ADB:Herrig, Ludwig
G. Th. A. Krüger, Directors desselben, dann Sommer 1834 das, später in die Technische Hochschule verwandelte Collegium Carolinum, wo er, außer Altphilologie beim Leiter von dessen humanistischer Abtheilung (Petri), bei Lectoren Französisch, Englisch, Italienisch und Spanisch trieb, auch bei Professor Frdr. Karl Griepenkerl (d. Ae.) Aesthetik, Psychologie und Beredsamkeit hörte. 1834–37 studirte er in Göttingen und Halle classische Philologie und lutherische Theologie, wandte sich aber mehr dieser zu und bestand, mit dem vom Vater vererbten, ihn lebenslang auszeichnenden Fleiße, nach genau dreijährigem Studium in Wolfenbüttel am 1. September 1837 das geistliche Anstellungsexamen; des letzteren Zeugniß lobt sein Redetalent, das er nicht nur sogleich daheim öfters auf der Kanzel, sondern auch später im Lehr- und Directoramte sowie innerhalb der Freimaurerei vielfach bewährt hat. Erst zur Aushülfe, seit 1. October 1838 (15. December promovirte er in Tübingen „De Pelagii doctrina“, wo er die dem 5. Jahrhundert entstammenden Ketzerdogmen des Pelagianismus, die kurz darauf Jacobi, „Die Lehre des Pelagius“, 1842 beleuchtete, bis Kant bis Hegel verfolgt), fest angestellt – mit dem herkömmlichen Anfange von 200 Thalern – wirkte er in der Anstalt, der er die eigene Bildungsbasis verdankte, als Gymnasiallehrer und eignete sich, durch Professor Vultejus, unter dem er am Carolinum englische Studien begonnen, angeregt, auf längerem Urlaube in England und Frankreich die Sprachen dieser Länder gründlich an, welchen Aufenthalt er später immer wieder erneuert hat. 1841 heirathete er Johanna Zwilgmeyer, die, eine treue Lebensgefährtin, ihn überlebt hat. Ende 1841 nahm er wegen pecuniärer Verbesserung (800 Thaler) eine Oberlehrerstelle an der Real- und Gewerbeschule in Elberfeld an, wofür er am 16. August 1842 in Bonn das preußische Examen pro facultate docendi in Deutsch, Französisch, Englisch, Religion für alle, in Latein, Geschichte, Geographie für Mittelclassen bestand; ein Nachtrag des Bonner Lectors Nadaud rühmt seine Vertrautheit mit alt- und neufranzösischer Litteratur. Die neun Jahre Elberfelder Wirksamkeit haben H. auf seinem neuen Pfade weiter vorwärts gebracht. Am 2. Septbr. 1843 forderte eine Schulrede Herrig’s über Mittel und Zweck einer guten Erziehung Zusammenwirken von Schule und Haus. 1845 erschien im Schulprogramm ein „Essay on Merlin the Magician“. Die Hauptthat aber war die im J. 1846 mit dem damals schon als Litterarhistoriker und Deutschpädagog (1843–44: „Archiv für den Unterricht im Deutschen in Gymnasien, Realschulen u. a. höheren Lehranstalten“) bekannten Heinrich Viehoff (s. d.), mit welchem H. 1842 einen auf Gleichheit fortschrittlicher Ansichten in Politik, Religion, Litteratur, Wissenschaft, Pädagogik ruhenden Freundschaftsbund geschlossen hatte, ins Werk gesetzte Begründung des „Archivs für das Studium der neueren Sprachen (und Litteraturen)“: dieses ältesten, nach mancherlei [244] Wandlungen in ununterbrochener Serie bis heute fortlaufenden neuphilologischen Fachorgans, gemäß dem Vorwort aus der Erkenntniß entsprungen, „daß das Studium der Sprachen und Litteraturen der modernen Culturvölker, wenn es auf die rechte Weise betrieben wird, wahres Humanitätsstudium ist, daß in ihm eine reiche Quelle echt menschlicher Bildung fließt“. Bestimmt sollte die neue Zeitschrift, anfangs vierteljährlich, seit Band 6 (1849), wo sie für immer an George Westermann’s Verlag (Herrig’s guten Freund und Verleger aller seiner Bücher) überging, in acht Heften, später wiederum in starken Quartalheften erscheinend, für Lehrer der Realschulen, daneben anregend für die der Gymnasien sein, Wissenschaft und Schulunterricht fördern, die drei modernen Hauptsprachen in erster Linie berücksichtigen, neben Abhandlungen und Recensionen Programmenschau, bibliographischen Anzeiger, Miscellen bringen. 