Zum Inhalt springen

ADB:Hert, Johann Nikolaus

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Hertius, Johann Nikolaus“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 239–241, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hert,_Johann_Nikolaus&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 17:51 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 12 (1880), S. 239–241 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Nikolaus Hert in der Wikipedia
Johann Nikolaus Hert in Wikidata
GND-Nummer 100868878
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|12|239|241|Hertius, Johann Nikolaus|Jakob Franck|ADB:Hert, Johann Nikolaus}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=100868878}}    

Hertius: Johann Nikolaus H. (Hert, Hertz), einer der bedeutendsten Rechtsgelehrten des 17. Jahrh., wurde am 6. Octbr. 1652 zu Niederklee unweit Gießen, wo sein Vater Prediger war, geboren. Theils von diesem, theils durch Privatlehrer und dann (1664) im Pädagogium zu Gießen für die gelehrten Studien vorbereitet, wurde er 1667 daselbst unter die akademischen Bürger aufgenommen und widmete sich zuerst dem Studium der Philosophie und schönen Künste und dann erst der Rechtsgelehrsamkeit. In den Jahren 1672—75 besuchte er die Universitäten Jena, Leipzig und Wittenberg, kehrte aber zu Anfang 1676 nach Gießen zurück und erwarb sich daselbst noch in demselben Jahre durch die Vertheidigung seiner Dissertation „De herede. occisi vindice“ den Ehrentitel eines Licentiaten der Rechte. Hierauf übernahm er eine Advocatur bei der fürstlichen Canzlei zu Gießen, hielt Vorlesungen in juridischen und politischen Fächern und verfaßte verschiedene philosophische und juristische Disputationen und Tractate. In Folge dieser gelehrten Bemühungen erhielt er 1683 auf Befehl der darmstädtischen Landesregentin, Elisabeth Dorothea, die ordentliche Professur der Staatslehre und bald darauf eine außerordentliche der Jurisprudenz, wurde 1686 Doctor der Rechte und unter die ordentlichen Professoren aufgenommen, worauf er 1702 zur obersten Stelle der Juristenfacultät aufrückte. [240] Bald hernach wurde ihm ein Assessorat bei dem hessischen Sammtrevisionsgerichte und die Inspection über den academischen Fiscus übertragen, so wie er am 26. Febr. 1710 mit der Kanzlerwürde der Universität, auch in demselben Jahre (nicht schon 1707) mit dem Charakter eines landgräflichen Rathes beehrt wurde. Auch auswärts wurden seine Verdienste anerkannt; 1709 wurde ihm vom Könige von Frankreich die Professur des Staatsrechts in Straßburg mit einem außerordentlichen Jahrgelde angeboten, ebenso wünschte ihn Schweden, nicht minder auch die Leipziger Universität in ihre Dienste, doch schlug er aus Anhänglichkeit an seine Heimath diese wie andere Anerbietungen aus. Noch wenige Stunden vor seinem Tode, der am 19. Septbr. 1710 zu Gießen erfolgte, wurde er durch ein Schreiben aus Berlin eingeladen, die Stelle eines preußischen wirklichen Geheimen Rathes und Kanzlers zu übernehmen. Sein Wahlspruch war: „Interest hominis hominem beneficio afficere“. Ueber sein eheliches Kreuz und Ungemach vgl. Jugler S. 136 und Allgem. Deutsche Bibliothek XLIV, 44.

