ADB:Kirchmayr, Georg
[18] Thätigkeit erübrigten. Er brachte alle wichtigeren Urkunden in getreuen Abschriften in zwei Foliobänden zusammen, jeden bei 500 Blätter stark, von denen der erste heute noch der „Kirchmair“ genannt wird. Die besseren Zeiten, welche nach dem Ableben des Propstes Augustin (1527) eintraten, der sichtliche Aufschwung in materieller und geistiger Beziehung, den das Stift nahm, vetschönerten Kirchmayr’s Lebensabend um so mehr, da er das Bewußtsein in sich trug, dazu nach seinen besten Kräften beigetragen zu haben. Als seine abnehmenden Kräfte die ganze Last des Amtes nicht mehr zu ertragen vermochten, fand er an seinem Sohne einen getreuen Gehülfen, bis er endlich 1554 aus dem Leben schied. Das Stift ehrte das Andenken an K. durch die freiwillig eingegangene Verpflichtung, jedem seiner Nachkommen, der Priester würde, den „titulus mensae“ zu gewähren. Mehr als diese Bestimmung sicherten ihm einen bleibenden Namen die Denkwürdigkeiten seiner Zeit, die er seit 1519 niederzuschreiben begann. Sie umfassen die Jahre vom ersten Auftreten Maximilians I. in den Niederlanden bis zum Ende des J. 1553 und bringen mehr oder minder ausführliche Mittheilungen über alle bedeutenderen europäischen Ereignisse, an denen die beiden Kaiser Max und Karl Antheil nahmen. Eine Stelle gegen Ende seines Werkes belehrt uns, daß ihn nur der Tod an der weiteren Fortführung desselben gehindert hat. Den ersten Theil, etwa bis zum Regierungsantritte Karls V. schrieb er natürlich erst lange nach Ablauf der geschilderten Ereignisse; die weiteren Mittheilungen aber hat er immer gleich unmittelbar, nachdem er von den Vorgängen Kunde erhalten hatte, aufgezeichnet. Am unterrichtetsten zeigt er sich natürlich in der Geschichte seines Heimathlandes Tirol, für das er als eine Quelle ersten Ranges zu betrachten ist. Ueberall erkennt man den wahrheitsliebenden, freimüthigen Mann, dem das Wohl seines Vaterlandes, das Gedeihen seines Stiftes, die Erfüllung seiner Pflicht über alles geht. Seine Sprache – es ist die deutsche Muttersprache – und seine Darstellungsart sind einfach und treuherzig, gewinnen aber häufig durch die Theilnahme des Schreibers an den geschilderten Begebenheiten und Personen eine ungewöhnliche Lebendigkeit und Wärme. Vor dem Bauernkriege in scharfer Opposition gegen Adel und Geistlichkeit wurde K. später ein eifriger Streiter für die alte Ordnung in Staat und Kirche, obgleich ihn auch jetzt noch die grenzenlose Verweltlichung der Priesterschaft mit tiefem Kummer und Unmuth erfüllt.
Kirchmayr: Georg K., tirolischer Geschichtschreiber, geboren wahrscheinlich 1481 zu Ragen, † 1554 in Neustift. Seine Vorfahren waren Maier, Wirthschafter oder Verwalter des Klosters Neustift (in Tirol bei Brixen) in Ragen, einem alten Freigut bei Bruneck, welches sie später käuflich erwarben und nach dem sie sich Kirchmayr zu Ragen nannten. Seitdem führten sie ein eigenes Wappen und kamen im Kloster- und Bischofsdienst empor. K. war der Sohn des Christian K. zu Ragen aus dessen erster Ehe mit Anna Gotfried. Seine erste Erziehung erhielt er im väterlichen Hause; später kam er nach Brixen, wo damals eine Art Vorbereitungsschule für den tirolischen Adel unter der Oberleitung des Nicolaus v. Cusa bestand. Von seinen weiteren Erlebnissen bis 1517 wissen wir nichts. In dem genannten Jahre erscheint er bereits verehelicht und als Oekonomieverwalter des Klosters Neustift zu Brunecken. 1519 berief ihn der neuerwählte Propst Augustin Bosch als Hofrichter in das Stift. In seinem neuen Amte hatte er viele trübe Tage und harte Bedrängnisse zu erleben. Nachdem eine Reihe Elementarunfälle dem Stifte großen Schaden gethan, drohte der Bauernaufruhr, der im Frühjahr 1525 ausbrach, dasselbe an den Rand des Verderbens zu bringen. Am 12. Mai zog eine Rotte von Bauern vor das Stift und verlangte 5000 fl., und als ihnen K., der sie zu beschwichtigen versuchte, erklärte, so viel sei nicht vorhanden, da entfernten sie sich unter Drohungen. Aber schon gegen Abend kehrten sie wieder zurück und drangen mit Gewalt in alle Räume des Klosters, alles durchsuchend. Indessen fanden sie die gehofften Schätze nicht, da K. mit den wenigen Klosterangehörigen, die sich noch nicht geflüchtet hatten, in der Zwischenzeit alle Kostbarkeiten verborgen hatte; und auch die Urbarbücher, auf deren Vernichtung es die Bauern besonders abgesehen hatten, wußte er durch eine List völlig unversehrt zu erhalten, so daß man dieselben leicht wieder vollkommen herstellen konnte. – Damit, wie mit der Ordnung des Stiftes überhaupt, beschäftigte sich K. in den folgenden ruhigeren Zeiten vorzüglich in den freien Stunden, die ihm nach seiner gewöhnlichen amtlichen- Kirchmayr’s Denkwürdigkeiten wurden herausgegeben von Karajan in d. Fontes rer. Austriacarum, 1. Abth., 1. Bd. Vgl. J. Egger, Die ältesten Geschichtschreiber, Geographen und Alterthumsforscher Tirols (Progr. d. O. R. Schule zu Innsbruck, 1858). Ein schönes litterarisches Denkmal hat ihm A. Wolf in den Geschichtlichen Bildern aus Oesterreich, 1. Bd. S. 35 ff. gesetzt.