ADB:Junghuhn, Franz
Hermann Burmeister mit Leidenschaft zu betreiben, kam der Conflict zwischen Vater und Sohn zum offenen Ausbruch und für diesen, der von allen Mitteln entblößt war, begann nun eine trübe Zeit, in welcher er ohne Glück sogar dem Schauspielerstande sich zu widmen suchte. Ein Selbstmordversuch, den er im Winter 1827 bei Mansfeld unternahm, schloß dieselbe schneidend ab und er lebte nun wiederum einige Zeit im väterlichen Hause, um 1829 neuerdings eine Universität zur Vollendung seiner Studien zu beziehen. Dieses Mal besuchte er Berlin, welches er aber im Sommer 1830 wieder verlassen mußte, als er einen Commilitonen tödtlich im Zweikampf verwundet hatte. Als Militärchirurg bei einer rheinischen Batterie eingetreten, wurde er nach dem Tode seines Gegners zu 10jähriger Festungshaft verurtheilt, welche er in Ehrenbreitstein abbüßen sollte; aber eine mit großem Talent fingirte Tobsucht verschaffte ihm Milderung der Haft und er entfloh wenige Wochen nach seiner Gefangensetzung 1830 nach Paris, wo er als Zimmermaler oder als Homöopath (die Quellen gehen hier auseinander) sein Leben fristete, um bald eine Stelle als Chirurg in der damals jungen Fremdenlegion zu finden, die er nach Algier begleitete. Von hier 1832 zurückgekehrt und im Begriff nach der Heimath zu reisen, wohin A. v. Humboldt’s Fürsprache ihm die straffreie Rückkehr vermittelt hatte, vernahm er von einer wissenschaftlichen Expedition nach Java, die in Holland ausgerüstet wurde, begab sich sogleich nach Utrecht, machte am 27. December 1834 seine Prüfung als drittklassiger „Officier van Gezondheid“ und wurde dieser Expedition aggregirt. Hiermit war seinen schönen Kräften endlich das Feld eröffnet, das sie in Irrthum und Wirrniß bisher vergebens gesucht hatten, und es beginnt der helle und ehrenvolle Abschnitt seines Lebens. [713] Ueber seine sogleich mit der Abreise aus Europa am 30. Juni 1835 beginnenden Forschungsreisen besitzen wir glücklicherweise fast lückenlos seine eigenen Berichte. „In Holland angekommen“, schreibt er in seinem ersten Werke (s. u.), „benutzte ich um so freudiger die Gelegenheit Europa zu verlassen, als schon in früher Jugend die Begierde in mir entbrannt war, die herrlichen Gefilde Ostindiens zu sehen und ihre Vegetation zu untersuchen: eine Begierde, die nach widerwärtigen Schicksalen, die mich getroffen, nur noch lebhafter hervortrat.“ J. kam am 13. October 1835 in Batavia an, trat 14 Tage darauf im großen Hospital zu Weltevreden ein und wurde im darauffolgenden Februar nach Samarang und von da nach Djokjokarta gesandt. Von Djokjokarta aus trat er im Mai 1836 seine erste javanische Forschungsreise in die Gebirgskette der Südküste bei Rankof an, und im selben Jahre noch besuchte er den Merapi zu zwei verschiedenen Malen, stellte eine Reihe von Messungen seiner Höhen an (das Barometer, welches er sich zu diesem Zwecke selbst anfertigte, hat er auf S. 114 seiner Topographischen und naturwissenschaftlichen Reisen, 1845, beschrieben; trotz des primitiven Charakters dieses Instrumentes zeichneten sich schon diese ersten Messungen durch erhebliche Genauigkeit aus) und gab eine Schilderung seiner Naturverhältnisse, besonders des Pflanzenwuchses, sowie eine Chronologie seiner Ausbrüche, mit einer Genauigkeit und Vollständigkeit, deren in jener Zeit sich wenige Gebirgsbeschreibungen rühmen konnten. Diese Schilderung des Merapi ist das Muster, nach welchem er später alle hervorragenden Vulkane Java’s beschrieben hat und wie alle seine späteren Beschreibungen zeichnet sich auch diese durch eine seltene Kunst der landschaftlichen Schilderung