ADB:Hergenröther, Joseph
Hettinger und Denzinger den Ruf der Würzburger theologischen Facultät mächtig hob. 1868 wurde er mit Hettinger als Consultor zur Vorbereitung des Concils nach Rom berufen. 1877 ernannte ihn Papst Pius IX. zum päpstlichen Hausprälaten. Am 12. Mai 1879 wurde er von Papst Leo XIII. zum Cardinal ernannt und siedelte nach Rom über, wo ihm der Papst alsbald das Amt des Präfecten der Apostolischen Archive übertrug. In diesem Amte war er berufen, im Sinne des Papstes die Neuordnung des Vaticanischen Archivs und dessen Oeffnung für die wissenschaftliche Forschung durchzuführen. Er war auch Mitglied der Congregationen des Concils, des Index, der außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten und der Studien. Auf der Rückreise von seinem letzten Besuche in Deutschland im Sommer 1890 starb er in dem von ihm gern besuchten Cistercienserstift [229] Mehrerau am 3. October 1890 infolge eines Schlaganfalles. Er ist in der Stiftskirche daselbst begraben.
Hergenröther: Joseph H., Cardinal, Kirchenhistoriker, geboren am 15. September 1824 zu Würzburg als Sohn des damaligen Professors der Medicin Johann Jakob H., † am 3. October 1890 zu Mehrerau. H. absolvirte die Gymnasialstudien zu Würzburg, studirte dann noch zwei Jahre, 1842–1844, Philosophie und Theologie an der Universität daselbst und trat im Herbst 1844 in das deutsche Colleg in Rom ein, um hier seine Studien fortzusetzen. Durch den Ausbruch der Revolution verhindert, dieselben hier bis zur Erlangung des Doctorgrades zu vollenden, empfing er am 28. März 1848 noch die Priesterweihe, kehrte dann in die Heimath zurück, trat in das Würzburger Priesterseminar und hörte noch während zweier Semester theologische Vorlesungen an der Universität. Im März 1849 wurde er Kaplan in Zellingen, wirkte aber nur während eines Jahres in der Seelsorge, da ihn sein Bischof für das Lehramt in Aussicht nahm, bezog auf dessen Wunsch im Mai 1850 die Universität München und wurde daselbst am 18. Juli 1850 Dr. theol. Im Mai 1851 habilitirte er sich an der Münchener theologischen Facultät als Privatdocent. Am 3. November 1852 wurde er zum außerordentlichen Professor der Kirchengeschichte und des Kirchenrechtss in Würzburg ernannt, am 15. Mai 1855 zum ordentlichen Professor. Neben den Hauptfächern auch die Patrologie vertretend, wirkte er hier bis 1879 als hervorragender akademischer Lehrer, der mitDie bedeutende und umfangreiche wissenschaftliche Thätigkeit Hergenröther’s beginnt mit der patristischen Dissertation: „Die Lehre von der göttlichen Dreieinigkeit nach dem heiligen Gregor von Nazianz, dem Theologen, mit Berücksichtigung der älteren und neueren Darstellungen dieses Dogma“ (Regensburg 1850). Es folgt die Münchener Habilitationsschrift: „De catholicae Ecclesiae primordiis recentiorum Protestantium systemata expenduntur dissertatione historico-dogmatica“ (Regensburg 1851). Mit der durch die Entdeckung und Veröffentlichung der Philosophumena (1851) neu in Fluß gebrachten Hippolytus-Frage befaßte sich die Arbeit: „Ueber die neu entdeckten Philosophumena“ (Tübinger Theologische Quartalschrift 1852, S. 416 bis 441). Nachdem H. in den für den Ergänzungsband des Kirchen-Lexikons von Wetzer u. Welte (1856) verfaßten Artikeln Calixtus I. (S. 206–209), und Hippolytus (S. 569–572) eine kürzere Darstellung im Lichte der neuen Entdeckung und im Anschluß an das Werk Döllinger’s gegeben hatte, kam er später nochmals eingehend auf die Vertheidigung der Autorschaft des Hippolytus zurück: „Hippolytus oder Novatian? Nochmals der Verfasser der ‚Philosophumena‘“ (Oesterreichische Vierteljahresschrift f. katholische Theologie, II. Jahrg., 