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ADB:Hirsch, August

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Artikel „Hirsch, August“ von Julius Pagel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 361–363, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hirsch,_August&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:36 Uhr UTC)
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Hirsch: August (vor der Taufe Aron Simon) H., Arzt und Historiker der Medicin, geboren als Sohn eines Kaufmanns in Danzig am 4. October 1817, fand bereits als Knabe besonderen Gefallen an historischer und geographischer Lectüre, Reisebeschreibungen u. dgl. Anfangs vom Vater für den Kaufmannsstand bestimmt, trat er mit 15 Jahren in ein Berliner Handlungshaus als Lehrling ein, gewann jedoch gegen den kaufmännischen Beruf eine Abneigung und nahm infolgedessen nach dreijähriger, wenig erfolgreicher Thätigkeit den Schulbesuch auf dem Gymnasium in Elbing wieder auf, das er 1830[WS 1] absolvirte, um dann Medicin in Leipzig und Berlin zu studiren. An letztgenannter Universität erlangte er mit einer umfangreichen, an litterarhistorischen Notizen außerordentlich reichhaltigen, seinem Gönner Wilhelm Baum, damals noch Oberarzt in Danzig, gewidmeten Inauguraldissertation „De laryngostasi exsudativa vulgo Croup vocata“ 1843 die Doctorwürde. Nach Beendigung seiner Studien und Prüfungen ließ sich H. zunächst als Arzt in Elbing nieder. Von hier aus beabsichtigte er anfangs in holländisch-indische, und nachdem ihm hiervon von privater ärztlicher Seite abgerathen war, in englisch-ostindische Dienste als Arzt zu treten. Auch dieser Plan zerschlug sich [362] jedoch, und H., der mittlerweile nach Danzig übergesiedelt war, setzte hier die schon früher für den erwähnten Plan zwecks wissenschaftlicher Vorbereitung begonnenen Studien über historisch-geographische Pathologie fort. Als Ergebniß derselben erschien nach mehreren kleineren, in Virchow’s[WS 2] Archiv und andere Zeitschriften veröffentlichten Abhandlungen (über Malariafieber, typhöse Krankheiten, Ruhr, indische Pest, Friesel, Madura-Fuß u. a.) das große „Handbuch der historisch-geographischen Pathologie“ (2 Bde., Erlangen 1859–64, 2. Aufl., 3 Bde., Erlangen 1881–86), das dem Verfasser einen Weltruf begründete und zugleich 1863 einen Ruf als ordentlicher Professor der Pathologie und medicinischen Geschichte und Litteratur nach Berlin verschaffte, wo H. bis zu seinem am 28. Januar 1894 erfolgten Ableben in segensreichster Weise als Lehrer, Forscher und Schriftsteller wirkte, nachdem er nur in den letzten Lebensmonaten wegen Krankheit seine Thätigkeit hatte einstellen müssen. Hirsch’s Hauptwerk ist das vorhin genannte Handbuch, das mit Recht Aufsehen erregte. Es steht in seiner Art wegen der überwältigenden Fülle litterarhistorischer Notizen, die sich nach einer Zählung des Unterzeichneten auf gegen 15 000 belaufen, wegen einer großen Reihe ätiologischer Aufschlüsse und vor allem als erste, systematische und vollständige Bearbeitung des Gegenstandes noch heute unübertroffen da und wird für immer seinen Werth behalten, obwol inzwischen durch die von der Bacteriologie ausgegangene Umwälzung der Anschauungen manche darin niedergelegte Lehren als veraltet gelten müssen. Als ein Denkmal deutschen Gelehrtenfleißes und in der Art, wie Verfasser es verstanden hat, als ein „vir ex libris doctus“ ohne Experiment, ohne Section, ohne Mikroscop, ohne Laboratorium lediglich auf dem Wege gesunder Kritik und einer rationellen Empirie auf Grund statistischer und anderweitiger litterarischer Mittheilungen mit vielem Scharfsinn über einzelne Krankheiten sehr wichtige Aufschlüsse zu gewinnen bezw. zu erhärten (z. B. über Malaria, Kindbettfieber, meningitis cerebrospinalis epidemica) verdient das Werk die höchste Bewunderung. Weitere, nicht minder gediegene Arbeiten von H. zur Geschichte sind seine „Geschichte der Augenheilkunde“ (Leipzig 1877 als Bd. VII von Graefe-Saemisch[WS 3], Handbuch der Augenheilkunde); „Geschichte der medicinischen Wissenschaften in Deutschland“ (München und Leipzig, 1893, im Auftr. der histor. Commission der Münchener Akad. d. Wissensch.), seine Habilitationsschrift über die Anatomie der Hippokratiker (Berlin 1864), seine Ausgabe von Hecker’s kleineren seuchengeschichtlichen Schriften (ebd. 1865), sein großes, zusammen mit Gurlt herausgegebenes „Biographisches Lexikon hervorragender Aerzte aller Zeiten und Völker“ (Wien und Leipzig 1884–88), seine schöne, zur Stiftungsfeier der Kaiser-Wilhelm-Akademie für Militärmedicin am 2. August 1889 gehaltene Rede über die historische Entwicklung der öffentlichen Gesundheitspflege u. a. m. Auch um den letztgenannten Zweig hat sich H. in der vorbacteriellen Zeit wesentliche Verdienste erworben. Er bereiste 1865 im Auftrage der Regierung die von Meningitis cerebrospinalis heimgesuchte Provinz Westpreußen und veröffentlichte über die Ergebnisse dieser Studien eine Monographie (Berlin 1866), veranlaßte zusammen mit v. Pettenkofer[WS 4] die 1873 erfolgte Bildung der „Cholera-Commission für das deutsche Reich“, bereiste als deren Mitglied die Provinzen Westpreußen und Posen, nahm 1874 als Delegirter des deutschen Reichs an den Berathungen der internationalen Cholera-Conferenz theil, ging 1879 im Auftrage der Reichsregierung zusammen mit Sommerbrodt[WS 5] und Küßner[WS 6] zu Studien über die im Gouvernement Astrachan herrschende Pest nach Rußland und veröffentlichte auch hierüber die betreffenden Berichte (Berlin 1880), wurde Begründer und hervorragendes Mitglied der 1872 zu Berlin ins Leben getretenen „Deutschen Gesellschaft für öffentliche [363] Gesundheitspflege“, deren erster Vorsitzender er bis 1885 war und zu deren Ehrenmitglied er 1886 ernannt wurde.

Vgl. Pagel, Deutsche Med. Wochenschr. 1893, Nr. 7 und ebenda 1894, Nr. 5 sowie Deutsche Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesundheitspfl. 1894.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Druckfehler, gemeint ist wohl 1839.
  2. Rudolf Virchow (1821–1902), Professor der Pathologie in Berlin.
  3. Theodor Saemisch (1833–1909), Professor der Ophthalmologie in Bonn.
  4. Max von Pettenkofer (1818–1901), Professor der Hygiene in München.
  5. Max Sommerbrodt, Stabsarzt in Berlin.
  6. Bernhard Kuessner (1852–1892), a. o. Professor in Halle.