1846–49 hat H. dem „Archiv“ eine Reihe von Abhandlungen zur Entwicklung des englischen Dramas vor Shakespeare geliefert, darin kurz über Mirakel, Moralitäten und Anfänge der Komödie, ausführlicher über Marlowe und R. Greene redend, alles sehr willkommen in einer Zeit, als man für dies nur auf englische Werke angewiesen war. Mit Jahrgang IV übernahm H., schon bis dahin der Hauptredacteur, die alleinige Herausgabe, dem Titelblatt zufolge unter besonderer Mitwirkung H. Viehoff’s und R. H. Hiecke’s. Als Mitarbeiter seiner Zeitschrift steuerte er nun sogleich Studien zur Geschichte der irischen Liederdichtung bei, darauf, wol infolge Häufung der Redactionsgeschäfte, nur gelegentliche Besprechungen, ein kurzes Lebensbild P. B. Shelley’s, von dem er schon 1840 „Gesammelte Schriften. Deutsch bearbeitet von Ludwig Herrig und Ferd. Prössel. 1. (einziges) Bändchen (mit Shelley’s Bildniß): Gedichte“ verdeutscht veröffentlicht hatte, einen Aufsatz über Ben Jonson, einen längern über Beaumont und Fletcher, eine Serie dankenswerther über die erst wenig bekannte Entwicklung der Litteratur, Sprache, höheren Schulen der Vereinigten Staaten. Trotz der Zeit und Kraft, die Lehramt und Redaction beanspruchten, hat H. in jenen Jahren etliche sehr brauchbare und thatsächlich vielgebrauchte Bücher geschrieben: nach der schon frühern Verdeutschung von Reynolds’ Pickwick abroad die „Extracts from the German Literature collected and translated“, Band I (1841), ein „Cahier de Littérature française“ als Leitfaden zu Vorlesungen, die Beschreibung einer Reise nach London (Pseudonym H. Hamilton) als kurze, praktische Anleitung zum mündlichen Gebrauche des Englischen, ferner Aufgaben zum Uebersetzen aus dem Deutschen in jenes (12. Auflage 1880); schließlich sein Hauptwerk, zugleich das bekannteste und am meisten benutzte, das Herrig’s Namen verbreitet hat soweit die weitest gesprochene Sprache unterrichtet wird, die Chrestomathie „The British classical authors. Select specimens of the National Literature of England from G. Chaucer to the present time, poetry and prose“, zuerst 1850 erschienen und bis zur Herrig’schen „Ausgabe letzter Band“, der 64. von 1889, vielfach umgearbeitet, wie auch bis zur neuesten, der 86. als Neubearbeitung durch Max Förster 1904 herausgekommenen unablässig an diesem vollbewährten Hand- und Schulbuche im Sinne seines Verfassers gebessert worden ist. In späteren Auflagen hat H. biographical and critical sketches der Autoren, schließlich An historical outline of English Literature, sowie als Anhang Musterproben des angloamerikanischen Schriftthums dem Grundwerke hinzugefügt, nach dem Nichterfolge seiner, heutzutage freilich längst überholten, jedoch völlig vergriffenen Sammlung „The American classical authors. Select specimens of the Anglo-american Literature. Preceded by an introductory essay on its origin and progress. With biographical and critical sketches“, die den Nebentitel trägt: „Handbuch der nordamerikanischen National-Literatur. Sammlung [245] von Musterstücken nebst einer litterarisch-historischen Abhandlung über den Entwicklungsgang der englischen Sprache und Litteratur in Amerika“ (XI u. 434 S.; 1854); man erinnere sich dabei der oben erwähnten Studien Herrig’s, die das „Archiv“ gebracht hat. Andererseits hat H. seit 1863 leichtern Stoff in ein „First English reading book. Englisches Lesebuch für mittlere Klassen höherer Lehranstalten“ verwiesen, das ebenfalls eine außerordentliche, bis heute (24. Aufl. 1904) noch nicht abgerissene Verbreitung erlangte, gleich dem Parallelwerk „Premières lectures françaises“ (seit 1863; 23. Aufl. 1904) und dem Pendant der „Br. cl. auth.“, der 1854 mit G. J. Burguy (in Berlin) herausgegebenen großen Chrestomathie „La France littéraire. Morceaux choisis de littérature française ancienne et moderne recueillis et annotés“, die desgleichen bis dato (48. Auflage in Neubearbeitung von Tendering, 1904) immer wieder durchgefeilt worden ist.