aus. Kaum nach Weltevreden zurückgekehrt, trat am 11. Juli 1837 J. eine neue Reise durch West-Java in Gemeinschaft mit Dr. Fritze an, auf welcher die Vulkane Patuha, Tankuban-Prahu, Gunong-Guntur, Papandayan, Gelungung und Tjermai bestiegen und untersucht wurden. Fritze hatte die geologischen, J. die botanischen Forschungen übernommen, dieser besorgte auch die Höhenmessungen und Zeichnungen. Die genaue Untersuchung des Kraterses Telaga-Bodas und der dortigen Solfataren, die Bestimmung von Wassertemperaturen, die Wasser-Analysen gehören zu den werthvollsten Früchten dieser Reise. In Gesellschaft desselben Freundes, der sein erster Vorgesetzter und unausgesetzt sein Wohlthäter in diesen schweren ersten Jahren war, bereiste er 1837 und 1838 Ost-Java, immer noch in der Stellung eines „Officier van Gezondheid“, er bestieg den Gunong Lawu, den Wilis, Gunong Tingger und andere, und besuchte die Schlammvulkane von Surabaya, vor Allem aber eine Anzahl von Gipfeln des Gunong Prahu; sein Tagebuch dieser Reise umschließt nicht nur ausführliche Schilderungen allgemeiner geologischer und botanischer Verhältnisse dieser Landschaften, sondern auch eine zusammenfassende Abhandlung über gemessene Temperaturen und Höhen und über den Zusammenhang zwischen Temperatur und Luftdruck. Im folgenden Jahre 1839 untersuchte er in der gleichen Weise die Waldgebirge von Gunong Panggerango, Manellawangie und Gedeh. Aber plötzlich schien die schöne Laufbahn, die sich seinem Forschungstrieb eröffnet hatte, jäh abzuschneiden, als in diesem Jahre Dr. Fritze starb, der allein ihm bisher die Mittel und Muße zu diesen Studienreisen hatte gewähren können. Indessen hatte J. unter Fritze’s Fürsorge noch seine Prüfung als Gesundheitsofficier zweiter Klasse gemacht und war dadurch im Dienste vorgerückt. Aber der Weg in die „Naturkundige Kommission“, wo sein natürlicher Platz war, schien ihm nun für lange, wenn nicht für immer, verschlossen. Das Glück des genialen Menschen verließ ihn indessen nicht. Halb krank, halb unmuthig hatte er sich 1840 nach Djeng auf Sumatra versetzen lassen und machte auf der Fahrt dahin die Bekanntschaft des damaligen Regierungskommissärs, späteren General-Statthalters P. Merkus, der seine Talente schätzen lernte und ihm noch in demselben [714] Jahre die Möglichkeit eröffnete, dieselbe forschende Thätigkeit in Sumatra wieder aufzunehmen, welche er soeben bei seiner Abreise von Java abschließen zu müssen geglaubt hatte. Schon am 27. August 1840 trat er von Tapanuli aus eine Reise nach den Battaländern an und 1841 durchforschte er dieselbe Region wiederholt in gründlicher Weise. Im Juni 1842 wurde er jedoch nach Java zurückberufen, wo seine wissenschaftlichen Bestrebungen und Fähigkeiten sich nach und nach Anerkennung verschafft hatten und wo man ihm nun sowol die Muße wie die Mittel zur Vollendung seiner mit Fritze früher begonnenen Aufnahmen gewährte. Er erforschte von 1842–44 das westliche javanische Hochland mit seinen Riesenvulkanen, 1845 Mitteljava und setzte seinen ebenso breit angelegten wie gründlichen Studien die Krone auf durch die geologische Aufnahme der ganzen Insel in den Jahren 1846–48. Unterdessen wurden seine Arbeiten auch in Europa bekannt. Nach manchen kleineren Mittheilungen meist rein botanischer Natur, erschienen, von Nees v. Esenbeck herausgegeben, 1845 seine vorhin erwähnten „Topographische und Naturwissenschaftliche Reisen durch Java“, welche durch die fein beobachteten und schwungvoll geschilderten Naturbilder Aufsehen erregten. Ein bedeutenderes Werk war aber schon in Vorbereitung, als dieses erschien. Durch