ADB:Joachim Ernst (Fürst von Anhalt)
Joachim I. von Brandenburg, welche vorher schon mit dem Herzoge Georg I. von Pommern-Wolgast vermählt gewesen war. Am 20. October 1536 zu Dessau geboren, erhielt er unter den Augen des Vaters seine Erziehung und wissenschaftliche Ausbildung, vornehmlich durch den würdigen und gelehrten M. Andreas Lamprecht, welchem er Zeit seines Lebens ein dankbares Andenken bewahrt hat. Nachdem er die Universität besucht und dann längere Zeit in Küstrin, an dem Hofe seines mütterlichen Oheims, des Markgrafen Johann von Brandenburg, verweilt hatte, ging er auf Reisen und machte im J. 1557 in spanischen Diensten unter dem Grafen Günther von Schwarzburg den Feldzug gegen die Franzosen mit, welcher mit der Schlacht von St. Quentin endete. In diesem Kriege legte er Proben großer persönlicher Tapferkeit ab und ward bei einem Ausfalle aus der Festung Marienburg nur durch die Entschlossenheit des ihm zu Hülfe eilenden Grafen Albrecht von Barby aus äußerster Lebensgefahr gerettet. Nachdem er dann noch der Schlacht von St. Quentin beigewohnt hatte, kehrte er in die Heimath zurück, um bald darauf, da sein älterer Bruder Karl inzwischen kinderlos gestorben war, 1561 in Gemeinschaft mit dem jüngeren Bruder Bernhard VII. die Regierung des väterlichen Erbes zu übernehmen, welches sich alsbald (1562) noch durch den den Brüdern gegen eine mäßige Abfindung überlassenen Landestheil ihres gleichfalls kinderlosen Oheims, des Fürsten Wolfgang, vergrößern sollte. Bis zum 31. October 1563 haben beide Brüder gemeinschaftlich regiert: dann fand zwischen ihnen eine Theilung statt, welche J. E. Bernburg, Köthen, Sandersleben, Freckleben, Hoym, Ballenstedt, Harzgerode und Günthersberge zuwies, wozu 1567 noch Wörlitz und Nienburg hinzukamen. Als dann am 1. März 1570 Bernhard, ohne Leibeserben zu hinterlassen, verschied, vereinigte J. E. das ganze, seit der Mitte des 13. Jahrhunderts getrennte Anhaltische Land unter seiner Verwaltung. Ihn erwartete bei seinem Regierungsantritte keine leichte Aufgabe. Durch die vorhergangenen unruhigen Zeiten des schmalkaldischen Krieges, durch [70] die in Folge wiederholter Theilungen nothwendig gewordenen mehrfachen Hofhaltungen, sowie durch die Leibgedinge, welche den verschiedenen fürstlichen Wittwen ausgezahlt werden mußten, befand sich das Land in keiner beneidenswerthen finanziellen Lage. Aber es gelang dem Fürsten unter Mitwirkung der Landstände einigermaßen dieser Zerrüttung zu steuern und eine bessere Verwaltung anzubahnen. Eine Versammlung der Prälaten, der Ritterschaft und der Städte, welche 1565 in Dessau zusammentrat und welche man wol als den ersten ordentlichen Anhaltischen Landtag bezeichnen kann, bewilligte anstatt einer einmaligen Beihülfe oder Bede, wie sie in solchen Fällen früher gebräuchlich gewesen war, zu allmählicher Abtragung der fürstlichen Schulden die erste regelmäßige Steuer auf zehn Jahr, und die folgenden Landtage von 1572 und 1579, beide gleichfalls zu Dessau gehalten, verlängerten nicht nur diese Steuer, der erstere auf weitere zehn, der letztere auf weitere zwölf Jahre, sondern erhöheten sie auch nicht unbeträchtlich, wogegen J. E. den Ständen auf zwölf Jahr drei Aemter überließ und zugleich versprach, während dieser Zeit weder neue Schulden machen, noch auch neue Steuern fordern zu wollen. So ward eine allmähliche Besserung der finanziellen Verhältnisse des Landes ermöglicht und das Anhaltische Fürstenhaus vor einer ähnlichen Calamität bewahrt, wie sie um dieselbe Zeit manche andere der benachbarten Reichsstände, wie beispielsweise die Grafen von Mansfeld, betraf. Aber der Fürst war auch auf anderen Gebieten unablässig bemüht, nothwendig gewordene Reformen durchzuführen. Durch die 1572 erlassene und von den Ständen bestätigte Landesordnung ward, theilweise nach dem Muster der vom Kaiser Maximilian I. ins Leben gerufenen Reichsordnungen, für das Justiz-, Kirchen- und Polizeiwesen Anhalts eine Grundlage geschaffen, auf welcher sich dann das öffentliche Leben des Landes weiter entwickeln konnte. Die Einrichtung ständiger Gerichte an der Stelle der bisher gebräuchlichen, nur zeitweilig gehegten Landgerichte und Botdinge, die theilweise Einführung des römischen Rechtes und die genauere Abgrenzung des letzteren gegenüber dem früher allgemein gültigen deutschen Landrechte, wie es der Sachsenspiegel codificirt hatte, ermöglichten einen geordneteren und regelmäßigeren Rechtsgang. Zugleich ward die Kirchenverfassung nach den von Luther und Melanchthon in dem benachbarten Sachsen zur Geltung gebrachten