ADB:Hepp, Karl Ferdinand Theodor
Mittermaier, Zachariä und Thibaut, in dessen Hause er gerne gesehen war, und dem er stets mit warmer Hingebung zugethan blieb, hörte in Göttingen Eichhorn, in Berlin Savigny und verweilte dann noch 3 Semester in Kiel, besuchte indeß wenige Vorlesungen, weil er die in den Herzogthümern gegen die wissenschaftliche Bedeutung der Landesuniversität herrschende Ansicht theilte. Im Herbste 1824 unterzog er sich der juristischen Amtsprüfung. Die politische Lage seiner Heimath begann sich damals immer unerfreulicher zu gestalten. Die kühner auftretenden Danisirungsversuche und das von Kopenhagen ausgehende System, die Sonderrechte Schleswig-Holsteins zu schmälern, brachten in ihm den Entschluß zur Reife, sein Heimathland zu verlassen. Er habilitirte sich 1825 in Heidelberg, las hauptsächlich Encyklopädie, Naturrecht, Institutionen und Strafrecht und bewegte sich in einem Docentenkreise, der höchst anregend auf ihn wirkte. Dort schritt er auch 1831 zur Ehe mit Isabella Elisabeth Pickford, welche ihm jedoch schon nach 8 Jahren (11. Decbr. 1839) durch den Tod entrissen wurde. 1833 siedelte er als Professor des Criminalrechts nach Bern über und bekleidete dort zugleich die Stelle eines Staatsanwaltes. Noch in demselben Jahre wurde er an Wächters Stelle nach Tübingen berufen, wodurch ein in seiner Jugend lebhaft geäußerter Wunsch in Erfüllung ging. Dort verblieb er in akademischer Thätigkeit bis zu seinem Tode, der nach langwierigem Rückenmarksleiden am 3. März 1851 eintrat. H. war ein sehr fruchtbarer Schriftsteller, der sich mit Vorliebe auf dem Gebiete der Criminalpolitik und Criminalphilosophie bewegte. Er lieferte auch zahlreiche Aufsätze in verschiedene Fachblätter und war seit 1845 Mitherausgeber des Archivs für Criminalrecht. Geschichtliche Forschung bot ihm keinen Reiz; selbst für geschichtliche Behandlung eines Stoffes hatte er wenig Sinn. Sein Hauptwerk „Darstellung und Beurtheilung der deutschen Strafrechtssysteme“ (ein Beitrag [15] zur Geschichte der Philosophie und der Strafgesetzgebungswissenschaft), 1844–45, ist aus einer völligen Umarbeitung seiner 1829 veröffentlichten kritischen Darstellung der Strafrechtstheorien hervorgegangen. Das Werk umfaßt drei Bände, dessen erster nach einer umfassenden Einleitung in die Strafrechtssysteme die Vergeltungs- oder Gerechtigkeitssysteme, dessen zweiter die Vertrags- und Abschreckungstheorien, und dessen dritter die übrigen relativen Systeme behandelt. H. erklärt die Wiedervergeltungs- sowie die Abschreckungstheorie für „verwerflich“, und huldigt dem Systeme der bürgerlichen Gerechtigkeit, „welches frei von dialektischem Formenwesen die Begriffe von Staat, Recht und Strafe auf das lebendige Sitten- und Religionsgesetz gründet“, und in dem Satze gipfelt „daß das für die rechtliche und moralische Ordnung des Staates aus dem Verbrechen entspringende physische und moralische Uebel des Verbrechens durch die Strafe getilgt und die Principe für Qualität und Quantität der Strafe aus dem Rechts- und Verpflichtungsgrunde derselben abgeleitet werden“ (Bd. I. S. VII und die vorzüglich geschriebene Einleitung S. XVII. Bd. II. 2. § 113–117). Das scharf durchdachte Werk ist mit ungemeiner Gründlichkeit und sicherer Beherrschung des rechtlichen wie philosophischen Stoffes behandelt, leidet indeß an großer Breite und daher an einer gewissen Schwerfälligkeit. Außerdem sind noch zu erwähnen: „Versuch über einzelne Lehren der Strafrechtswissenschaft“ (1827), die beiden mit seinem Hauptwerke in sachlichem Zusammenhange stehenden Schriften: „Ueber die Gerechtigkeits- und Nutzungstheorien des Auslands und den Werth der Philosophie des Strafrechts für die Strafgesetzgebungswissenschaft überhaupt“, (1834); und „Bentham’s Grundsätze der Criminalpolitik“, (1838, eine seiner vorzüglichsten Arbeiten); ferner die Abhandlung „Ueber den gegenwärtigen Stand der Streitfrage über Zulässigkeit der Todesstrafe“ (1835), in welcher H. unter Beiziehung der gesammten Litteratur alle Gründe für und wider die Strafart systematisch zusammenstellt, für deren Rechtmäßigkeit und Unentbehrlichkeit in die Schranken tritt, zugleich aber der Ansicht Ausdruck gibt, daß sie durch immer größere Beschränkung allmählich aus dem Strafregister verschwinden werde (S. 23, 81). Auch die zu jener Zeit in Fluß gerathene württembergische Strafgesetzgebung veranlaßte ihn zu mehreren wissenschaftlichen Arbeiten, darunter zu einem Commentar des Strafgesetzbuchs von 1839; ein stoffreiches gelehrtes Werk in 3 Bänden, welches jedoch nur bis Art. 273 (Körperverletzungen) gedieh, und in der Praxis wenig Eingang fand. Von untergeordneter Bedeutung sind Hepp’s civilistische Abhandlungen, in denen er die Methode seines Lehrers Thibaut nachahmte. Bei H. überwog unbeschadet seinem Freundschaftsgefühle und Wohlthätigkeitssinne die Verstandesseite; seine Schriften verrathen Dialektik und die in denselben geübte Kritik ist nicht ohne Schärfe. Neben H. wirkte in Tübingen Köstlin. Der zwischen beiden Männern in der Wissenschaft wie in der ganzen Lebensanschauung herrschende Antagonismus war jedoch deren näherem Anschlusse entgegen. Auf die religiöse Richtung, welche besonders während Hepp’s langwieriger Krankheit zu Tage trat, hatte seine strenggläubige Gattin schon frühzeitig wesentlichen Einfluß geübt.
Hepp: Karl Ferdinand Theodor H., Criminalist, geb. am 10. December 1800 zu Altona, wo sein Vater als geachteter Kaufmann lebte. Nach gründlichem Gymnasialunterrichte zu Hamburg, welchen häuslicher Fleiß möglichst fruchtbar machte, begann H. zu Ostern die Universitätsstudien in Heidelberg bei- Neuer Nekrolog der Deutschen, 29. Jahrg. S. 178, woselbst auch ein Verzeichniß seiner sämmtlichen litterarischen Erzeugnisse. – Holtzendorff, Handb. d. Str. Rs., Bd. I. S. 276. – Berner, Die Strafgesetzgebg. in Deutschland, S. 113, 128, 133.