ADB:Hasenclever, Peter (Kaufmann)
[734] und Tuchfabriken machte. Er schickte denselben bald aufs Neue nach Frankreich, wo H. binnen eines Jahres den Absatz der Nadelfabriken verzwölffachte. – Nunmehr wurde er auch nach Spanien geschickt, um an Ort und Stelle Merinowolle für die Tuchfabriken einzukaufen, was vortrefflich gelang. Er verweilte längere Zeit in Cadix und in Lissabon, machte daselbst mit vielen amerikanischen Kaufleuten Bekanntschaft, und ließ sich über die Handelsverhältnisse in der neuen Welt belehren. In Lissabon lernte er Miß Wilds, die Tochter eines Schiffscapitäns kennen, mit der er sich verlobte. – Nach Burtscheid zurückgekehrt, fand er bei seinem Compagnon nicht die Anerkennung die er verdiente, sondern hatte Ursache zu glauben, daß man ihn übervortheilen, und um den wohlverdienten Gewinn bringen wollte. Er löste deshalb das Verhältniß, und kehrte nach Lissabon zurück, wohin ein daselbst etablirter Verwandter ihn eingeladen hatte. Er trat in dessen Geschäft, heirathete seine Braut und erwarb sich binnen weniger Jahre ein beträchtliches Vermögen, wodurch er im Stande war, seinem alten Vater große Erleichterung zu verschaffen, indem er für das Unterkommen seiner Brüder sorgte, von denen er einen als Leinwandhändler in Schmiedeberg in Schlesien etablirte. – Schon damals wirkte H. mit großem Erfolg auf die Verbesserung der im Sinken begriffenen schlesischen Leinenindustrie, indem er theils auf die Fehler der Fabrikation und der Verpackung aufmerksam machte, welche den Absatz ins Ausland erschwerten, theils indem er Proben französischer Leinwand nach Schlesien schickte, die als Muster dienen sollten, und dabei die zweckmäßigen Einrichtungen empfahl, mittelst deren jedes einzelne Stück in Frankreich geprüft wurde, bevor es ins Ausland ging. Seine eigenen Geschäfte veranlaßten ihn 1754 zu einer Reise nach England, bei welcher Gelegenheit er Berlin berührte. Hier fanden seine kaufmännischen Kenntnisse so große Anerkennung, daß Friedrich der Große auf ihn aufmerksam wurde, ihn zu sich berief, und ihn beauftragte, mit dem schlesischen Minister von Massow über die Hebung des dortigen Leinwandhandels in Berathung zu treten. Er vollzog diesen Auftrag und ging dann 1755 nach London. – Bald faßte er für England so große Vorliebe, daß er sich daselbst förmlich durch Parlamentsacte naturalisiren ließ, wozu ihn auch der Umstand bewog, daß seine Frau, die das südliche Klima nicht vertrug, in England zu genesen hoffte. – In England erweiterte er die Kenntnisse, die er sich bereits früher von dem amerikanischen Handel erworben hatte, und bald gewann er die Ueberzeugung, daß es leicht sein würde, in Nordamerika eisenhaltiges Terrain und große Waldungen zu erwerben, mittelst deren man England, welches damals viele Millionen für Eisen ins Ausland gehen ließ, aus dessen eigenen Colonieen versorgen könnte. Seine Pläne fanden Anklang, und er schloß mit einigen Kaufleuten und einem jungen Manne aus vornehmer Familie unter der Firma Hasenclever, Seton und Crofts eine Handelsgesellschaft, deren Plan vom Colonialminister gebilligt und belobt wurde. H. sollte nach Amerika gehen, die beiden andern in London die Geschäfte des Hauses leiten. Andere Personen schlossen sich, gewissermaßen als Actionäre an. – Im Juni 1764 gelangte H. nach New-York, wo er bald für einen verhältnißmäßig geringen Preis weitläufige Ländereien mit großen Waldungen und eisenhaltigem Boden erwarb. Durch Vermittelung seiner deutschen Freunde folgten ihm zahlreiche Arbeiterfamilien, so daß die Colonie aus 325 Personen bestand. Das Unternehmen wurde mit soviel Sachkenntniß und Thatkraft in die Hand genommen, daß bereits im November 1766 mehr als 200 Gebäude aller Art, Schmieden, Hochöfen, Mühlen, Magazine etc. in Betrieb gesetzt waren, auch weitläufige Wasserleitungen