ADB:Isenburg, Wolfgang Ernst Graf zu
Joh. Sturm das Fundament zu seiner umfassenden gelehrten Bildung und seiner soliden Kenntniß der lateinischen Sprache. Nachdem er hierauf ein Canonicat, welches er schon im 12. Jahre erhalten, niedergelegt hatte, brachte er einige Jahre an dem Hofe des Fürsten Georg Ernst von Henneberg zu. Im J. 1592 nahm ihn dann sein betagter [626] Vater zum Mitregenten an. Unterdessen war Graf Wolfgang Ernst nach dem Vorgange des Grafen Wolfgang zu Kelsterbach, eines Sohnes des Grafen Anton von der Ronneburg, für das reformirte Religionsbekenntniß gewonnen worden, welches den tiefgehendsten Einfluß auf sein ganzes weiteres Leben ausüben sollte. Als sein Vater am 5. April 1596 gestorben war, folgte er demselben in der Regierung nach. Dem Drange seines Herzens nachgebend, suchte er nun alsbald an die Stelle des bisherigen lutherischen Bekenntnisses das reformirte in seinem Lande einzuführen. In diesem Bestreben wurde er von dem Grafen Johann dem Aelteren von Nassau-Katzenelnbogen, Ludwig dem Aelteren von Sayn-Wittgenstein und Johann Albrecht von Solms, den bedeutendsten Mitgliedern der Wetterauer Grafen-Correspondenz, unterstützt. Dieselben schickten ihm Theologen zu, wie M. Jod. Nahum aus Siegen. Dr. Paul Crocius aus Laasphe, M. Tobias Andreae aus Braunfels, M. Konrad Schnabelius aus Hungen, welche durch Predigten und sonstige Belehrungen in Büdingen, Offenbach u. a. Hauptorten der Grafschaft für die Einführung des reformirten Kultus den Boden zubereiten sollten. Diesen traten aber mit der größten Heftigkeit die beiden Pfarrer von Büdingen entgegen, deren Abneigung gegen die Reformirten von dem Grafen Heinrich von der Ronneburg, dem Bruder des genannten Wolfgang, auf jegliche Weise genährt wurde. Da sie als Prediger der gemeinsamen Residenzstadt von diesem, sowie von Wolfgang Ernst zugleich besoldet wurden, so entzog ihnen letzterer, als er ihre Entlassung nicht durchsetzen konnte, seinen Gehaltstheil. Graf Heinrich zahlte ihnen nun diesen aus und nahm sie in Schutz, worüber allerlei Irrungen entstanden. Auch sonstwärts im Lande stieß Wolfgang Ernst mit seinen kirchlichen Reformen, für welche sein Oberamtmann Heinrich von Schwerin, vorher in kurpfälzischen Diensten zu Heidelberg, mit Begeisterung wirkte, auf Widerstand. In dem Städtchen Wenings widersetzte sich der Patron Lucas Forstmeister von Gelnhausen mit Macht denselben, ja verklagte sogar den Grafen darüber bei dem Kaiser, was ihm vielen Verdruß zuzog. In Unterreichenbach wurde der Pastor Jod. Gerlach in seiner Opposition gegen des Grafen Absichten von dem Fürstabte von Fulda, dem Collator der Stelle, unterstützt. In Langendiebach kam es sogar von Seiten der lutherischen Ganerben von Rückingen zu Gewaltthätigkeiten, als die Altäre in der Kirche entfernt wurden; dieselben setzten es nachher durch, daß das Filialdorf Rückingen zu einer selbständigen lutherischen Pfarrei erhoben wurde. In der Dreieich beschützte ein mächtiger Patronatsherr, der Landgraf von Hessen-Darmstadt, die bisherige lutherische Religion. Nur eine kleine reformirte Gemeinde im Hain kam zu Stande. In der Obergrafschaft zeigten sich mehrere Dörfer, als nach allerlei Verhandlungen ihre bisherigen Prediger ihres Dienstes entlassen und fremde in dieselben eingeführt wurden, aufständisch. Es waren dieses besonders Hitzkirchen, Wolferborn und Eckartshausen. Jedoch ein Charakter, wie Wolfgang Ernst, ließ sich durch alle diese Hindernisse und Gegenversuche in seinem Vorhaben nicht irre machen. Am