einen Erlaß vom 17. Januar 1844 verfügte nämlich der Generalstatthalter von Niederländisch-Indien, daß Junghuhn’s Schilderung der Battaländer in holländischer Sprache in Batavia gedruckt werden sollte. Das Buch erschien in Leyden 1847. Gleichzeitig aber gab im Auftrage Junghuhn’s sein Studienfreund Hermann Burmeister in Halle dasselbe deutsch heraus unter dem Titel: „Die Battaländer auf Sumatra. Im Auftrage Sr. Excellenz des General-Gouverneurs von Niederländisch-Indien, Herrn P. Merkus, in den Jahren 1840 und 1841 untersucht und beschrieben von J. Aus dem holländischen Original übersetzt vom Verfasser. Erster Theil: Chorographie. Zweiter Theil: Völkerkunde“ (Berlin 1847). H. Mahlmann in Berlin leitete diese Ausgabe und zeichnete im Wesentlichen die Uebersichtskarte dazu. Die Specialkarten dagegen, welche einen sehr bedeutenden Fortschritt über die bis dahin nur oberflächliche und äußerliche geographische Kenntniß von Sumatra darstellen, sind genaue Wiedergaben der Junghuhn’schen Originale. Die sprachkundlichen Abschnitte des zweiten Bandes hat Buschmann besorgt. In beiden Bänden zeigt sich J. als ein Meister der geographischen Forschung und Darstellung. In dem ersten der Chorographie gewidmeten Bande hat er, von nebensächlichen Vervollständigungen und Verbesserungen abgesehen, dasjenige geographische Bild dieser merkwürdigen Insel gezeichnet, welches für alle Zeit gewissermaßen den Grundplan für ihre wissenschaftliche Betrachtung abgeben wird. Die scharfe Unterscheidung des sogenannten Centralthales von Sumatra, welches er auf einer Länge von 100 geographischen Meilen als den hervortretendsten einheitlichen Zug in der Oberflächengestalt der Insel verfolgt, die Gruppirung der Bergzüge um und an diese „negative Axe“, ferner die Untersuchung des Zusammenhanges derselben mit dem Gesammtbau Sumatra’s gehören gewiß zu den vortrefflichsten Leistungen jener Zeit in vergleichender Erdkunde. In der Einzelbeschreibung ist eine Menge von interessanten Beobachtungen enthalten, von denen selbstverständlich in einem bis dahin so wenig erforschten Gebiete der größte Werth den Ortsbestimmungen und Höhenmessungen zuzuschreiben ist; aber auch hier glänzt J. durch die Vielseitigkeit seiner Beobachtungen, die besonders auf geologischem und pflanzenphysiognomischem Gebiete (vgl. nur I. 207 seine Schilderung des Sambinur) von erstaunlicher Reichhaltigkeit sind, und durch eine seltene Kunst der Schilderung natürlicher Zustände. In dem zweiten (völkerkundlichen) Bande zeigt sich nicht minder wohlthuend der beherrschende Geist, welcher am größten immer in der denkenden Sonderung und Zusammenfassung großer Thatsachenmassen uns entgegentritt. Seine Art den Typus der Batta’s zu bestimmen, die [715] Fassung dieses Begriffes, seine Untersuchung über die Verwandtschaft dieses Volkes mit anderen Zweigen der malayischen Rasse sind nicht nur wegen ihrer Ergebnisse, sondern auch wegen der Methode, nach der sie angestellt sind, von hohem Interesse. Wir kennen bis auf den heutigen Tag wenig ethnographische Untersuchungen, in denen Scharfsinn und Vorsicht sich zu so glücklichem Vorgehen verbinden, und man wird bei der Beurtheilung nicht der Malayen allein, sondern irgend welcher Völker oder Rassen mit Vortheil auf Junghuhn’s Methoden, Begriffsbestimmungen und Ansichten zurückkommen, wie sie vorzüglich in der Einleitung zu dieser Völkerkunde Mittel-Sumatra’s uns entgegentreten; wie denn auch Untersuchungen, wie sie J. im zweiten Kapitel dieses Buches über Volkszahl und Rückgang der Batta, weiterhin über ihre Wohnsitze und Wohnplätze, ihre Kulturpflanzen