Herrig: Friedrich Christian Ludwig H., neusprachlicher Pädagog, Anglist und Freimaurerhaupt, wurde am 12. Mai 1816 zu Braunschweig als Sohn eines Kammermusikus und Inhabers der Hofmusikalienhandlung geboren. Er besuchte das dortige Obergymnasium Katharineum als ein Lieblingsschüler des bekannten LatinistenHerrig’s Name hatte durch die Leitung des „Archivs“ und seiner Publicationen darin rasch einen guten Klang erworben, und 1851 rief man ihn nach Berlin an die Friedrich-Werder’sche Gewerbeschule, mit einem, wie auch die Zeitungen hervorhoben, für einen Schulmann ungewöhnlichen Gehalt; er wurde jedoch sofort für die Dorotheenstädtische Realschule u. a. hauptstädtische Lehranstalten angestellt. Er ertheilte auch Unterricht an Mädcheninstituten, nahm, zu seinen Kindern und dem früh verwaisten Neffen, dem Dichter Hans H. (S. 233), in- und ausländische Pensionäre für Erziehung und Spracherlernung ins Haus, erhielt Juni 1852 den Professortitel, 1854 die neusprachliche Hauptlehrerstelle an Friedrichs-Gymnasium und -Realschule, an der er dann 1863–78 das Ordinariat der Prima führte, wurde daneben April 1853 als definitiver Oberlehrer an der Königl. Kadettenanstalt angestellt und Februar 1854 daselbst etatsmäßiger Professor. Noch andere Aemter gestalteten seine Lehrthätigkeit immer vielseitiger. Schon seit 21. April 1853 erlangte H. als außerordentliches Mitglied der wissenschaftlichen Prüfungscommission Brandenburgs für neuere Sprachen weitgehenden und nachhaltigen Einfluß auf die Lehrerwelt, bald darauf auch als Mitglied der Ober-Militärexaminationscommission. Letztere Function und die in den sechziger Jahren beginnende als Docent an der Berliner Kriegsakademie für höhern und freiern Gebrauch des Französischen hat er bis zum Tode beibehalten. Zu Ostern 1859 gründete H., theils mit fremdem, theils mit eigenem Gelde, das Viktoria-Institut zu Falkenberg in der Mark, wo er einmal in ländlicher Muße den Abend seines rastlosen Daseins zu beschließen hoffte, trat aber wegen der Nothwendigkeit einer Direction an Ort und Stelle und einer Organisationsänderung bald zurück. Dagegen hat er das aus seiner Initiative, durch Eingabe ans Cultusministerium vom Februar 1859, im Mai 1860 entstandene „Seminar für Lehrer der neueren Sprachen“ zu Berlin 18 Jahre lang geleitet, auch Uebungen in diesem Institut (Besprechung französischer und englischer Ausarbeitungen von ihm vorgeschlagener und berathener Themata; Redeübungen über litterarische und pädagogische Stoffe; Uebersetzungen aus dem Deutschen, mit Vorliebe der beiden Dahlmann’schen Revolutionsdarstellungen; Hospitiren beim Unterricht und beaufsichtigte Ertheilung eines selbständigen) mit Hingabe und Erfolg abgehalten. Verwandt damit war die lange von ihm geplante „Akademie für moderne Philologie“ zu Berlin, die Michaeli 1872 eröffnet, aber noch vor ihm zu Grabe getragen worden ist. In der genannten Eingabe von 1859 hatte H. selbst darauf hingewiesen, wie nothwendig Lehrstühle für moderne Sprachen an den Universitäten seien. Nachdem nun an der Berliner solche für Romanistik und Englisch errichtet wurden, konnte sich die „Akademie“ – an der H. über Encyklopädie der modernen Philologie las und Chaucer und Spenser erklärte – [246] ungeachtet der Einleitungsvorlesungen und der über Lector-Darbietungen hinausgehenden nicht halten. Eine weitere Centrale für den Kreis der Fachgenossen, zumal den immer mehr sich ausdehnenden Berlins, hat H. am 1. December 1857 mit der „Berliner Gesellschaft für das Studium der neueren Sprachen“ ins Leben gerufen, deren Seele und auf allgemeinen Wunsch Vorsitzender er mit unvergleichlichem Rede- und Präsidialgeschick bis an sein Ende geblieben ist.