schmerzlichsten aber berührte ihn das feindselige Auftreten seines genannten Vetters Heinrich, welcher nach dem am 20. December 1598 erfolgten Tode seines kinderlosen Bruders Wolfgang zu Kelsterbach, dem isenburgischen Brüdervertrag von 1517 zuwider, das ihm zugefallene Amt Kelsterbach, nachdem er vorher die reformirten Kirchen- und Schuldiener entlassen und sie mit Lutheranern ersetzt hatte, an den Landgrafen von Darmstadt verkaufte. Man mag von seinem individuellen Standpunkte aus die von Wolfgang Ernst unternommene kirchliche Reform mißbilligen, derselbe hat sich zu solcher in bestgemeinter Absicht herbeigelassen und nur da zu Zwangsmaßregeln gegriffen, wo man gegen ihn rebellirte. Graf Heinrich aber hat nach den niedrigsten Motiven des Parteihasses, welchen zelotische Beamte und Prediger in ihm schürten, gehandelt, indem er durch jene [627] Gebietsveräußerung nach seinem Ableben dem Grafen Wolfgang Ernst die Wiedereinführung der reformirten Confession vereiteln wollte. Die Geschichte hat längst über Heinrich geurtheilt. Sie hat ihm den Namen Alienator beigelegt. Er ging aber noch weiter in seiner Erbitterung über Wolfgang Ernst, welcher diese Sache am Reichskammergericht zu Speyer anhängig machte. Da er ohne Nachkommen war, setzte er nämlich testamentarisch 1601 die Söhne seiner beiden Schwestern, der Gräfinnen von Salm und von Kirchberg zu seinen Universalerben ein. Auf diese Weise suchte er jenen seinen alleinigen rechtmäßigen Erben von dem Besitze des Amtes Spielberg, des Schlosses Meerholz und seiner übrigen in der Wetterau gelegenen Aemter auszuschließen. Kurz darauf, am 31. Mai 1601, starb er, worauf Graf Wolfgang Ernst mit Waffengewalt die Ronneburg und die übrigen bereits von den erwähnten Erben besetzten Schlösser Heinrichs einnahm. Dadurch verwickelte er sich aber mit diesen in einen höchst langwierigen Proceß, dessen Ende er nicht mehr erlebte. In dieser Unruhe vergaß der treffliche Graf, dessen Wahlspruch war: „Recte vivere et bene mori disce“, keineswegs, für das Wohl seiner Unterthanen aufs beste zu sorgen. Schon im J. 1598 hatte er eine musterhafte, an die kurpfälzische sich anschließende Kirchenordnung herausgegeben. Derselben folgte sodann 1608 eine ebenso werthvolle Kanzlei-, Konsistorial- und Kammerordnung. Die weiter erschienene Almosenordnung ist vortrefflich in ihrer Art zu nennen und über die Büdinger Waldordnung von 1609 urtheilt Simon mit Recht: sie wird ein unvergängliches Denkmal der Einsicht, Gerechtigkeit und Billigkeit des Grafen bleiben. Seinem Reformationswerke in kirchlicher Hinsicht aber setzte er die Krone auf durch die Errichtung einer gelehrten Schule zu Büdingen im J. 1601, welche er aus seinen Gefällen nach den ihm zu Gebote stehenden Mitteln reichlich fundirte. Eine lange Reihe von Jahren führte er das Präsidium des wetterauischen Grafenvereines mit seltenem Geschick und mit Umsicht. Wo es ihm nur möglich war, suchte er unter den evangelischen Grafen und Ständen beiderlei Bekenntnisses ausgebrochene Streitigkeiten zu schlichten. Er entwickelte sowol in dieser Stellung, wie in der Regierung seines eigenen Landes, eine unglaubliche Thätigkeit, wie die meistens von ihm selbst geführten Correspondenzen und vielen schriftlichen Entwürfe, welche die Archive von ihm noch aufbewahren, hinlänglich bezeugen. Aber auch die Wissenschaft vergaß Wolfgang Ernst nicht, wie er denn ein sehr gelehrter Herr war, der besonders in den Naturwissenschaften, in der Theologie und Poesie gut beschlagen war. Gern hatte er Gelehrte um