1863, S. 389–440). Den Hauptgegenstand seiner Studien in den fünfziger und sechziger Jahren bildeten sodann Photius und die Geschichte des griechischen Schismas. Als erste Frucht seiner Beschäftigung mit den Schriften des Photius seit 1854, für die er nicht nur gedrucktes Material, sondern insbesondere auch die Handschriftenschätze der bedeutendsten Bibliotheken heranzog, erschien 1857 seine Ausgabe der bisher unedirten Schrift: „Photii Constantionpolitani Liber de Spiritus sancti mystagogia, quem notis variis illustratum ac theologicae crisi subiectum nunc primum edidit“ (Regensburg 1857); dazu die Abhandlung: „Die theologische Polemik des Photius in seiner Schrift vom heiligen Geist“ (Theologische Quartalschrift 1858, S. 559–629). Derselbe Jahrgang der Quartalschrift (1858, S. 252 ff.) brachte die Abhandlung: „Die Amphilochien des Photius“. Dann lieferte H. Beiträge zu der Migneschen Ausgabe des Photius (Patrologia graeca T. 101–104, Paris. 1860), besonders zu der Ausgabe der Amphilochia; auch seine Ausgabe der Mystagogia Spiritus sancti wurde darin (T. 102) gegen seinen Willen wieder abgedruckt. Zu kritischen Auseinandersetzungen gab ihm das Werk von A. Pichler, Geschichte der kirchlichen Trennung zwischen dem Orient und Occident (München 1864 f.) Veranlassung; zur Kritik des 1. Bandes schrieb H.: „Neue Studien über die Trennung der morgenländischen und der abendländischen Kirche“ (Chilianeum, Bd. V, 1864, S. 8–26, 56–70, 97–122; auch separat, Würzburg 1864); vgl. ferner Chilianeum Bd. VI, 1865, S. 246–255, und Bd. VII, 1865, S. 20–33; und Archiv für kathol. Kirchenrecht Bd. XII, 1864, S. 471–474; Bd. XIV, 1865, S. 140–155. Eine Uebersicht über andere neuere Litteratur zur Geschichte des griechischen Schismas hatte er vorher gegeben: „Studien und Kritiken über die neuesten Bestrebungen des katholischen Abendlandes für die Wiedervereinigung mit der orientalischen Kirche“ (Chilianeum, Bd. III, 1863, S. 369–882). Endlich erschien als Frucht zwölfjähriger Arbeit das monumentale Werk: „Photius, Patriarch von Constantinopel. Sein Leben, seine Schriften und das griechische Schisma. Nach handschriftlichen und gedruckten Quellen“ (3 Bde., Regensburg 1867–1869), „eine weit angelegte Monographie, die im Rahmen einer Geschichte der griechischen Kirche vom 4. Jahrhundert bis zur Befestigung der Kirchentrennung im 12. und 13. Jahrhundert mit Heranziehung eines großen ungedruckten Quellenmaterials [230] geboten wird; Gründlichkeit, große Gelehrsamkeit und Objectivität sind anerkannte Vorzüge dieses Werkes“ (A. Ehrhard in Krumbacher’s Geschichte der byzantinischen Litteratur, 2. Aufl. 1897, S. 78). Als Ergänzung schloß sich daran die Sammlung ungedruckter Schriftstücke: „Monumenta graeca at Photium ejusque historiam pertinentia“ (Regensburg 1869). Von Hergenröther’s übrigen Schriften bis 1870 ist an erster Stelle das Werk zu nennen: „Der Kirchenstaat seit der französischen Revolution. Historisch-statistische Studien und Skizzen“ (Freiburg i. Br. 1860; zuerst in einer Reihe von Artikeln in den Historisch-politischen Blättern, Bd. 43 u. 44, 1859; eine französische Uebersetzung erschien Leipzig 1860); Von kleineren Arbeiten: „Der Zeitgeist und die Souveränetät des Papstes“ (Katholik 1861, I, S. 513–543); „Die Reordinationen der alten Kirche“ (Oesterreichische Vierteljahresschrift für kathol. Theologie, I. Jahrg. 