und Hausthiere, Sitten, Gesetze etc. anstellt und mittheilt, fast in allen Punkten musterhaft zu nennen sind. Den Preis verdient aber wol das den psychischen Charakter der Batta schildernde 15. Kapitel, in welchem vorzüglich die schwere Aufgabe der Schilderung und Beurtheilung des Charakters dieser Nation auf’s Trefflichste gelöst ist, und der kurz zusammengefaßte „Versuch einer Charakteristik der Völker des ostindischen Archipels“, welcher den Schluß des Ganzen bildet. Alles in Allem ist dieses Buch wol dasjenige, welches Junghuhn’s Geist und Wollen am deutlichsten ausprägt, in diesem Sinne sein eigenstes Werk. In den Auffassungen und Urtheilen von klarem, vorurtheilsfreiem Denken und in den Schilderungen von Kühnheit und Gestaltungskraft zeugend, bekundet es, daß sein Verfasser ein ächter, nämlich ein schöpferischer Forscher sei. Imposanter tritt uns freilich seine dritte größere Arbeit, das eigentliche Werk seines Lebens, entgegen: „Java. Seine Gestalt, Pflanzendecke und innere Bauart“, welches zweifellos am meisten dazu beigetragen hat, Junghuhn’s Namen zu einem der geachtetsten und, wenigstens in seinem Vaterlande und in den Niederlanden, gefeiertsten unter den Namen großer Forscher zu machen. Aber es leidet unter der Größe seines Gegenstandes, der eine Bewältigung nicht zuließ. Dieses Werk erschien zuerst 1849 lieferungsweise in holländischer Sprache, dann aus der zweiten holländischen Auflage durch Junghuhn’s Freund H. J. Haßkarl ins Hochdeutsche übersetzt, 1852–54 in Leipzig in drei Bänden. 110 Bogen füllend, von zahlreichen Karten, Profilen, Situationsskizzen und einem Atlas von 12 farbigen Landschaftsbildern begleitet, stellt sich dieses Werk schon äußerlich als eine der großartigsten geographischen Monographien dar, wie die deutsche Litteratur deren nur wenige aufweist. Aber es ist auch dem Plan und Gehalt nach eines der vollendetsten Werke dieser Art, sei es über europäische oder außereuropäische Gegenden, in der deutschen oder außerdeutschen Litteratur. J. legt in der Einleitung zum ersten Bande und vorzüglich auf S. 41–49 eingehend seine Ziele und Grundgedanken dar. Er sagt dort u. a.: „Da ich mir vorgenommen habe, eine physikalisch-geographische Beschreibung der Insel in ihrem weiteren Umfange zu liefern und den Leser bekannt zu machen sowol mit der äußeren Physiognomie seiner Berge, Thäler und Ebenen, mit dem Landschafts- und Vegetationscharakter in den verschiedenen Regionen, nach den Hauptzügen desselben, als auch mit der inneren Zusammensetzung, dem geologischen Baue der verschiedenen Theile des Landes und seiner Gebirge, so ist es folgerecht, daß ich den Anfang mache mit der äußeren Gestalt. Ich werde mich daher im ersten Abschnitt der ersten Abtheilung bemühen, diese äußere Gestalt der verschiedenen Berge, Ebnen und Thalgehänge zu schildern, welche sie zu dem gemeinsamen Ganzen, das wir Insel Java nennen, vereinigen, nicht bloß ihren platten Umrissen, ihrer horizontalen Ausdehnung, sondern auch ihrer Höhe, ihrer Massenentwickelung nach … da eine Vergleichung zweier so benachbarter und doch so verschieden gebildeter Inseln, wie Java und Sumatra, belehrend ist, so werde ich [716] auch die letztgenannte Insel in unsere Betrachtung ziehen. … Im zweiten Abschnitt wollen wir unsere Aufmerksamkeit der Naturphysiognomie zuwenden, dem oberflächlichen Kleide, das jene Theile des Landes, jene Flächen und Berge tragen, mit deren bloßer Gestalt und Ausdehnung an und für sich, der reinen geometrischen Form, wir uns im ersten Abschnitt bekannt gemacht haben. Wir werden also die Pflanzenwelt kennen lernen ihren Hauptzügen nach, insofern manche Bäume durch ihr häufiges Vorkommen, durch Schönheit oder Eigenthümlichkeit der Form und andere durch Zusammengruppirung aus verschiedenen Arten das äußere Ansehen einer Gegend bedingen; denn außer der Form der Berge ist es das Gewächsreich, die Flora eines Landes, welche die Hauptrolle spielt, um der Physiognomie einer Gegend, dem Landschaftscharakter, ein bestimmtes Gepräge zu verleihen.