ADB:Heinrich der Reiche
Heinrichs des Frommen (s. denselben), geboren um das Jahr 1130, besaß im Laufe seiner voigteilichen Regierung zum erstenmale das gesammte Voigtland, also die kaiserlichen Voigteien Weida, Gera, Greiz, Plauen und Hof, gemeinsam. Dieser bemerkenswerthe Umstand findet seine Erklärung in der nahen Verwandtschaft, in welcher der Voigt zum deutschen Kaiserhause stand, und zwar durch seine Vermählung mit Bertha, einer Tochter des Herzogs Leopold III. von Oesterreich aus dem babenbergischen Hause. Bertha war eine Enkelin Kaiser Heinrichs IV., dessen Tochter, Agnes, sie in ihrer zweiten Ehe mit Herzog Leopold geboren hatte. Aus ihrer ersten Ehe, mit Friedrich von Hohenstaufen, war dagegen Friedrich II., der Vater von Kaiser Friedrich Barbarossa hervorgegangen. Bertha war somit die Tante Kaiser Friedrichs und Großtante Kaiser Heinrichs VI. Der Voigt hatte, wie sein Vorgänger, gleich anfangs die Voigteien Weida, Gera und Greiz erhalten. Der damalige Voigt von Plauen, Heinrich, folgte im J. 1189 mit einer Anzahl Kriegsvolk dem Kaiser Friedrich I. auf dem Kreuzzuge nach Palästina. Weder er noch der Kaiser sahen die Heimath wieder. Der Voigt soll bei dem Sturme auf Ptolomais geblieben sein. H. (der Reiche) ersuchte den Sohn und Nachfolger Friedrichs, den Kaiser Heinrich VI., um Ueberlassung der erledigten Voigtei Plauen, die ihm bereitwillig zugestanden wurde. Später brachte er durch die Vermählung seines ältesten Sohnes mit der Gräfin Lutharia von Orlamünde noch die Voigtei im Regnitzlande mit der Stadt Hof an sich und war nunmehr Beherrscher des gesammten Voigtlandes, daher sein geschichtlicher Beiname „der Reiche“. Er war Obermarschall Barbarossas gewesen und erhielt dieses Amt bald auch bei Heinrich VI. Im J. 1190 begleitete er diesen nach Italien, bekämpfte an dessen Seite alle die entgegenstehenden Hindernisse, bis dieser zu Rom, am zweiten Ostertage (13. April) 1191, von dem greisen Papste Cölestin III. zum Kaiser gekrönt wurde. Unmittelbar nach der Krönung empfing Voigt H. von seinem dankbaren Kaiser den Ritterschlag. Im J. 1193 kommandirte H. im kaiserlichen Belagerungsheere vor Braunschweig, zur Einschließung des alten Sachsenherzogs Heinrichs des Löwen. Auf seiner Rückkehr nach der Heimath übernachtete Voigt H. am 8. September 1193 im Prämonstratenserkloster zu Magdeburg, dessen Propst ihn besonders dazu eingeladen hatte. – Einschaltend ist hier zu erwähnen, daß H. in seiner Kindheit das Unglück gehabt, durch Zuschlagen eines Thorflügels seinen jüngern und einzigen Bruder so stark am Fuße zu verletzen, daß er infolge dessen gebrechlich wurde und bald nachher starb. Der Ueberlebende war untröstlich darüber und klagte sich des Brudermords an. Dieser Gedanke verließ ihn selbst in seinen höheren Mannesjahren nicht und raubte ihm eigentlich alle Lebensfreude. – Im Kloster zu Magdeburg hatte H. in genannter Nacht einen Traum, der sich auf jenen Fall bezog. In demselben erschien ihm, mit großem Gefolge von Heiligen, die Himmelskönigin Maria und befahl ihm: er möge, um seine That zu sühnen, in seiner Heimath ein Kloster vom Orden der Prämonstratenser bauen. Nach seiner Rückkehr traf der Voigt sofort Anstalt zum Klosterbau; [573] seine Gemahlin reiste zu Kaiser Heinrich VI., ihrem Neffen, und kehrte von dort mit der erbetenen Bestätigung der Klosterstiftung zurück. Das neue Kloster wurde ein Prachtbau seiner Zeit, wie heute noch die, zwei Stunden thalaufwärts von Gera stehenden Ueberreste des Klosters „Mildenfurt“ beweisen. Dort auch liegt H. sammt seiner Gemahlin Bertha begraben. Von ihm aus ging das Gesetz, welches seitdem unverändert im Reußenhause besteht: daß alle männlichen Mitglieder desselben den Taufnamen „Heinrich“ führen. Der Grund dazu ruht, wie sich annehmen läßt, in der nahen Verwandtschaft mit den diesen Namen führenden deutschen Kaisern; namentlich in der dankbaren Erinnerung an Heinrich IV. und in der treuen Ergebung für Heinrich VI. – Einen Fehler beging der hochbegabte Mann dadurch, daß er das vereinte und starke Voigtland an seine drei Söhne zertheilte, und zwar so, daß auch diese einzelnen Theile nicht je ein abgerundetes Ganze bildeten, sondern in absichtlicher Verschlingung mannigfach in- und durcheinander geschoben waren. Der gute Zweck, den er bei dieser Maßregel im Sinne gehabt, ist jedenfalls unerfüllt geblieben. Das zerstückte Gebiet war dadurch so geschwächt, daß die, den Voigten stets feindlich gesinnten Landgrafen von Thüringen, es bald schwer zu schädigen und die Voigtlande von sich abhängig zu machen wußten.
Heinrich der Reiche, Enkel