Wie er bei so vielen Gelegenheiten einen unermüdlichen Schaffensdrang bewährte, so ist H., der gewiegte Redacteur von „Herrig’s Archiv“ (wie es meistens kurzweg bis heute heißt), auch vorübergehend Publicist geworden. Aus dem entschieden Liberalen seines frühern Mannesalters allmählich conservativer gemausert, besonders zum unbedingten Bewunderer Bismarck’s, übernahm er gern den Antrag, durch ein englisches Blatt das ausländische Urtheil über die preußische Politik zu berichtigen: seit 16. Januar 1869 gab H. in Berlin mehrere Jahre zweimal wöchentlich „The North German Correspondent“ heraus. Herrig’s dienstliche Laufbahn erfuhr noch im August 1878 eine eingreifende endgültige Wandlung, als er bei Verlegung der preußischen Hauptkadettenanstalt von Berlin nach Groß-Lichterfelde (vgl. Herrig’s damaliges Schriftchen „Die Hauptkadettenanstalt zu Lichterfelde“) zum Ordinarius oder Studiendirector des 1. Bataillons ernannt wurde, weshalb er nach diesem Vorort übersiedeln und beständig zwischen da und Berlin hin- und herfahren, darum jedoch seine übrige Lehrthätigkeit außer der an der Kriegsakademie aufgeben mußte. Letztere behielt er neben der Officiersprüfung bei, als er sich 1885 in den verdienten Ruhestand versetzen ließ und zu einem otium cum dignitate nach Berlin zurückzog. Aber ein längst beängstigendes, mit Asthma verbundenes Herzleiden führte schon am 17. Januar 1889 den Tod des eben aus der Kriegsakademie Heimkehrenden herbei.
Und wie im Amte, so hatte H. auch litterarisch bis zuletzt ohne Aufhören und Sichgenügen gewirkt. Sein Herzblatt, das „Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen“, hat er als sicherer Pilot durch mancherlei Fährlichkeiten und Mißgunst all die Jahrzehnte lang hindurchgesteuert und, während später entstandene Concurrenzunternehmen – dies gilt z. B. direct vom „Jahrbuch für romanische u. engl. Literatur“ (s. Ad. Ebert’s Brief an F. Wolf v. 25. März 1855, Berichte d. Kgl. Sächs. Gesellsch. d. Wissenschft. Philol.-Hist. Kl. 1899, S. 118; übrigens nahm Ebert [s. ebda. S. 131 Brief v. 20. April 1858] Herrig’s oben genannten „Compagnon“ Burguy mit als Mitarbeiter in Aussicht) – einen bewußt höhern Standpunkt einnahmen und dadurch zu Grunde gingen, durch Berechnung auf die Bedürfnisse der eigentlichen Lehrerwelt, freilich auch durch Nichthonorirung (die erst nach seinem Tode beseitigt worden ist) dies älteste Organ der sogen. Neuphilologie aufrecht erhalten. Seine englischen (und französischen) Schul-Anthologien hat er ständig vorsichtig revidirt. 1857 besorgte er eine Neubearbeitung von Wagner’s Englischer Grammatik, dann leitete er eine „Sammlung englischer Schriftsteller mit deutschen Anmerkungen“ in Th. Chr. Fr. Enslin’s Verlag, in der er selbst „Macbeth“ und „The Merchant of Venice“ edirte. 