“ Nach ähnlichem Plane behandelt er in der zweiten Abtheilung die vulkanischen Erscheinungen und die stratigraphische Geologie, um mit einer Schilderung seiner Reisen durch Java zu schließen, der Skizzen zu Grunde liegen, die nach seiner feststehenden Gewohnheit „stets auf frischer That“ entworfen und dadurch doppelt lebhaft und thatsachenreich sind. Es mag nun dieses Werk nicht in allen Theilen gleich vollendet und durch das Fehlen der speciellen Thier- und Pflanzengeographie sogar von Anfang an Stückwerk sein, so wird man es doch hauptsächlich in jenen Abschnitten, welche den Naturcharakter, die Vegetation und die Vulkane behandeln, mit Recht ein klassisches nennen, weil das Interesse und die Richtigkeit vieler Thatsachen, die es mittheilt, sicherlich überlebt werden durch die Auffassung und Darstellung, welche durch das ganze Buch hin waltet. Sollen wir besonders bemerkenswerthe Theile des großen Werkes herausheben, so nennen wir als bezeichnend für die vergleichend erdkundliche Richtung Junghuhn’s den Vergleich zwischen Java und Sumatra und die Erklärung der Quer- und Längsschnitte durch beide Inseln (I. 75 f.), als Zeugniß seiner geistigen Beherrschung eines erdrückenden Stoffes den Abschnitt: „Das Pflanzenreich Java’s vom physiognomischen und physisch-geographischen Gesichtspunkte betrachtet“ (I. 133–483), welcher die ausführlichste pflanzen-physiognomische Schilderung eines Tropenlandes ist, welche wir bis heute besitzen. Die großentheils neuen Kategorien der landschaftlichen Formen des Gewächsreiches, das unablässige Forschen nach ihren natürlichen oder kulturellen Ursachen, die ungemein genauen Bezeichnungen ihrer horizontalen und vertikalen Verbreitung würde auch ohne die Fülle geistvoller Einzelbemerkungen, die ja durch das ganze Buch hin zerstreut sind, diesem Abschnitt immer eine der ersten Stellen unter den Werken auweisen, welche nach Wahlenberg’s und Alexander v. Humboldt’s bahnbrechendem Vorgang die Pflanzengeographie und Pflanzenphysiognomik begründen halfen. In den vulkanologischen Abschnitten bewundert man neben der Sorgfalt der Einzelbeschreibung, welche in der Regel auf ungemein ausgebreitete Selbstbeobachtungen sich stützt, die Fähigkeit gedanklicher Durchdringung, wie sie, um wenige Beispiele zu nennen, in den Bemerkungen über die Längsrippen der Vulkane (II. S. 244), in dem Versuch einer natürlichen Klassifikation der Vulkane nach der Art ihres Krateraufbaues (II. S. 640), in den Abschnitten über Mineralquellen (II. S. 862) und der Geschichte der Erdbeben des malayischen Archipels (II. S. 917) sich glänzend zeigt. Es ist ein hoher Beweis von Selbständigkeit der Forschung und des Denkens, daß J. sich selbst nicht in den früheren Abschnitten seiner Forscherthätigkeit unbedingt der Eruptionstheorie anschloß, die damals fast alle Geologen beherrschte und von so glänzenden Namen wie A. v. Humboldt, L. v. Buch und E. de Beaumont getragen ward. Heben wir endlich im dritten Band, auch hier von dem Reichthum der für die Wissenschaft fast ausnahmslos neuen Thatsachen absehend, die Schilderung der „Zwölf Typen von Land- und Bergbildung“ (S. 30–60), die Studien über Thalbildung und über geologische