H. stellt sich in seinen Schriften, die übrigens nach der Sitte seiner Zeit fast sämmtlich in lateinischer Sprache verfaßt sind (ihre Anzahl beläuft sich auf 83 Stücke, außer mehreren hinterlassenen Handschriften) als ein deutscher Gelehrter der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. dar, dem nur wenige seiner Zeitgenossen an die Seite gesetzt werden können und seine Werke werden bei ihrer vorzüglichen auf den Quellen beruhenden Gründlichkeit den Werth der Brauchbarkeit nicht leicht verlieren. Leibnitz schon schrieb von ihm (Epist. ad diversos III, 249. Kortholt) „Hertius multam certe omnigenae doctrinae copiam cum insigni juris peritia conjunxerat, sed plerumque tum demum homines nostra agnoscimus bona, cum amisimus“ und diesem Urtheile trat G. J. R. Pütter in seiner Literatur des Staatsrechts I, 256 bei. Mit der umfassendsten Kenntniß der Rechtsgelehrsamkeit verband er die der Philosophie und Geschichte. Viele seiner Schriften enthalten schätzbare Erklärungen deutscher Alterthümer, des Staats- und Lehnrechts, die übrigen aber Betrachtungen über die bürgerlichen oder natürlichen Gesetze. Unter diesen sind besonders hervorzuheben: „Elementa prudentiae civilis“, 1703. 1712, zuerst erschienen als „Specimen prud. civil.“ 1689; „Tract. jur. publ. de Statuum imper. G. jure reformandi juxta tempor. seriem …“ 1710. 1726 (in deutscher Sprache); „Responsa et Consilia cum deduct. nonnullis“, 1729–30. 2 Bde. Fol. (herausgegeben von seinem Sohne Joh. Jerem. H.) und „Comment. atque Opuscula“, Frcf. 1700. 1713 ed. nov. ed. J. J. Hombergk ibid. 1737, 2 Voll. 4. Diese letzteren enthalten u. a. auch in Vol. II in drei Büchern eine für den deutschen Sprachforscher sehr schätzbare Sammlung von deutschen zugleich frei ins Lateinische übersetzten Sprichwörtern, deren erstes Buch außer den Prolegomena (p. 252–255) 120 Sprichwörter des Privatrechtes (p. 255–388), das zweite (p. 389–409) 24 des öffentlichen und Feudalrechtes und (einzeln bereits 1685 erschienen?) das dritte (p. 410–422) 8 Sprichwörter der gesammten Jurisprudenz erklärt. Hieran schließen sich noch an als „Epidipnis“, als Nachtisch, Dessert (p. 423–463) 44 vermischte Sprichwörter aus dem Privat- und öffentlichen Rechte (zuerst erschienen als akadem. Dissertation. Gießen 1689. 4.) und (p. 464–473) „Paroemiarum conspectus“ – im Ganzen eine Sammlung von 196 juridischen Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten, die unbedingt zu den werthvollsten gezählt zu werden verdienen, welche das Ende des 17. und der Beginn des 18. Jahrh. erzeugt hat. Ihr Werth beruht nicht sowohl in der Seltenheit der einzelnen Sprichwörter, als in der überaus fleißigen und gründlichen Erklärung, wozu H. zahlreiche ältere Schriften aus allen Theilen der Gelehrsamkeit benutzt hat. Zerstreut finden sich in diesen Comm. atque Opusc. außerdem noch 13 juridische Sprichwörter in lateinischer, deutscher und französischer Sprache. Unter seinem Vorsitze [241] endlich – wenn er nicht selbst, was in jener Blüthezeit der academischen Dissertationen und Disputationen (vgl. Arn. Moritz Holtermann) nicht ungewöhnlich, der Verfasser der Schrift ist; wenigstens ist er dieses bei einer anderen Dissertation des Respondenten Friderici „de judicio revisorio“ 1686, und bei einer sogleich zu erwähnenden proverbialen Abhandlung – vertheidigte G. H. Haßlocher seine Schrift vom J. 1698 unter dem Titel: „Satura paroemiarum jur. german. nova“ (55 Sprüchwörter). Diese durchaus in Hertischem Geiste abgefaßte Abhandlung bietet außerdem noch dadurch ein besonderes Interesse, weil der Verfasser hier, zuerst in jener Zeit, die niederdeutsche Ausgabe der Sprüchwörter Agricola’s benutzt hat; die bezüglichen Stellen finden sich, die erste in Par. I. „Wy hebbent also vunden, wy mothent oick also blieven laten“. Prov. 232, die zweite in Par. LIII, als „proverbium 136. Börge schalmen wörgen“. Ueber die Persönlichkeit Haßdorfer’s[1] ist nichts weiter bekannt, als daß er, aus Speyer gebürtig, der dortigen Rathsherrnfamilie angehörte, aus welcher auch Joh. Adam Haßlocher (Bd. XI. S. 22) entsprang. Ebenso vertheidigte unter Hert’s Präsidium Reinh. Reysius 1699 seine Dissertation: „Epidipnides Paroem. jur. priv. et publ. german.“ (37 Sprüchwörter) und wiederum Sim. Tob. Wölcker Noribergensis unter demselben Schilde, 1710, eine Schrift über denselben Gegenstand (44 Sprüchwörter), die er zwar auf dem Titel als die seinige ausgibt, während sie augenscheinlich als eine Arbeit des Präses sich herausstellt. Obgleich es schon damals ein offenes Geheimniß war, daß die Verfasser solcher Dissertationen gar oft mit fremden Kälbern pflügten, so kennzeichnet es doch, wie hier, die Naivität der damaligen Zeit, daß der Dissertator seine Arbeit „studiorum fructum“ dem Vater pietätsvoll mit den Worten zu Füßen legt „interim aliquod tibi cultus mei documentum exhibiturus, exercitationem hanc academicam ea qua filium decet reverentia consecro …“, während auf der unmittelbar folgenden Seite der Schrift diese von dem Präses Hertius in deutlichen Worten als von ihm selbst verfaßt angesprochen wird. Als ein Supplement zu den Hert’schen Paroemien, sowie zugleich zu dem von Tob. Pistorius verfaßten Thesaurus paroem. juridic. (1715) erläuterte Philiph Jacob Diebold in seiner Dissertation „Paroem. jur. german.“, Argentor. 1722 sieben juridische Sprichwörter. Unter späteren Schriften, abgesehen von jenen, in denen nur einzelne Rechtssprüchwörter erklärt werden, sind bis auf die neueste Zeit die wichtigsten: J. A. Th. Kindius, Dissert. de jurispr. Germ. paroem. (1776); Sachsze in Beseler’s Zeitschrift für deutsches Recht (Tübingen 1856); J. H. Hillebrand, Deutsche Rechtssprüchwörter (1858) und: Die Rechtssprüchwörter von Graf und Dietherr (2. Ausg. 1869).

Jugler, Beitr. zur jurist. Biographie V, 131–152 (mit Verzeichniß sämmtl. Schriften). Strieder, Hessische Gelehrten-Geschichte V, 490–512 (nach Jugler, jedoch mit Zusätzen und Verbesserungen). J. B. Majus, narrat. rerum. p. 34. Observatt, select. Halenses IV, 188–232. Acta Erud. 1741, 348. Allgem. Deutsche Bibliothek XLIV, 404. Jöcher.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 241. Z. 13 v. o. l.: Haßlocher’s. [Bd. 30, S. 792]