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ADB:Heyer, Eduard

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Artikel „Heyer, Eduard“ von Richard Heß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 312–315, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heyer,_Eduard&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 19:39 Uhr UTC)
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Heyer: Eduard H., Dr. phil., Forstmann, geboren am 27. Februar 1819 in Gundernhausen (bei Dieburg), † am 9. Mai 1898 in Darmstadt. Er war das zweite Kind des am 6. Januar 1856 verstorbenen großherzoglich hessischen Forstmeisters Friedrich H. zu Ober-Ramstadt (s. A. D. B. XII, 364), welcher durch seine hervorragende cultivatorische Thätigkeit, insbesondere durch rationelle Begründung und Behandlung von Mischbeständen, für viele Forstmänner [313] in Hessen zum Vorbild geworden ist. Er besuchte das Gymnasium zu Darmstadt und bezog im Frühjahr 1836 nach abgelegter Reifeprüfung die Universität Gießen, wo er unter der Leitung seines Onkels, des berühmten Karl Heyer (s. A. D. B. XII, 364) vom Sommersemester 1836 bis zum Sommersemester 1840 incl. Forstwissenschaft studirte. Hier bestand er im Herbst 1840 die sog. Facultätsprüfung, kurze Zeit darnach das specielle Oberförsterexamen und 1842 die allgemeine Prüfung für den Staatsforstdienst in Darmstadt. Hierauf war er als Forstcandidat unter Einschluß des vorschriftsmäßigen Accesses, im ganzen ca. sieben Jahre lang mit Betriebsregulirungen und Waldtheilungen beschäftigt, wozu er besondere Neigung und Befähigung an den Tag legte. Am 24. December 1847 erhielt er seine erste Anstellung als Oberförster der Oberförsterei Nieder-Eschbach (bei Homburg v. d. H.). Am 29. April 1857 wurde er in gleicher Eigenschaft nach Gießen versetzt, und durch Decret vom 12. Mai wurde ihm zugleich – als Nebenamt – die Stelle eines zweiten Lehrers der Forstwissenschaft an der Universität übertragen. Auf Grund seiner früheren Facultätsprüfung erwarb er sich am 3. Juni bei der philosophischen Facultät die für seine Stellung als akademischer Docent erforderliche Doctorwürde. Er wirkte hier neben seinem Vetter und Schwager Gustav Heyer, welcher das Ordinariat für Forstwissenschaft bekleidete und zugleich als Director des akademischen Forstinstituts (eine bloße Verwaltungsstelle) fungirte, hauptsächlich durch Abhaltung praktischer Curse über Forstvermessung, Waldwegebau und Waldbau. In Verbindung hiermit standen zwar auch einige Kathedervorträge, allein diese hatten mehr den Charakter einer Einleitung zu den genannten Cursen, bezw. einer theoretischen Ergänzung der praktischen Uebungen, weil der theoretische Unterricht in allen Zweigen der Forstwissenschaft in der Hand seines Vetters Gustav H. lag.