Veränderungen [717] in der Gegenwart hervor, so sind damit nur einige der für unser Urtheil bedeutendsten Partien genannt und nicht ausgeschlossen, daß Anderen noch manche andere Abschnitte ebenso rühmenswerth, wenn nicht mehr als das, erscheinen mögen: Wie hoch die Fachmänner die einzelnen ihnen näherliegenden Theile des großen Werkes stellten, beweisen Urtheile wie das Grisebach’s, der den pflanzengeographischen Theil rühmt als „eine übersichtliche Analyse tropischer Naturfülle, eine auf systematische Bezeichnung der physiognomisch hervortretenden Bestandtheile gegründete Darstellung der Formationen, zu denen die Flora von Java sich gliedert, reichhaltig und abgeschlossen, wie die Litteratur unter den Quellenschriften der Pflanzengeographie selten ihres Gleichen erzeugt hat“; oder Alex. v. Humboldt’s, der im vierten Bande seines Kosmos, wo er Junghuhn’s Arbeiten in ausgedehnter Weise benützt, von dem „Humboldt Java’s“, wie man ihn genannt hat, sagt: „Ein neues langerwartetes Licht über die geognostische Beschaffenheit von Java ist durch einen kenntnißvollen, kühnen und unermüdet thätigen Naturforscher, Franz Junghuhn, verbreitet worden. Nach einem mehr als 12jährigen Aufenthalte hat er in einem lehrreichen Werke: „Java“ etc. die ganze Naturgeschichte des Landes umfaßt. Ueber 400 Höhen wurden barometrisch mit Sorgfalt gemessen etc.“ Unter neueren Würdigungen Junghuhn’s sei nur auf die Hervorhebung seiner geographischen Verdienste durch F. v. Richthofen in dessen „China“ I. aufmerksam gemacht. Um sich von den Folgen des 13jährigen Aufenthaltes in den Tropen zu erholen und mehr noch, um endlich in Muße und mit den nöthigen Hülfsmitteln versehen, die Ergebnisse seiner Studien zu verarbeiten, reiste J. im August 1848, nachdem er noch im Juni desselben Jahres seine letzte Besteigung eines javanischen Vulkanes, des Gunong Tangkuban, ausgeführt hatte, nach Europa, wo er bis zum J. 1851 blieb. Er hat seine „Rückreise von Java nach Europa“ in holländischer Sprache in einem Büchlein beschrieben, welches 1852 von Haßkarl übersetzt deutsch erschien. Auch in dieser anspruchslosen Erzählung verleugnet sich der scharf beobachtende Naturforscher und der formgewandte Darsteller auf keiner Seite. Das Werkchen gewinnt gerade dadurch ein besonderes Interesse, daß man erkennt, wie Beobachten und Schildern dem natur- und schriftkundigen Mann gleichsam zur Nothwendigkeit geworden war. Ein naturfreudiger Sinn durchweht die Schilderung der ganzen Reise, aber im Schlußwort scheint der Weltwanderer anzudeuten, daß er in jenen Bewegungsjahren weder in Deutschland noch in den Niederlanden (er hatte seinen Studien zu Liebe Leyden zum Aufenthalte gewählt) soviel Freude hatte schöpfen können wie in den Urwäldern und auf den Bergen Java’s, nach denen er sich heiß zurücksehnte. Man sieht mit Rührung, wie die Naturliebe, die die Jugend des Mannes so stürmisch und sein Mannesalter so fruchtbar thätig gemacht hatte, nach so vielen Erfahrungen und Leistungen noch immer der Quell seiner treibenden Gefühle, sein Lebensnerv war. „In meiner Seele“, schrieb er in der Vorrede zu ‚Java‘, „blieb das Bild der Wälder frisch, die dort ewig grünen.