1862, S. 207–252, 387–456); „Die Rechtsverhältnisse der verschiedenen Riten innerhalb der katholischen Kirche“ (Archiv für kathol. Kirchenrecht, Bd. VII, 1862, S. 169–200, 387–363; Bd. VIII, 1862, S. 74–97, 161–200) „Spaniens Verhandlungen mit dem römischen Stuhle“ (Archiv für kathol. Kirchenrecht, Bd. X, 1863, S. 1–45, 185–214; Bd. XI, 1864, S. 252–263, 367–401; Bd. XII, 1864, S. 46–60, 385 bis 430; Bd. XIII, 1865, S. 91–106, 393–444; Bd. XIV, 1865, S. 211 bis 252; Bd. XV, 1866, S. 169–215); „Kirche – und nicht Partei. Eine Antwort auf die jüngste Broschüre des Herrn Dr. Fr. Michelis“)(Würzburg 1865; aus dem Chilianeum, Bd. VI, 1865, S. 8–26, 56– 75); „Die Irrthümer der Neuzeit gerichtet durch den heiligen Stuhl; nach vier Vorträgen über die Encyclica vom 8. Dec. 1864“ (Chilianeum, Bd. VI, 1865, S. 192 bis 208, 295–310, 337–348, 385–402, 425–437); „Die französisch-sardinische Uebereinkunft vom 15. September 1864“ (Frankfurt a. M. 1865; = Broschüren-Verein, 1. Jahrg., Nr. 3); „Die Marienverehrung in den zehn ersten Jahrhunderten der Kirche“ (Münster 1870; = Zeitgemäße Broschüren, Bd. VI, Heft 8); „Das griechische Kirchenrecht bis zum Ende des neunten Jahrhunderts“ (Archiv für kathol. Kirchenrecht, Bd. XXIII, 1870, S. 185–227). Viele kleinere Aufsätze kirchenhistorischen, kirchenrechtlichen und apologetischen Inhalts erschienen ferner insbesondere in der Würzburger „Katholischen Wochenschrift (herausgeg. von Himmelstein, 1853–1857), und im „Chilianeum“ (1862–1869). – In den aus Veranlassung des Vaticanischen Concils sich erhebenden Streitigkeiten stand H. in der ersten Reihe der Vertheidiger des Concils und seiner Beschlüsse. Von ihm gemeinsam mit Hettinger verfaßt ist das von der bairischen Regierung verlangte, vom 7. Juli 1869 datirte „Gutachten der theologischen Facultät in Würzburg über fünf ihr vorgelegte Fragen, das bevorstehende ökumenische Concil in Rom betreffend“ (Chilianeum, Neue Folge, Bd. II, 1869, S. 258–307; auch separat, Würzburg 1869); von ihm allein das spätere, vom Ministerium nicht mehr angeforderte und darum nicht eingereichte, aber im Druck veröffentlichte Gutachten: „Ueber das Vaticanische Concil. Entwurf einer Beantwortung der elf vom königl. bayerischen Staats-Ministerium des Cultus den theologischen und juristischen Facultäten vorgelegten Fragen“ (Katholik 1871, I, S. 129–180; auch separat, Mainz 1871; auch im Pastoralblatt für die Erzdiöcese München-Freising 1871, Nr. 15 u. 17 zum Abdruck gebracht). Dem Döllinger’schen „Janus“ trat H. mit dem Buche entgegen: „Anti-Janus, eine historisch-theologische Kritik der Schrift: ‚Der Papst und das Konzil‘. von Janus“ (Freiburg i. Br. 1870). Es folgten die kleineren Schriften: „Die ‚Irrthümer‘ von mehr als vierhundert Bischöfen und ihr theologischer Censor. Ein Beitrag zur Würdigung der von Herrn Dr. v. Döllinger veröffentlichten ‚Worte über die Unfehlbarkeitsadresse‘“ (Freiburg [231] i. Br. 1870); „Die Conciliums-Briefe der Allgemeinen Zeitung“ (Histor.-polit. Blätter, Bd. 65, 1870, S. 707–723, 737–761, 865–886; Bd. 66, 1870, S. 21–40, 132–157, 198–223, 421–447); „Die päpstliche Unfehlbarkeit vor dem vaticanischen Concil“ (Histor.-polit. Blätter, Bd. 66, 1870, S. 500–526, 557–583, 653–681); „Die alten Gallikaner und die modernen Appellanten“ (Histor.-polit. Blätter, Bd. 66, 1870, S. 721–735); „Das unfehlbare Lehramt des Papstes; drei Vorträge“ (Passau 1871); „Kritik der v. Döllinger’schen Erklärung vom 28. März 1871“ (Freiburg i. Br. 1871). Endlich das große kirchenpolitische Werk: „Katholische Kirche und christlicher Staat in ihrer geschichtlichen Entwickelung und in Beziehung auf die Fragen der Gegenwart. Historisch-theologische Essays und zugleich ein Anti-Janus vindicatus“ (2 Abtheilungen, Freiburg i. Br. 1872; 2. Aufl. mit Litteraturbelegen u. Nachträgen, 1876; italienische Uebersetzung Pavia 1877 f., 3 Bde.; englische Uebersetzungen London 1876 u. Baltimore 1889).
