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ADB:Hilchen, David

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Artikel „Hilchen, David“ von Theodor Schiemann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 394–395, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hilchen,_David&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:17 Uhr UTC)
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Hilchen: David H., Humanist und Staatsmann, geboren um 1561 zu Riga als Sohn des Gildenältermanns Hans H., studirte Rechtswissenschaft erst in Tübingen, dann in Heidelberg, vollendete seine Studien in Ingolstadt als Erzieher eines polnischen Fürstensohnes, den er auf weiten Reisen durch Mittel- und Südeuropa begleitete. Nach seiner Rückkehr 1585 erhielt er den wichtigen Posten eines Obersecretärs beim rigischen Rath, 1587 vermählte er sich mit der Stieftochter des Bürgermeisters Franz Nyenstede, der durch seine patriotische Thätigkeit und seine historischen Aufzeichnungen noch heute in gutem Andenken steht. H. gelangte bald zu bedeutendem Einfluß und verwerthete ihn im Interesse der Ordnung während der damals herrschenden Unruhen. Es waren die Tage des Kalenderstreites. Mit dem ersten Advent 1584 war in Riga unter polnischem Drucke der gregorianische Kalender eingeführt worden. Ein wüthender Aufstand der niederen Bürgerschaft, welche diese Neuerung in Zusammenhang mit den katholisirenden Bestrebungen Polens setzte, konnte lange nicht beruhigt werden. Erst 1589 zog eine polnische Commission unter dem Schutz polnischer Truppen die Partei der Gegner des neuen Kalenders, die eine förmliche Schreckensherrschaft ausübte, zur Rechenschaft. Die Führer der Aufständischen wurden hingerichtet [395] und die Ruhe wieder hergestellt. Die Beziehungen zwischen Rath und Gilden, sowie zwischen der Stadt Riga und Polen regelte der von H. abgefaßte sogenannte Severinsvertrag (weil er am Severinstage öffentlich verlesen wurde). Während dieser Wirren hat H. es verstanden, mit großem Geschick die Interessen der Stadt zu vertreten. „Hätte nicht Gott der Herr – sagt Nyenstede – den Secretär David H. gesandt in der hochbetrübten, aufrührerischen und kläglichen Lage der Stadt, so würden sie Schelme und Buben zur Grube gebracht haben“. Auch fernerhin hat er sich um Stadt und Land verdient gemacht. Seine Beziehungen zum Großfeldherrn Johann Zamoisky verschafften ihm Einfluß am polnischen Hofe und er wußte ihn zum Schutze der Landesprivilegien zu verwerthen. So verfaßte er, nachdem man ihn zum königlichen Secretär und zum wendenschen Landgerichtsnotar erhoben hatte, den Entwurf eines livländischen Landrechts; auf ihn geht eine Reformation des Consistoriums und der Stadtschule zurück und er hat 1588 in Nicolaus Mollin den ersten Buchdrucker nach Riga gezogen. Aus dieser Thätigkeit riß ihn eine Streitsache mit seinem Stellvertreter Dr. Jacob Godemann. Letzterer war von H. thätlich beleidigt worden und klagte ihn nun in leidenschaftlichster Weise des Verraths an der Stadt an. Er brachte ihn in eine so gefährliche Lage, daß H. es für gut fand, die von Nyenstede für ihn geleistete Caution in Stich zu lassen und aus der Stadt zu entfliehen. Vergebens verwandten sich seine Freunde in Riga und seine polnischen Gönner für ihn. Er wurde, da er sich auf eine an ihn ergangene Citation nicht stellte, in contumaciam verurtheilt, dem Syndicus Godemann das Hilchen’sche Haus und Vermögen Nyenstedes zuerkannt (Februar 1601). H. hat Riga nie wiedergesehen. In dem damals entbrannten schwedisch-polnischen Kriege ist er den Fahnen Zamoisky’s und Fahrensbach’s gefolgt. Letzterer starb in Hilchen’s Armen. In seinem Rechtshandel mit der Stadt Riga, die „in hanseatischem Trotze“ den Entscheidungen Polens die Stirn bot, erfolgte zwar 1609 das Urtheil Sigismunds III. zu seinen Gunsten, auch hatte Godemann schon 1605 Riga verlassen müssen und Nyenstede war in Amt und Würden restituirt worden. Dennoch waren die Gilden dem früheren Secretäre noch immer feindlich gesinnt und so starb er, bevor er sich entschließen konnte, nach Riga zurückzukehren, zu Orissowo im März 1610. Ueber die zahlreichen politischen, historischen und poetischen Schriften Hilchen’s vgl. Recke-Napiersky’s Schriftstellerlexikon und Winkelmann, Bibliotheca. Von größtem Interesse sind namentlich seine Briefe, von denen 715 erhalten sind.

Vgl. B. Bergmann, David v. Hilchen in Bergmann’s Magazin für Rußlands Geschichte, Länder- und Völkerkunde, Bd. I. u. II. und H. J. Böthführ, Die rigische Rathslinie, Riga 1877.