“ Er eilte 1852 nach Java zurück. nachdem er sich vorher mit einer Holländerin vermählt hatte. Der Erfolg seines „Java“ hatte ihm reiche äußere Ehren gebracht, und er betrat Javas Boden als ein gefeierter, hochangesehener Mann wieder, den die Regierung in allen wissenschaftlichen Fragen als die größte Autorität berieth. Litterarisch war er nun nur noch in geringem Maße thätig, doch stammen aus dieser Zeit noch einige werthvolle Beiträge zur Geographie Java’s in der Zeitschrift für Allg. Erdkunde 1857 und in den Geographischen Mittheilungen 1860. Dagegen trat er noch einmal in den Vordergrund der Interessen Java’s, als es sich darum handelte, die Cinchonapflanzungen auszudehnen, welche durch Haßkarl angelegt worden waren. Man übertrug ihre Verwaltung 1858 an J., der vielleicht praktisch nicht das Richtigste in ihrer Behandlung traf, [718] jedenfalls sich aber sehr wesentliche Verdienste um diese Acclimatisation erwarb, welche schon heute für Java so werthvolle Früchte getragen hat. Mitten in dieser Arbeit ergriff den Mann von zähem Körper und unverwüstlicher Energie ein tückisches Klimafieber, welchem er am 21. April 1864 auf seinem Landsitze zu Lembang erlag. J. veröffentlichte außer den vier vorstehend angeführten größeren Werken noch „Licht- und Schattenbilder aus den Binnenlanden von Java“ (1866). Seine erste wissenschaftliche Arbeit „Observationes mycologicae“ erschien 1830 in der Linnaea, seine letzte war ein Bericht über die Acclimatisation der chinesischen Indigopflanze auf Java (Nat. Tijdschr. 1868). Dazwischen liegen von wichtigeren Arbeiten seine geographischen Aufsätze über Djeng in den Monatsberichten der Berliner Geschichte für Erdkunde 1841 und 1842, über Gunong Salak in der Flora 1840, über Java’s Naturphysiognomie in Lüdde’s Zeitschrift für Erdkunde und ebendort 1842 und 1847 Beiträge zur Vulkanologie Java’s. Seine ungemein reichen Sammlungen sind noch heute nicht alle bearbeitet, und er hat durch dieselben Dutzenden von Gelehrten Stoff zu Arbeiten gegeben, welche vorzüglich der geologischen und botanischen Kenntniß Java’s und Sumatra’s genützt haben.
Junghuhn: Franz Wilhelm J., einer der hervorragendsten Reisenden, Geographen und Naturforscher unseres Jahrhunderts, geb. den 29. October 1809 zu Mansfeld als Sohn eines Barbiers, genoß den Unterricht verschiedener Lehrer in seinem Heimathsort und sollte nach dem Willen seines Vaters gleichfalls Barbier werden. In dem Knaben zeigten sich jedoch schon frühe hervorragende Fähigkeiten und neben ihnen Eigenthümlichkeiten und auch Fehler des Charakters oder der Erziehung, welche ihn fast nothwendig von diesem Ziel ablenkten und, indem sie seine Jugend zu einer ungewöhnlich stürmischen machten, sein Lebensschifflein mehr als einmal dem Scheitern nahe brachten. Weder die früh zu Tage tretende Kühnheit, welche sich oft zur Wagehalsigkeit steigerte, noch die Neigung zu einsamem Umherschweifen, noch endlich die damit innig verbundene Liebe zur Natur, welche sich früh in der Anlegung von Pflanzensammlungen und im mit Talent geübten Nachzeichnen der Naturgegenstände verrieth, konnten günstige Vorbedingungen zum Eintritt in den prosaischen, dienstbaren Stand des Vaters bieten, der zuletzt unvermeidlich wurde. Gezwungen wie er war, vergalt er Bitterkeit mit Bitterkeit und Zwiste zwischen seinen Eltern trugen dazu bei, ihn in immer schärferen Gegensatz zu seinem nicht minder ungestümen und heftigen Vater zu bringen. Als J. 1826 die Universität Halle bezog und die Barbierkunst vernachlässigte, um die Pflanzenkunde neben anderen Zweigen der Naturgeschichte in Gesellschaft seines Freundes- Die Vorreden und zerstreute persönliche Notizen in den eigenen Schriften. Nekrolog von Karl Müller in „Die Natur“, 1865. Nekrologe in der „Flora“ 1864 und den Geogr. Mittheil. 1865, letztere beide mit Vorsicht zu benutzen. Auf seinem ersten von N. v. Esenbeck herausgegebenen Reisewerke (s. o.) erscheint J. fälschlich mit dem Vornamen Friedrich. Brustbild in Kroon’s Lebenscheets van F. W. J. (Amsterd. 1864.)