Nachdem aber dieser infolge eines an ihn ergangenen Rufes als Director an die neu gegründete Forstakademie zu Münden am 7. März 1868 aus dem hessischen Staatsdienste ausgeschieden und die hierdurch erledigte erste Professur der Forstwissenschaft dem Verfasser dieser Biographie übertragen worden war, erfolgte eine anderweite Vertheilung des Lehrstoffes. H. erhielt nunmehr auch gewisse theoretische Lehrvorträge über forstliche Betriebsfächer (Waldwerthrechnung incl. Forststatik, Waldwegebau, Holzmeßkunde, Forstvermessung und Waldtheilung), unter Beibehaltung des zugehörigen praktischen Unterrichts, zugewiesen. Hingegen trat er dafür den praktischen Unterricht in den forstlichen Fächern, welche das Vorlesungs- und Forschungsgebiet des Ordinarius ausmachten (Waldbau, Holzarten, Forstschutz, Forstbenutzung, Forsttechnologie, Waldertragsregelung) an diesen ab. Diese naturgemäße, noch heute in Kraft stehende Arbeitstheilung, welche es ermöglichte, die zu jeder einzelnen forstlichen Disciplin gehörigen praktischen Unterweisungen den betreffenden theoretischen Vorträgen sachlich und zeitlich auf das engste anzupassen, war für beide Lehrer und die studirende Jugend von entschiedenem Vortheil, was die Erfahrung bestätigt hat. Nach fast 16jähriger Lehrthätigkeit wurde H. am 3. Februar 1873 zum Forstmeister des Forstamtes Reinheim mit dem Wohnsitze in Dieburg ernannt. Er blieb auch daselbst, nachdem infolge von Organisationsveränderungen das Forstamt Reinheim aufgehoben worden war, unter Beibehaltung seines Titels, als Verwalter der Oberförsterei Dieburg. Am 1. Mai 1880 wurde ihm die Leitung des Forstamtes Lorsch übertragen. Aus dieser (seiner letzten) amtlichen Stellung schied er erst 1892 im Alter von 73 Jahren durch Uebertritt in den Ruhestand, in welchem ihm später noch der Titel „Oberforstmeister“ verliehen wurde. Seit April 1848, also gerade ein halbes Jahrhundert, war er mit seiner Cousine Emilie Heyer, Tochter Karl Heyer’s [314] und Schwester Gustav Heyer’s, in glücklichster – wenn auch kinderloser – Ehe verheirathet, da er in seiner Gattin eine verständnißvolle Theilnehmerin aller seiner Gedanken, Arbeiten und Bestrebungen und vortreffliche Beratherin gefunden hatte.

H. war ein Forstmann von umfassenden und zugleich äußerst gründlichen Kenntnissen in fast allen Zweigen der Forstwissenschaft. Außerdem besaß er auch eine vorzügliche allgemeine Bildung, welche besonders für einen Docenten, der auf einer Universität zu wirken hat, unerläßlich ist. Sein Hauptfeld bildeten die forstmathematischen Fächer, die er mit voller Hingebung pflegte und förderte. Unter seinen forstlichen Zeitgenossen war er jedenfalls einer der besten Kenner der Mathematik – insbesondere der höheren – und beherrschte deren Anwendung auf die Praxis in vorzüglicher Weise. Aber auch in anderen forstlichen Betriebszweigen – Waldbau, Forstschutz, Forstbenutzung – besaß er hervorragende Kenntnisse und Erfahrungen, wie zahlreiche Abhandlungen (vorwiegend in der Allgemeinen Forst- und Jagdzeitung erschienen) beweisen. Es ist geradezu bewunderungswürdig, daß ein Mann mit dieser Vielseitigkeit doch eine solche Gründlichkeit bis ins kleinste Detail zu verbinden im Stande war. Hierzu kommt, daß er von Haus aus nicht zu den Naturen gehörte, welche mit rascher Auffassung begabt, wie z. B. sein Vetter Gustav H., gleichsam spielend Kenntnisse und Fertigkeiten sich aneignen. Er bedurfte – bei seinem bedächtigen, langsamen und etwas umständlichen Wesen – Zeit und ernstes, angestrengtes Studium, bis er einen Gegenstand nach allen Seiten hin erfaßt und sich systematisch zurecht gelegt hatte. Aber bei seiner peinlichen Gewissenhaftigkeit ließ er nicht nach, bis er eine in sein Lehrgebiet einschlagende oder ihn sonst interessirende Materie gründlich beherrschte.

Seine selbständigen Schriften erstrecken sich vorwiegend auf die forstlichen Betriebsfächer und sind in chronologischer Anordnung folgende: „Die Waldertrags-Regelungsverfahren der Herren Dr. Carl Heyer und H. Karl nach ihren Principien geprüft und verglichen“ (1846); „Beitrag zu näheren Würdigung des Flächenfachwerks“ (1852); „Flächentheilung und Ertragsberechnungsformeln“ (1859); „Ueber die praktische Ausbildung der Forsteleven, mit besonderer Berücksichtigung des Unterrichts auf der Forstlehranstalt zu Gießen“ (1860); „Zur Holzmassen-Ermittelung, Bonitirung und Kritik der Taxations-Methoden ein Beitrag“ (1861); „Anleitung zum Bau von Waldwegen, welche zum Forstproducten-Transport auf der Axe dienen. Mit 16 Figuren-Tafeln“ (1864); „Ueber Messung der Höhen sowie der Durchmesser der Bäume im Allgemeinen, besonders aber bei forststatischen Untersuchungen, nebst einleitenden Bemerkungen über Bildung der Massen- und Ertragstafeln. Mit 3 lithographirten Tafeln“ (1870); „Tafeln zur Erdmassen-Berechnung beim Bau der Waldwege, nebst Anleitung zum einfachsten Verfahren in besonderen Fällen“ (1879).