30 Jahre später schloß er seine schriftstellerische Wirksamkeit mit der durch Bernh. Tauchnitz’ Buchhandlung veranstalteten „Students Series for School, College, and Home“, die 1886 unter Herrig’s Leitung (und Antheil mit einem commentirten Ausschnitt aus Th. Carlyle’s „French Recolution“ als „The Reign of Terror“) anhob. Mit angeborener Intelligenz aus Intuition viele Forderungen der jüngern neusprachlichen Reform vorwegnehmend und gutentheils schon in der Praxis erfüllend, hat H., der auf der Universität selbst noch keine eigentlichen Fachstudien zu treiben die Möglichkeit gehabt, sein [247] immer mehr in die Breite sich dehnendes Wissenschaftsgebiet in verschiedenartigster Hinsicht gepflegt, namentlich aber zu Gunsten des von ihm zu Tausenden aufgezogenen jungen Nachwuchses, sei es, daß dessen Angehörige nur das Englisch und Französisch des Alltags oder die Grundlagen eines akademisch-neuphilologischen Studium aus seinem überaus anregenden und individuellen Unterrichte mit heimbringen sollten. Der von ihm mit geprüften und in die Praxis eingeführten Jüngerschar, der noch um ihre Ebenbürtigkeit und Gleichberechtigung ringenden Neuphilologie hat er unzählige Male mit seinem Ansehen und Einflusse durch Connexionen bereitwilligst stützend unter die Arme gefaßt. „H. gehörte einer Zeit des Werdens, des Uebergangs in seine Wissenschaft an. Er hat überall thätig zugegriffen und die Sache der modernen Philologie gefördert wie kaum ein Anderer, indem er ihr Anerkennung verschafft hat. Seine Erdenbahn ist weniger reich an Erlebnissen als an stiller, von Segen begleiteter Thätigkeit gewesen.“ So urtheilt am Ende seiner, leider nur bibliographisch weder genauen noch vollständigen, ausführlichen Lebens- und Charakterskizze Ludwig Herrig’s – die für obigen Artikel die sachliche Hauptquelle bildet – im Archiv f. d. Studium der n. Sprch. u. Litt., Bd. 92 (1889), S. V–XXIV – sein Freund und directer College Prof. Dr. Immanuel Schmidt (12./8. 1823–12./5. 1900). Und was Herrig’s am längsten fortdauernde Schöpfung, das „Archiv“, betreffs des öfters abfälligen Votums über dessen gelehrten Rang unter seiner Leitung anlangt, so ist bekannt, daß viele nachherige Leuchten der Wissenschaft einstmals froh gewesen sind, ihre erste litterarische Ernte in dieser Scheune abladen zu dürfen, wie es denn lange Zeit mit Recht ein Asyl für die Ausbeute stillen Gelehrtenfleißes, voran aus noch unbekannter Feder, gegolten hat. Ich selbst besitze dafür Belege in eigener Correspondenz mit H. aus seinen letzten Lebensjahren 1887/88.