Anschauungen und Grundsätzen umgestaltet, ein besonderes Landesconsistorium eingerichtet, die Einsetzung und Berufung der Pfarrherren geregelt und so auf kirchlichem Gebiete eine völlig neue Organisation geschaffen. Und indem J. E. durch diese Umgestaltungen ein Reformator des Staates und der Kirche in seinem Lande wurde, hat er auch nach anderen Richtungen hin für die geistige und materielle Cultur desselben in wahrhaft segensreicher Weise gewirkt. In Bezug auf jene hat er sich durch die Gründung der ersten Gelehrtenschule in Anhalt, des Gymnasiums zu Zerbst, zu dessen Leitung er den gelehrten Gregor Bersman berief, ein unvergängliches Verdienst erworben. Für die Verbesserung und Erleichterung des Verkehrs hat er trotz der Abmahnungen seiner in veralteten Vorurtheilen befangenen Stände und der benachbarten Fürsten in einer Weise sich bemüht, wie sie in jener Zeit nur selten begegnet. Ueber die Mulde legte er eine hölzerne Brücke von neun Joch an, sorgte für die Verbesserung der Landstraßen und brachte im J. 1583 mit für die damalige Zeit sehr bedeutenden Kosten unter der Leitung der aus der italienischen Schweiz stammenden Gebrüder Niuron den großen Brückenbau über die Elbe zwischen Dessau und Roßlau zu Stande. Das herzogliche Schloß zu Dessau hat er durch den Anbau der beiden Flügel vergrößert. Auch dem Aufschwung der für Anhalt so wichtigen Bergwerke hat er eine umfassende Sorgfalt und Pflege gewidmet. Dieser im hohen Grade ersprießlichen Thätigkeit des Fürsten für sein Land entsprach vollkommen das Ansehen, welches er im übrigen Reiche und selbst [71] über dessen Grenzen hinaus genoß. Mit den benachbarten protestantischen Fürsten von Brandenburg, Sachsen und Braunschweig stand er auf dem besten Fuße, und auch der Kaiser Maximilian II. hat ihm mehrfache Beweise einer wohlwollenden und achtungsvollen Gesinnung gegeben. Selbst auswärtige Könige, wie Heinrich III. und IV. von Frankreich, standen mit ihm in lebhaftem freundschaftlichen Verkehre, doch war J. E. weit davon entfernt, sich, wie dies später von Seiten seines zweiten Sohnes Christian zu großem Schaden des Anhaltischen Landes geschah, persönlich in die französischen Wirren zu mischen. J. E. war eine Persönlichkeit, welcher die Uebergangszeit, in der er lebte, ihren unverkennbaren Stempel aufgeprägt hat. In ritterlichen Uebungen wohl erfahren und so gewandt, daß er in den Rennen und Spielen der Zeit nicht selten die ersten Preise davon trug, dabei dem edlen Waidwerk, welchem fast alle Anhaltischen Fürsten gehuldigt haben, leidenschaftlich ergeben, hatte er zugleich eine für jene Zeit eben nicht häufige wissenschaftliche Bildung sich zu eigen gemacht. Der lateinischen Sprache war er nicht blos im schriftlichen Ausdruck, sondern auch in mündlicher Rede mächtig, in der Rechtswissenschaft besaß er gründliche Kenntnisse und in der Geschichte, zumal der vaterländischen, war er wohl bewundert. Auch an den jene Zeit vorzugsweise bewegenden theologischen Fragen nahm er einen warmen Antheil, ohne dabei die milde, versöhnliche Gesinnung zu verleugnen, welche ein Grundzug seines Charakters war. In den bekannten Streitigkeiten über das Abendmahl und die Concordienformel nahm er einen vermittelnden Standpunkt ein und schützte die Theologen seines Landes mit Erfolg vor der Zumuthung, sich der letzteren unbedingt anzuschließen und zu unterwerfen. In Bezug auf den Streit über die Einsetzungsworte des Abendmahls ist von ihm ein Wort überliefert worden, welches seine milde, verständige Gesinnung kennzeichnet. „Der Herr hat befohlen, sagte er, thut das zu meinem Gedächtniß. Wie will mans dann verantworten, daß man darob zanket, gleich als wenn Er gesagt hätte: Zanket und hadert mit einander hierüber?“ Er starb am 6. December 1568 zu Dessau, wo er auch begraben liegt. Aus einer doppelten Ehe, zuerst mit Agnes, der Tochter des Grafen Wolfgang II. von Barby († am 27. November 1569), sodann mit Eleonore, Tochter des Herzogs Christoph von Württemberg, welche ihn überlebte, ist die zahlreiche Nachkommenschaft von 16 Kindern hervorgegangen. Von den Söhnen sind die wichtigsten Johann Georg, welcher die Dessauische, Christian, welcher die jüngere Bernburger, August, welcher die Plötzkauische, Rudolf, welcher die Zerbster und endlich Ludwig, welcher die jüngere Köthener Linie des Anhaltischen Hauses begründet hat.
Joachim Ernst, Fürst von Anhalt, der Stammvater des noch jetzt blühenden herzoglich Anhaltischen Hauses, war der mittlere Sohn des Fürsten Johann II. aus dessen Ehe mit Margaretha, einer Tochter des Kurfürsten