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ADB:Kalisch, David

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Artikel „Kalisch, David“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 23–24, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kalisch,_David&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:04 Uhr UTC)
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Band 15 (1882), S. 23–24 (Quelle).
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Kalisch: David K., Humorist, der „Vater der Berliner Posse“ und der Begründer des Kladderadatsch, geb. am 23. Febr. 1820 zu Breslau, † am 21. August 1872 zu Berlin. Dem Schooße einer gebildeten Familie entstammend, besuchte K., bei dem sich schon in der Jugend ein humoristisches Talent geltend machte, bis 1827 verschiedene Gymnasien, wurde aber in diesem Jahre durch den Tod seines Vaters und die damit eintretende Nothlage seiner Familie gezwungen, seine Studienpläne aufzugeben und als Lehrling in ein Möbel- und Bijouteriegeschäft einzutreten. Nach anderthalbjähriger Lehrzeit übertrug ihm sein Prinzipal die selbständige Leitung der Geschäftsfiliale in Ratibor, wo sich K. bald zum Mittelpunkt eines lustigen und geistig angeregten Kreises machte. 1843 kehrte er nach Breslau zurück, fand aber hier doch zu wenig Befriedigung, um dauernd auszuhalten und wandte sich deshalb im October 1844 nach Paris. Die vielseitigen Eindrücke der Weltstadt nahmen ihn völlig gefangen. Bald sah er sich im Verkehr mit Herwegh, Marx, Karl Grün, dem geistvollen Proudhon u. A., ohne in der Fülle der Erlebnisse an seine Zukunft zu denken. So war er denn plötzlich ohne Mittel und mußte auf die verschiedenste Art suchen sich sein Brod zu erwerben. Heine unterstützte ihn eine Zeit lang, dann aber ging K. mit einer Empfehlung Proudhon’s nach Straßburg und wurde Buchhalter und deutsch-französischer Correspondent in einer großen Seidenhandlung. Als sich das Engagement bald wieder zerschlug, wandte sich K. nach Frankfurt a. M., von hier mit einem Buchhändler nach Leipzig und machte dort seine ersten [24] Versuche als Possenschriftsteller („Die Proletarier“, „Auf der Eisenbahn“) und veröffentlichte im „Charivari“ ein Gedicht, welches Heine zugeschrieben wurde. Aber nicht Leipzig, sondern Berlin war der Ort, wo Kalisch’s Talente zur Geltung gelangen sollten. 1846 kam er in die preußische Hauptstadt und zwar als Commis eines Speditionsgeschäftes. Nach einiger Zeit gab er indessen die kaufmännische Stellung auf, um sich ganz der Litteratur zu widmen. In Schöneberg kam zum ersten Mal sein lustiger kleiner Schwank „Ein Billet von Jenny Lind“ zur Aufführung, gefiel und machte die Berliner zuerst auf K. aufmerksam. Bald darauf wurde im alten Königstädter Theater „Herr Karoline“ von ihm gegeben und am 23. Dec. 1847 errang seine erste große Posse „Einmal hunderttausend Thaler“ auf eben dieser Bühne den durchschlagendsten Erfolg. Das Berliner Leben war darin trefflich geschildert und durch die gänzlich neue Art der Benutzung des Couplets ein ungewöhnlicher Anziehungspunkt geschaffen. Jener Posse folgten „Berlin bei Nacht“ und „Junger Zunder, alter Plunder“. Durch seine Beziehungen zu der humoristischen Gesellschaft „Rütli“, die eine von und für Mitglieder des Vereins geschriebene Zeitung edirte, kam K. auf die Idee ein Witzblatt zu begründen und so entstand 1848 der „Kladderadatsch“, für dessen Nummern K. zwar von dem Buchhändler A. Hofmann je 1 Friedrichsd’or erhalten sollte, aber selbst für die Kosten aufkommen mußte. Verfolgt, unterdrückt, zur Auswanderung nach Leipzig, Dessau und Neustadt-Eberswalde gezwungen, rang sich das geistvolle Witzblatt doch durch und erhielt dann in Ernst Dohm, der mit Rud. Löwenstein und Wilh. Scholz, Kalisch’s erster Mitarbeiter gewesen war, den Redacteur und glücklichen Erweiterer des ursprünglichen Planes. Die noch heute wirksame Figur des „Zwickauers“ stammt aus der Posse „Einmal hunderttausend Thaler“ von K., dem auch die beiden stehenden komischen Figuren Müller und Schulze ihren Namen verdanken. An den Kladderadatsch schlossen sich andere von K. besorgte Unternehmungen an, so der „Kladderadatsch-Kalender“, „Kladderatsch zur Industrie-Ausstellung in London“ und „Schulze und Müller’s Reisen“. Auch wandte sich K. nun wieder der Bühne zu und schrieb zunächst für das Friedrichstädtische, dann fürs Wallnertheater eine Reihe von Possen, die mit geradezu unerhörtem Beifall aufgenommen wurden. Von Helmerding, Reusche, Neumann, von der Schramm, Wollrabe und Stolle verkörpert übten seine dramatischen Hervorbringungen eine zündende Wirkung auf Berlin. Wenn auch großentheils die Handlung der Stücke von seinen Mitarbeitern herrührte, so war doch er der Schöpfer all der heitern Scenen, der treffenden Witze und derjenige, der alle Figuren individualisirte; es ist ohne Zweifel richtig, daß die Berliner Posse nie mehr die Höhe erreicht hat, wie zu Kalisch’s Zeiten. Die bekanntesten von Kalisch’s Possen „Doctor Peschke“, „Ein gebildeter Hausknecht“, „Der Aktienbudicker“, „Aurora in Oel“, „Berlin wird Weltstadt“, „Einer von unsre Leut’“, „Berlin wie es weint und lacht“, „Die Mottenburger“ u. A., sind als „Berliner Volksbühne“ (Berlin 4 Bde., N. A. 1864) und „Lustige Werke“ (ebd. 1870, 5 Bde.) erschienen. Eine Reihe seiner Couplets vereinigte K. unter dem Titel „Berliner Leierkasten“ (ebd. 1857, 5. Aufl. 1862, N. F. 1863 und 1866).