In der Freimaurerei, der er schon, 23jährig, nach dem Vorbilde des Vaters in Braunschweig beigetreten, hat er es rasch in Elberfeld zum Redner, mit 32 Jahren ebenda zum Meister vom Stuhl gebracht, wozu ihn 1853 auch die Berliner Loge „Friedrich Wilhelm zur gekrönten Gerechtigkeit“ wählte. Wie er bereits in Elberfeld kräftig für eine Reform der Freimaurerei eingetreten war (vgl. „Freimaurer-Zeitung“ 1849, S. 305), so wirkte er nun auch während seiner langen Berliner Periode. 1852 als Vertreter der Großen Loge von England Mitglied der „Großen Loge von Preußen genannt Royal York zur Freundschaft“ in Berlin geworden, entdeckte er hier die Merkzeichen der Winkelloge der Gymnosophen à la vallée de Londres, wurde 1860 Großredner, 1881 Obermeister des Innern Orients, in welchem Amt er für historische Forschung und gegen die Hochgrade auftrat; 1873 wurde er Großmeister und damit Leiter der Lehrart von Royal York. In diesen Würden, zumal in seiner maßgeblichen letzten Position förderte er treu das maurerische Leben der Logen eifrigst, desgleichen deren Zusammenschluß zu fester Einheit. Sein Hauptverdienst in diesem bis zum Tode 1889 festgehaltenen Range ist neben dem Streben, die Bräuche vereinfachen zu lassen, das Festhalten am Grundgesetze von Royal York, daß das Re1igionsbekenntniß kein Hinderungsgrund zur Aufnahme in den Bund ist, also auch Israeliten (seit 1872 zu R. Y.) zuzulassen seien. Herrig’s bezügliche Auffassungen (die sein nur ein Jahr amtirender Nachfolger Prof. Herm. Settegast noch, auch in Schriften 1892, 1895, 1896, 1898, wesentlich überboten hat) deckten sich in der Hauptsache mit denen des stellvertretenden Protectors, des Kronprinzen, späteren Kaisers Friedrich, der ihm unausgesetzt Gunst und Huld bezeugte, ganz besonders seit nach Errichtung des Deutschen Reichs eine einzige deutsche Großloge angestrebt wurde. Herrig’s viele maurerischen Reden und Vorträge sind gedruckt erschienen. Am 10. November [248] 1888 feierte man im festlich geschmückten Saale der Großloge Royal York das 50jährige Lehrerjubiläum unter Theilnahme vieler Fachgenossen und Schüler Herrig’s und angesehener Persönlichkeiten, am 21. Januar 1889 fand ebenda die seitens derselben Freimaurercorporation veranstaltete Trauerfeier statt, an die sich der Leichenzug und eine Beisetzung voll hoher Ehren anschlossen. Das schöne Gebot des Maurerthums zu Humanität und Wohlthätigkeit hat H. allzeit voll bewahrheitet, und darum darf I. Schmidt’s Nekrolog wie folgt auslaufen: „Durch stete Bereitwilligkeit zu helfen und Gutes zu thun, hat er Unzählige zu tiefgefühltem Danke verpflichtet, seine Familie hat ihn geradezu vergöttert. Mögen manche Hoffnungen ihm fehlgeschlagen, nicht alle Blüthenträume gereift sein, er war ein glücklicher Mensch. Sein Andenken wird stets gesegnet werden.“
- Die Arbeit I. Schmidt’s über H. ist der Abdruck seiner Trauerrede bei der Gedächtnißfeier der Berliner Gesellschaft f. d. Studium der neueren Sprachen (s. Archiv f. d. Stud. d. n. Sprchn. u. Lit., 82. Bd., S. 465 u. 470). – Man vergleiche übrigens betreffs redactioneller und fachlitterarischer Wirksamkeit das von ihm selbst herausgegebene Generalregister von Band I bis L (1873) und das von Herm. Springer herausgegebene zu Bd. LI bis C (1900) seines Archivs; für letzteres selbst haben seit Herrig’s Tod als Herausgeber, die den wissenschaftlichen Charakter der alteingeführten Zeitschrift zu heben trachteten, bis dato fungirt: Stephan Wätzoldt († 1904), Julius Zupitza († 1895; s. A. D. B. XLV, 502 f.), Adolf Tobler, Alois Brandl, Heinr. Morf, je zu zweien. – Ueber Herrig’s freimaurerische Thätigkeit unterrichtet J. F. A. Flohr, „Geschichte der Großen Loge von Preußen, genannt Royal York zur Freundschaft“ (1898), II, 82; außerdem, nebst Lebensabrissen, Freimaurer-Zeitung 1889, S. 41, „Latomia. Neue Zeitschrift für Freimaurerei“, Jhrg. 1889, S. 23, Allgem. Handbuch der Freimaurerei (1900; 3. Aufl. von Lenning’s Encyklopädie d. Fr.) I, 440 f. u. 96 a.