ADB:John, Johann
W. N. Freudentheil’s (vgl. Bd. VII S. 356) Leitung bald große Fortschritte machte. Im Anfange des J. 1813 rief ihn der Tod seines Vaters nach Hamburg zurück, wo er nun auf dem Johanneum und sodann auf dem akademischen Gymnasium unter Johann Gurlitt (vgl. Bd. X S. 182 ff.) seine Studien fortsetzte. Im J. 1816 bezog er mit seinem Freunde Otto Ludwig Sigmund Wolters († im J. 1874 als Dr. theol. und Hauptpastor zu St. Catharinen in Hamburg), mit dem er bis zu seinem Tode aufs innigste verbunden blieb, die Universität Göttingen. Der hier bei den Theologen herrschende vulgäre Rationalismus bot ihnen nichts; nur bei Planck fanden sie wissenschaftliche Anregung; außer diesem hörten sie die Philosophen Schulze und Bouterwek. J. hat das Studium der Philosophie seitdem bis an sein Ende eifrig fortgesetzt. Um Michaelis 1817 gingen die Freunde besonders auf Gurlitt’s Rath nach Leipzig, wo sie zum 300jährigen Jubiläum der Reformation eintrafen. Waren die theologischen Vorlesungen hier auch mit wenigen Ausnahmen nicht anziehender als in Göttingen, so war der Gewinn, den die berühmten Philologen G. Hermann und D. Beck brachten, desto größer. J. blieb 1½ Jahre in Leipzig ewährend Wolters schon nach einem halben Jahre sich nach Jena wandte) und hat hernach gern anerkannt, daß er für die Exegese der heiligen Schrift von keinem Theologen so viel gelernt habe als von dem Philologen Hermann. Gegen Ostern 1819 kehrten die Freunde, zwischen denen trotz der Trennung ein fortwährender Verkehr stattgefunden, nach ihrer Vaterstadt zurück. Aber J. hatte nicht sogleich den Muth, sich zum theologischen Examen zu melden; ihn beunruhigten wissenschaftliche Zweifel, um derentwillen er sich für ein geistliches Amt untüchtig hielt. So nahm er zunächst eine Lehrerstelle in Oldesloe an, bei der er Zeit behielt, seine Studien fortzusetzen. Besonders einflußreich wurde hier für ihn der Umgang mit dem als Theologe und als praktischer Geistliche gleich ausgezeichneten reformirten Prediger Geibel[WS 1] in dem benachbarten Lübeck; dieser half ihm dazu, über manches, was ihm bisher unverständlich geblieben war, zur Klarheit zu kommen und führte ihn tiefer in das Verständniß der Schrift hinein. Um Ostern 1820 kehrte J. nach Hamburg zurück und machte darauf im Herbste desselben Jahres das theologische Candidatenexamen, welches er auf eine glänzende Weise bestand. Wie es in Hamburg Sitte war, beschäftigte er sich nun hauptsächlich mit Ertheilung von Privatstunden und Vertretung der Pastoren auf der Kanzel. Seine Predigten zogen bald einen großen Kreis von Zuhörern an, so daß er durch sie einen bedeutenden [490] Einfluß gewann. In einer ausnehmend ansprechenden und geistreichen Weise, die durch eine außerordentliche Beredtsamkeit noch wirksamer wurde, verkündigte er die christlichen Wahrheiten, die damals den meisten völlig unbekannt geworden waren, und trat so in dem Streite zwischen Vernunft und Offenbarung, der um diese Zeit auch in Hamburg alle Gemüther beschäftigte, als ein zwar milder, aber doch entschiedener Vertheidiger der letzteren auf. In demselben Sinne betheiligte sich J. auch vom J. 1821 an bis zum J. 1825, mit welchem Jahre sie zu erscheinen aufhörte, an der Herausgabe einer christlichen Zeitschrift, „der Friedensbote“ genannt; diese Zeitschrift, welche alle 14 Tage in der Stärke eines Bogens in Octav herauskam, hatte den Zweck, „dem wiedererwachenden christlichen Leben durch eine einfache Belehrung über die Heilswahrheiten des Christenthums auf Grund der heiligen Schrift und der Kirchengeschichte zu Hülfe zu kommen.