sich und unterstützte viele arme Studenten mit Stipendien. Indessen war sein Leben sehr verbittert durch die vielen Processe, in welche er verwickelt wurde. Am schlimmsten ward für ihn der mit Darmstadt nach dem Tode des Grafen Heinrich über das Amt Kelsterbach geführte. Denn als im großen deutschen Kriege sein Sohn Wolfgang Heinrich in die Dienste der Union als Feldzeugmeister, wider seines Vaters Willen, welcher stets dem Kaiser mit Pietät ergeben war, trat und in darmstädtisches Gebiet einfiel, wurde die Feindschaft des Landgrafen noch größer. Als Wolfgang Heinrich sodann bei Stadtlohe in Westfalen gefangen genommen und nach Wien gebracht wurde, schloß sich Hessen-Darmstadt der Anklage des kaiserlichen Hoffiscales von Immendorf, daß der alte Graf Wolfgang Ernst diesen seinen Sohn unterstützt und sich dadurch des Landfriedensbruches und der Majestätsbeleidigung schuldig gemacht, an. Dieser, welcher eben mit einer großen Summe Geldes und durch hohe Fürsprache seinen Sohn aus der Gefangenschaft befreit hatte, sah sich dadurch in eine höchst peinliche Lage versetzt. Nur der Dazwischenkunft hoher Gönner und der größten jahrelangen Bemühung des Grafen selbst gelang es, die Folgen einer solchen Beschuldigung von sich fern zu halten. Die Bitterkeit derselben aber, sowie das namenlose Elend, in [628] welches er sein Land durch den Krieg versetzt sah, beugten ihn tief und bewirkten, daß er die Regierung am 1. April 1628 an seine Söhne abtrat. Schon unterm 27. October 1597 hatte er sein Testament aufgesetzt, im J. 1621 aber ein weiteres gemacht, worin die Bestimmung getroffen war, daß seine Kinder und Enkel bei der reformirten Religion verbleiben und dieselbe in ihren Herrschaften erhalten sollten. Der Brüdervertrag von 1517 sollte allezeit von ihnen anerkannt und festgehalten werden. Sodann wird die Landesvertheilung also angeordnet, daß der älteste Sohn Wolfgang Heinrich die Herrschaft Dreieichenhain, Philipp Ernst die Grafschaft Büdingen, Wilhelm Otto das Birsteinische, Ludwig Arnold und Johann Ernst das Wächtersbachische und der Enkel Philipp Ludwig das Haus Assenheim mit allen Pertinenzien haben sollten. Auch wird darin festgestellt, wie es in Folge Ablebens des Einen oder Anderen zu halten und was wegen der noch schwebenden Rechtssachen anzustellen sei. Die Erben Wolfgang Ernst’s waren aus drei verschiedenen Ehen desselben hervorgegangen. Leider brach aber trotz der testamentarischen Vorkehrungen des Grafen und aller seiner Ermahnungen zur brüderlichen Eintracht nur allzubald unter den Enkeln ein unheilvoller Streit über die Vertheilung der ihnen zugefallenen Lande aus, der schweren Schaden über diese verhängt hat.
Isenburg, Wolfgang Ernst I., Graf zu Isenburg und Büdingen, ausgezeichnet als Regent, wie bemerkenswerth als Begründer der reformirten Kirche im Isenburgischen, ist geb. den 29. December 1560 auf dem Schlosse Birstein als das älteste von 10 Kindern des Grafen Philipp (jüngerer Birsteiner Linie) und dessen Gemahlin Irmgard von Solms-Braunfels, † den 21. Mai 1633 zu Birstein, aber beigesetzt in der Stadtkirche zu Büdingen. Auf der Hochschule zu Straßburg legte er vorzüglich unter- Simon, Geschichte des reichsständischen Hauses Ysenburg und Büdingen, Frankf. a/M. 1865, Bd. I. S. 288 ff. Meyer, Geschichte der Stadt und Pfarrei Büdingen, Büd. 1868, S. 97 ff. Heber, Geschichte der Stadt Offenbach, Frankf. 1868, S. 97 ff. Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte, Bd. II, 1862, S. 46 ff. Vornehmlich aber archivalische Quellen.