Sein Hauptwerk ist ohne Zweifel die „Anleitung zum Bau von Waldwegen“. Diese Schrift ist ein höchst werthvoller Beitrag zum wissenschaftlichen Ausbau der Lehre vom Waldwegebau und – was die mathematische Begründung betrifft – von einer Ausführlichkeit und Gründlichkeit, wie sie kein zweites Buch über diesen Fachzweig besitzt. Nur ist dem baulichen Theile, bezw. der Technik des Wegebaues nicht in entsprechendem Umfang Rechnung getragen. Die Schrift hat wol aus diesen Gründen bei den praktischen Forstwirthen, die im allgemeinen nicht für lange Formeln und weitschweifige mathematische Deductionen schwärmen, nicht die Verbreitung gefunden, welche sie eigentlich verdient hätte. Auch seine anderen Werke und Abhandlungen in den forstlichen Zeitschriften blieben mehr auf die Kreise der betreffenden Fachgelehrten [315] beschränkt, da zu ihrem vollen Verständniß eine Vertiefung in den Inhalt gehörte, die bei der dem Verfasser eigenen, etwas schwerfälligen und oft übertrieben schematisirenden Darstellungsweise eine große Ausdauer voraussetzte.

Erwähnung verdient noch, daß H. eine Baumkluppe und ein Hypsometer construirt hat, mit welch’ letzterem man sogar die Höhe schief stehender Bäume richtig, und zwar sehr genau, ermitteln kann.

Als Lehrer entwickelte H. in seinen Vorträgen und auch bei seinen praktischen Cursen eine Gründlichkeit – um nicht zu sagen Weitschweifigkeit –, welche den Durchschnittsstudenten leider fast abschreckte. Dies um so mehr, als er in seinen Vorträgen der anregenden, ja geistreichen Darstellungsweise entbehrte, welche seinen gleichzeitig mit ihm lehrenden Vetter Gustav Heyer in so hohem Grade auszeichnete. Wer aber die Willenskraft besaß, bis zur letzten Vortragsstunde und letzten praktischen Uebung bei ihm auszuharren, der brachte ein tüchtiges Stück gründliches Wissen mit nach Hause und wird – namentlich bei der späteren Verwendung seiner Kenntnisse im praktischen Dienste – auch dem Lehrer ein dankbares Andenken bewahren.

Er verband mit einem vortrefflichen Charakter und einer durch und durch lauteren Gesinnung eine vollendete Herzensgüte. Seinen Untergebenen ein wohlwollender Vorgesetzter, seinen Collegen und Fachgenossen ein treuer Freund, seinen Schülern inbezug auf Eifer, Fleiß, Kenntnisse, Erfahrungen und Pflichtgefühl ein Vorbild, ein Gelehrter in des Wortes bester Bedeutung, erwarb er sich bei allen Kreisen, mit denen er verkehrte, die höchste Achtung und innigste Zuneigung.

Fr. v. Löffelholz-Colberg, Forstliche Chrestomathie, II. S. 280, Nr. 587c, S. 372, Nr. 673; IV. S. 151 und 152, Nr. 2699; S. 215, Nr. 2793; S. 234, Nr. 2847. – Bernhardt, Geschichte des Waldeigenthums etc. III. S. 287, 289 und 290. – Richard Heß, „Der forstwissenschaftliche Unterricht an der Universität Gießen in Vergangenheit und Gegenwart“, 1881, S. 27, 30, 31 und besonders S. 91, 92 (Biographie). – Allgemeine Forst- und Jagd-Zeitung, 1898, S. 413 (Nekrolog von Wimmenauer). – Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen, 1899, S. 364 (Forstliche Totenliste). – Universitäts-Acten und persönliche Kenntniß.