“ J. war einer der thätigsten Mitarbeiter und von ihm rühren eine Reihe der besten und werthvollsten Aufsätze her, wie sein Freund Wolters angibt, namentlich diejenigen, welche sich auf die hohen Feste und deren Bedeutung beziehen; da die Aufsätze John’s wie fast alle im „Friedensboten“ ohne Nennung des Namens des Verfassers erschienen, so läßt sich im Einzelnen nicht mehr sicher nachweisen, welche von ihm geschrieben sind. Je mehr sein Auftreten ihn Angriffen abseiten der Feinde des Evangeliums aussetzte, desto mehr wuchs auch andererseits der Kreis seiner Freunde. Am 28. Januar 1827 ward er zum Prediger (Diakonus) zu St. Petri in Hamburg erwählt und in dieser Stellung blieb er bis zu seinem am 15. Juli 1865 erfolgenden Tode. Als im J. 1834 nach dem Tode des Hauptpastors zu St. Petri, des Seniors Willerding, das Kirchencollegium J. zu dessen Nachfolger wählen wollte, schlug er diese Wahl aus, weil ihm dem in Hamburg geltenden Herkommen gemäß nicht gestattet werden konnte, den Unterricht der Confirmanden in der neuen Stellung beizubehalten. An dem Gesangbuch, welches am 1. Januar 1843 in Hamburg eingeführt ward, hat auch J. als Mitglied der Commission des geistlichen Ministeriums, die mit der Herstellung desselben betraut war, gearbeitet. Seine Hauptwirksamkeit war aber im Confirmandenunterricht und auf der Kanzel. J. ist seit der Zeit des beginnenden Rationalismus wol der einzige Prediger in Hamburg, der stets eine gefüllte Kirche hatte, obwol er niemals zu der den Gemeindegliedern passendsten Zeit, der der sog. Hauptpredigt, und dabei noch alle Vierteljahre zu einer anderen Stunde predigte. Er wandte aber auch auf die Ausarbeitung seiner Predigten den größten Fleiß. Nicht nur wußte er die Früchte seiner anhaltenden und umfassenden Studien, in welchen er außer der heiligen Schrift namentlich die Kirchenväter und die neueren Philosophen durchforschte, für die Predigt zu verwerthen, sondern war auch eifrig darauf bedacht, seinen Gedanken eine ansprechende Form zu geben; er überlegte jeden Ausdruck genau, weil er, wie er sagte, sonst befürchten müßte, seinen Zuhörern langweilig zu werden. Für seinen jährlichen Confirmandenunterricht arbeitete er jedesmal einen neuen Lehrgang aus. Im J. 1852 bei seinem 25jährigen Amtsjubiläum ernannte ihn die theologische Facultät in Göttingen honoris causa zum Doctor der Theologie. In den letzten Jahren seines Lebens litt er an einer schmerzlichen Krankheit, durch welche er gezwungen ward, seinen Umgang und seine Arbeiten immer mehr einzuschränken, bis er dann auch etwa ein Vierteljahr vor seinem Tode alle amtliche Thätigkeit aufgeben mußte. J. lebte in einer glücklichen Ehe, hatte aber keine Kinder; seine Frau überlebte ihn einige Jahre. Außer einigen einzelnen Predigten und den genannten Aufsätzen im „Friedensboten“ und einer kurzen Abhandlung über das Kirchenjahr (in einem hamburgischen Almanach) hat J. nichts eignes drucken lassen; doch hat er ein von seinem Vater verfaßtes und im J. 1800 herausgegebenes Communionbuch überarbeitet und sodann mehrfach in verbesserten und vermehrten [491] Auflagen seit dem J. 1828 erscheinen lassen. Er hatte vor, eine Apologie des christlichen Glaubens zu schreiben und hat sich lange Zeit mit den Vorarbeiten dazu beschäftigt; doch unterblieb die Ausführung in Folge seiner Krankheit. Aus seinem Nachlaß sind eine Abhandlung über die Entstehung und Glaubwürdigkeit der Schriften des neuen Testamentes und zwei Sammlungen Predigten von Herrn Professor Dr. G. R. Röpe herausgegeben.
John: Johann J., wol unbestritten der bedeutendste Prediger Hamburgs in unserem Jahrhunderte, wurde am 22. (nicht am 16.) September 1796 in der damaligen Vorstadt St. Georg bei Hamburg geboren, wo sein gleichnamiger Vater Pastor war. Sein Vater gehörte zu den wenigen, die zu jener Zeit unbeirrt durch die allgemein gepriesene Aufklärung am positiven Christenthum festhielten. In ihm wurde auch unser J. erzogen, strenge vom Vater, milde von der Mutter. Nachdem er in einer Privatschule den ersten Unterricht empfangen, wurde er auf das Gymnasium nach Stade geschickt, wo er unter- Vgl. Hamb. Schriftstellerlexikon, Bd. III S. 500 – In „Neuer illustrirter Almanach auf das Schaltjahr 1868“, Hamburg bei Aug. Meyer und Dieckmann, S. 45–55: Aus dem Leben des sel. Dr. John von Dr. O. L. S. Wolters. (Diese Biographie ist auch abgedruckt in: Lehrpredigten, gehalten von Johann John, herausgegebon von Georg Röpe, Hamburg 1872 S. 263–279.)
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Johannes Geibel (1776-1853), der Vater des Dichters Emanuel Geibel.