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ADB:Kindermann, August

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Artikel „Kindermann, August“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 516–518, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kindermann,_August&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:28 Uhr UTC)
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Kindermann *): August K., Opernsänger, geboren am 6. Februar 1817 in Potsdam, † am 6. März 1891 in München. K. wurde als Sohn eines armen Webers geboren und von diesem für die Laufbahn eines Buchhändlers bestimmt. Da er eine schöne Stimme besaß, wurde er schon im Alter von 15 Jahren in den Chorverband des Berliner kgl. Opernhauses aufgenommen. Am 6. September 1837 sang er seine erste Soloparthie, den Kampfrichter in [517] Spontini’s Oper „Agnes von Hohenstaufen“, die ihm der Componist im Vertrauen auf seinen wundervollen Baß anvertraut hatte. Trotz dieser Auszeichnung konnte er in Folge von allerlei Intriguen in Berlin nicht vorwärts kommen. Er entschloß sich daher im J. 1839, ein Engagement als zweiter Bassist am Leipziger Stadttheater, das damals unter der Direction Ringelhardt’s stand, anzunehmen. In Leipzig erfreute er sich sehr bald der allgemeinen Gunst des Publicums. Auch gestalteten sich seine persönlichen Beziehungen auf das angenehmste. Er trat in regen Verkehr mit Albert Lortzing, Robert Blum und Karl Herloßsohn und fand in der Pianistin Magdalena Hofmann seine Lebensgefährtin, die ihm, dem Autodidakten, für die Einstudirung seiner Rollen die werthvollsten Dienste leistete. Lortzing, in dessen Baritonrollen er sich besonders auszeichnete, schrieb für ihn die Titelrolle seiner Oper „Hans Sachs“ und den Grafen Eberhard im „Wildschütz“. Im J. 1846 beabsichtige K. nach Wien überzusiedeln, um dort neben Josef Staudigl als erster Baritonist an der von Pokorny begründeten Oper im Theater an der Wien zu wirken. Ehe jedoch dieser Plan zur Ausführung kam, veranlaßte ihn der Münchener Hofcapellmeister Franz Lachner zu einem Gastspiel in München, das solchen Erfolg hatte, daß K. am 1. August ein ihn für sein ganzes weiteres Leben fesselndes Engagement am Münchener Hoftheater antreten konnte. Anfangs noch durch die Concurrenz mit Julius Pellagrini, der erst im J. 1854 ausschied, in seiner künstlerischen Stellung behindert, sang sich K. von Jahr zu Jahr mehr in die Gunst des Münchener Publicums hinein, als dessen unbestrittener Liebling er sich bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand, der erst im J. 1887 erfolgte, zu behaupten wußte. Er konnte jeder Zeit auf Beifall rechnen, wußte aber auch alles, was er anpackte, in jeder Beziehung genial und selbständig auszugestalten. Er war ebenso vollendet im Spiel, wie im Gesang und zeichnete sich durch eine immer deutliche Aussprache aus. Dabei hatte er das Glück, daß seine Stimme, die sich sowohl für Baß- als für Baritonparthieen gleichmäßig eignete, bis ins hohe Alter nicht versagte. K. besaß eine kaum erschütterliche Gesundheit und war fast immer am Platze, wenn er gebraucht wurde. Vortrefflich in ernsten und tragischen Parthieen, gab er sein Bestes da, wo er seine feine Komik walten lassen konnte, z. B. als Waffenschmied, eine Rolle, in der er jedem, der ihn gesehen hat, unvergessen bleiben wird. Nach innerster Ueberzeugung ein Anhänger der classischen und romantischen Richtung in der Musik, gleich ausgezeichnet in Mozart’schen Rollen, z. B. als Figaro, wie in Marschner’s schwermüthigen Parthieen als Templer, Vampyr und Hans Heiling, war er doch bereit, seine Kräfte auch in den Dienst der Wagner’schen Bestrebungen zu stellen. Noch im Alter konnte er den Landgrafen im Tannhäuser und den König Heinrich im Lohengrin zu seinen besten Leistungen zählen. Bei den ersten Münchener Aufführungen des Rheingoldes und der Walküre in den Jahren 1869 und 1870 war er der Vertreter des Wotan, bei der ersten Aufführung des Parsifal in Bayreuth im J. 1882 gab er den Titurel und als Angelo Neumann Anfangs der achtziger Jahre die Berliner mit dem Wagner’schen Nibelungenring bekannt machte, sang K. noch neben seiner inzwischen berühmt gewordenen Tochter Hedwig Reicher-Kindermann († 1883), die sein Talent und die Macht seiner Stimme geerbt hatte. Schon längst zum kgl. Kammersänger ernannt, wurde er mit dem Titel eines Ehrenmitgliedes der Münchener Hofbühne in den wohlverdienten Ruhestand entlassen.

E. Kneschke, Zur Geschichte des Theaters und der Musik in Leipzig. Leipzig 1864, S. 123, 135. – Frz. Grandaur, Chronik des kgl. Hof- und National-Theaters in München. München 1878 (Register). – O. J. Bierbaum, [518] Fünfundzwanzig Jahre Münchener Hoftheatergeschichte. München 1892, Nr. 43. – Illustrirte Zeitung, Leipzig 1882, Bd. 78, S. 131; Bd. 79, S. 179. – G. R. Kruse, Albert Lortzing. Berlin 1899, S. 64, 65. – Neuer Theater-Almanach. Hrsg. von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger, 3. Jahrg. Berlin 1892, S. 88, 89. – Deutscher Bühnen-Almanach. 56. Jahrg. Hrsg. von Th. Entsch. Berlin 1892, S. 324, 325. – L. Eisenberg’s Großes Biographisches Lexikon im XIX. Jahrhundert. Leipzig 1903, S. 507.

[516] *) Zu S. 146.