Nach diesen Kämpfen verfaßte H. für die Herder’sche Theologische Bibliothek als Zusammenfassung seiner kirchenhistorischen Studien sein zweites großes Hauptwerk, das „Handbuch der allgemeinen Kirchengeschichte“ (3 Bde., Freiburg i. Br. 1876–80; 2. Aufl. 1879 f.; 3. Aufl. 1884–86; als 4. Aufl. erscheint eine von Joh. Peter Kirsch unternommene Neubearbeitung, 1. u. 2. Bd. 1902, 1904; eine französische Uebersetzung war in Paris 1880 ff., eine spanische in Madrid 1883 ff. erschienen). Im J. 1877 übernahm H. die Redaction der zweiten Auflage des Kirchenlexikons von Wetzer u. Welte und leitete die Vorbereitungsarbeiten, bis er sich durch seine Berufung nach Rom genöthigt sah, diese dann von Kaulen übernommene Thätigkeit niederzulegen. Von kleineren Arbeiten sind aus den letzten Würzburger Jahren außer Recensionen (in der Literarischen Rundschau, dem Archiv für Kirchenrecht u. a.) zu nennen: „Papst Pius IX. groß in seinem Wirken und in seinem Leiden“ (Würzburg 1876); „Athanasius der Große“ (in der Vereinsschrift der Görres-Gesellschaft für 1876 u. separat, Köln 1876); Das „Armuthsgelübde bei den orientalischen Mönchen“ (Archiv für kathol. Kirchenrecht, Bd. 37, 1877, S. 20–28); „Cardinal Maury. Ein Lebensbild aus dem Ende des vorigen und dem Anfange des jetzigen Jahrhunderts“ (Würzburg 1878; = Kathol. Studien, 4. Jahrg., Heft 3/4); „Abriß der Papstgeschichte“ in dem von Leo Woerl herausgegebenen Papst-Album (Würzburg 1878; 2. Aufl. des Textes 1879); „Ueber den kirchenrechtlichen Begriff der Nomination“ (Archiv für kathol. Kirchenrecht, Bd. 39, 1878, S. 193–214).
In Rom nahm H. die Herausgabe der Regesten Leo’s X. in Angriff: „Leonis X. Pontificis Maximi Regesta e Tabularii Vaticani manuscriptis voluminibus aliisque monumentis collegit et edidit Jos. Card. Hergenröther“ (T. I, = fasc. 1–6, Freiburg i. Br. 1884–85; den Anfang von T. II, fasc. 7/8, ließ 1891 sein jüngerer Bruder Franz Hergenröther folgen; damit ist das bis 1515 fortgeführte Werk einstweilen ins Stocken gerathen). Ferner übernahm er die Fortsetzung der Conciliengeschichte von Hefele, von der er noch zwei starke Bände erscheinen lassen konnte (Bd. VIII u. IX, Freiburg i. Br. 1887 u. 1890).
- J. B. Stamminger, Zum Gedächtnisse Cardinal Hergenröthers (Freiburg i. Br. 1892; mit Porträt). – [Heinrich], Cardinal Hergenröther; Katholik 1890, II, S. 481–499. – Hollweck, Ein bayerischer Cardinal †; Histor.-polit. Blätter, Bd. 106, 1890, S. 721–729.