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ADB:Itzstein, Johann Adam

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Artikel „Itzstein, Johann Adam v.“ von Friedrich von Weech in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 649–650, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Itzstein,_Johann_Adam&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:16 Uhr UTC)
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Itzstein: Johann Adam v. I., Abgeordneter des badischen Landtags, geb. am 28. September 1775 zu Mainz, † am 14. September 1855 zu Hallgarten im Rheingau. Aus Leiningen’schen Diensten, in welche er nach Aufhebung der Benedictinerabtei Amorbach getreten war, wurde I., der Sohn eines kurmainz’schen Geheimrathes, nach der Mediatisirung des Fürstenthums Leiningen 1809 in den badischen Staatsdienst übernommen, zuerst als Oberamtmann in Schwetzingen angestellt, 1819 als Hofgerichtsrath nach Mannheim versetzt. Bei den Wahlen des Jahres 1822 wurde I. in die zweite Kammer gewählt und nahm dort sofort unter den Führern der liberalen Opposition eine hervorragende Stellung ein. Das Militärbudget gab Anlaß zu einem Verfassungsconflict. Da die Forderung der Regierung von der durch die Budgetcommission der zweiten Kammer zur Bewilligung empfohlenen Summe um 100,000 Gulden differirte, ließ der Großherzog erklären, daß er im Hinblick auf seine Verpflichtungen als Bundesfürst an der geforderten Summe (1,600,000 Gulden jährlich) festhalten müsse und diese Entschließung vor seinem Gewissen zu verantworten und vor seinem Volke zu rechtfertigen wissen werde. Bei der hierauf folgenden Debatte trat I. mit der größten Entschiedenheit der Regierungsforderung entgegen und für das von Rücksichten auf den deutschen Bund völlig freie Budgetrecht des Hauses ein. Es war wesentlich der Erfolg seiner Beredtsamkeit, daß schließlich, wenn auch nur mit einer Stimme Mehrheit, die Regierungsforderung verworfen wurde. Für den Landtag war die Folge dieser Abstimmung sofortiger Schluß seiner Tagung, ohne daß das Budget in seiner Gesammtheit bewilligt worden war, für I. persönlich Versetzung an das Hofgericht Meersburg am Bodensee, welche er nicht mit Unrecht als Strafe betrachtete. Von da an beginnt sein unermüdeter Kampf gegen die Regierung, den er in der Kammer und in der Presse mit großer Heftigkeit und Entschlossenheit führte, in der Kammer allerdings erst im J. 1831, als die liberalere Strömung, welche durch die Julirevolution hervorgerufen war, auch in Baden Regierung wie Volksvertretung ergriff. Der [650] Liberalismus auf der Regierungsbank, den Männer wie Winter, v. Böckh, Nebenius vertraten, genügte dem heißblütigen Naturell Itzstein’s nicht. Für die damalige Zeit mochte er wol als ein Radikaler gelten, obwol die Ziele, die er für die Volksvertretung erstrebte, heutzutage auch von conservativer Seite als selbstverständliche Attribute eines Parlaments betrachtet werden. Ein bleibendes Verdienst hat sich I. unstreitig als Mitglied der Budgetcommission dadurch erworben, daß er unausgesetzt bemüht war, Ersparnisse in allen Zweigen des Staatshaushaltes herbeizuführen, Ordnung in denselben zu bringen und allen Ueberschreitungen entgegenzutreten. Mehr ins Auge fiel seine rastlose agitatorische Thätigkeit für die Preßfreiheit, sowie sein lebhaftes Eintreten für die Wiederherstellung der hannöverschen Verfassung. Noch schneidiger war sein Wirken im Landtage, als es galt, die Politik des Ministers v. Blittersdorff zu bekämpfen. In der vielberufenen Urlaubsfrage (s. d. Art. Blittersdorff) war er in den verschiedenen Stadien, welche der darüber entstandene Streit durchlief, stets auf dem Plan, um die Rechte der Kammer zu vertheidigen, Schwankende zur Ausdauer zu ermahnen, der Regierung gegenüber das Mißtrauen der Volksvertretung zum schroffsten Ausdruck zu bringen. Nachdem sein mit dem Ministerium geführter Streit über seine Versetzung längst durch seine Pensionirung ein Ende gefunden, hatte er gar keine Rücksichten mehr auf die Regierung zu nehmen und machte von dieser Freiheit den ausgiebigsten Gebrauch. Die Volksgunst wurde ihm in reichem Maße zu Theil. Im J. 1844 wurde dem greisen Vorkämpfer des Liberalismus in Mannheim ein glänzendes Fest bereitet, eine Denkmünze ihm zu Ehren geprägt und bei dem feierlichen Banket neben zahllosen Toasten ein von Hoffmann v. Fallersleben gedichtetes Lied gesungen, dessen Refrain lautete:

Vaterland freue dich!
Deine Nacht wird immer heller:
Itzstein unser Stern
Leuchtet nah und fern.

Neue Demonstrationen ihm zu Ehren wurden nicht nur in Baden, sondern auch in anderen deutschen Ländern in Scene gesetzt, als I. auf einer mit seinem Freunde Fritz Hecker nach Norddeutschland unternommenen Reise aus Berlin und den preußischen Staaten ausgewiesen wurde. Das war der Zenith seiner Popularität. Das Jahr 1848 brachte jüngere Kräfte auf den Schauplatz, gegen deren Redekunst seine Beredsamkeit in den Schatten trat, weil sie mit der Keule dreinschlugen, wo er mit feineren Waffen vielleicht schärfer, jedenfalls empfindlicher getroffen hatte. Und was in Itzstein’s Glanzperiode für radikal gegolten, war jetzt längst überholt durch die neuen Lehren des Tages. Trotzdem konnte dem Patriarchen des süddeutschen Liberalismus ein Sitz im Frankfurter Parlament nicht fehlen, wo er sich zur äußersten Linken hielt, aber keine seiner gefeierten Vergangenheit entsprechende Stellung mehr behaupten konnte. Daß er mit dem Rumpfparlament nach Stuttgart übersiedelte, kann bei einem Mann nicht Wunder nehmen, den man in seinem politischen Leben jedenfalls, nicht der Inconsequenz zeihen kann. Nur mit Mühe entging er, als das Stuttgarter Parlament gesprengt war, der Verhaftung durch preußische Truppen, die seinen Landsitz Hallgarten im Rheingau besetzten. Längere Zeit mußte er im Exil in der Schweiz und im Elsaß zubringen, bis er sich von dem Verdacht gereinigt hatte, ein Theilnehmer des badischen Aufstandes von 1849 gewesen zu sein. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte der Greis, den eine Gehirnerweichung zum Kinde machte, auf diesem reizend gelegenen Landgute. In lichten Momenten war es sein Höchstes, der Tage der Vergangenheit zu denken und sich mit den Ehrengeschenken zu umgeben, mit denen seine Zeitgenossen dem streitbaren Manne den Zoll ihrer Verehrung und Dankbarkeit dargebracht hatten.

Vgl. Bad. Biographien, I. Bd. S. 430 ff.