum fovenda und der Pastor Zacharias Herrmann de Rectoris ornamento et scholarum incremento. Nach Niederlegung seines Rectorats nahm K. als Stadtphysikus seine ärztliche Praxis wieder auf. Die ihm angebotene Leibarztstelle bei dem Erzherzog Karl von Oesterreich lehnte er ab, ebenso scheiterten spätere Versuche, ihn für den Kaiser Ferdinand II. zu gewinnen. Die Schrecken des dreißigjährigen Krieges vertrieben ihn zuletzt aus der Vaterstadt, an welcher er mit ganzem Herzen hing. 1634 scheint er Breslau verlassen zu haben. In Preußen, wohin er sich begeben hatte, machte er die Bekanntschaft des schwedischen Kanzlers Oxenstierna, der ihn 1635 oder 1636 mit nach Schweden nahm, wo K. als königlicher Leibarzt und Professor der Medicin in Upsala noch vier Jahre bis zu seinem am 5. April 1640 erfolgten Tode segensreich gewirkt hat. Seine Hauptschriften fallen in die Zeit von 1608–1611. Außer den oben angeführten sind noch zu nennen: „Decas sacra canticorum et carminum Arabicorum“, Breslae 1608; „Vitae evangelistorum IV ex Arabico codice manuscr. Caesareo erutae“, Breslae 1608. fol., ferner „Notae in evangelium S. Matthaei ex collatione textuum Arabic., Syriac., Aegyptiac., Graec. et latinorum“ und „Notae in epistolam S. Judae“, beide 1611 in Breslau erschienen. Als Arzt hat er außer seinen Baseler Promotionsschriften nur ein kleines Büchlein in Octav „Trewe Warnung von rechtem Gebrauch vnd Mißbrauch der Artzney“ geschrieben und „allen trewhertzigen Menschen, so ihre Gesundheit, wann sie gegenwärtig, zu erhalten, oder wann dieselbe verlohren, durch Gottes Segen zurecht zu bringen begehren“ gewidmet, Breslau 1610. Mit Vorrede der löblichen Facultät der Medicorum in Leipzig, 127 Seiten.

Die auf Kirstenius’ Leben bezüglichen Daten sind der Vorrede zu seiner arabischen Grammatik und den ihn gewidmeten Gelegenheitsschriften entnommen. Die auf ihn in Upsala gehaltene Gedächtnißrede bei Witten, Memoriae medicorum clariss. Decas I. p. 112–124.