legte H. an, und konnte bald eine große Menge Stabeisen nach England senden, wo man dasselbe für das beste Eisen erklärte, welches bisher aus Amerika gekommen wäre. – Auch von seiner Londoner Firma erhielt [735] er gute Nachrichten, so daß er sich den schönsten Hoffnungen hingeben durfte. Da plötzlich wurde ihm gemeldet, Seton treibe wahnsinnigen Luxus und stelle große Wechsel aus, während Crofts im Verdacht stehe, Betrügereien zu üben, so daß der Banquerott zu befürchten sei. – Sofort kehrte H. nach Europa zurück, um sich von der Lage der Dinge zu überzeugen. Es fand alles noch weit schlimmer als er befürchtet hatte. Seine Compagnons waren ehrlose Leute, die ihn nicht nur um sein Vermögen zu bringen, sondern auch aus dem amerikanischen Unternehmen zu verdrängen strebten. Er mußte sich entschließen einen Prozeß bei dem Canzleigerichtshofe anzustrengen, was, bis in die neuesten Zeiten, fast gleichbedeutend war mit dem völligen Ruin der processirenden Partheien. Der Raum gestattet es nicht, die Geduldsproben zu erzählen, die H. hier zu bestehen hatte. Nach jahrelangen chikanösen Verschleppungen seiner Sache, legte er die Angelegenheit in einer Druckschrift dem Könige und dem Parlamente vor und faßte die Beschwerden in die bezeichnenden Worte zusammen: „Der Rechtsweg ist so langsam und die Prozeßkosten sind so groß, daß man Methusalem’s Alter, Hiob’s Geduld und Salomonis Weisheit und Schätze besitzen müßte, um die Hülfe der Gerechtigkeit abzuwarten. Da ich das Alles nicht besitze, sehe ich mich genöthigt, England zu verlassen.“ Voll Kummer und Aerger kehrte er einem Lande den Rücken, welches ihm einst eine zweite Heimath zu werden versprach. Einige reiche und vornehme Freunde, die er in England erworben, verfolgten seine gerechte Sache weiter, welche zuletzt 1793, nach beinahe 30 Jahren, ganz zu Hasenclever’s Gunsten entschieden wurde. Das Gericht sprach ihm eine Entschädigung von 158400 Pfund Sterling zu, von der er aber nicht das Geringste erhielt, weil die Verurtheilten inzwischen alle verstorben und verdorben waren. Gerade ein halbes Jahr vor seinem Tode erhielt H. die Nachricht von der späten und unfruchtbaren Gerechtigkeit, die ihm zu Theil geworden. Von England aus begab H. sich mit seiner einzigen Tochter nach Schlesien, wo er einst seinen Bruder etablirt hatte. Seine Gattin blieb in England, weil sie glaubte nur das dortige Clima vertragen zu können. – H. wählte Landeshut zu seinem Wohnsitz, und mit Hülfe einiger Außenstände, die ihm von seinen frühereren Geschäftsverbindungen her noch aus Spanien eingingen, gründete er eine neue Firma, und nahm einen strebsamen jungen Mann, der sein Schwiegersohn wurde, zum Compagnon. Die Geschäfte hatten guten Fortgang, und jetzt endlich konnte H. nach so vielen Widerwärtigkeiten zum Genuß eines ruhigen Lebens gelangen. Indem er die reichen Erfahrungen verwerthete, die ihm durch den Aufenthalt in den verschiedensten fremden Ländern zu Gebote standen, brachte er das Landeshuter Geschäft auf eine so hohe Stufe, daß der Ruf desselben sich weit verbreitete. Kaiser Joseph II. forderte ihn 1781 auf, ein Etablissement für Leinenhandel in Böhmen zu errichten, und auch der dänische Hof ließ ihn wissen, daß man es gern sehen würde, wenn er in Holstein oder Jütland Fabriken anlegen wollte. Aber er mochte Schlesien nicht mehr verlassen, wo er bis an seinen Tod für die Verbesserung der Leinenindustrie segensreich wirkte. Durch seine Verbindung mit dem Minister gelang es ihm, viele vortheilhafte Einrichtungen ins Leben zu rufen, welche nicht nur das Wiederaufblühen des tiefgesunkenen Leinenhandels, sondern auch das Beste der armen Weber zum Zwecke hatten. Er war der erste welcher den Gebrauch der Steinkohlen in den Bleichereien einführte, und dadurch große Ersparnisse machte. – Sein Lieblingsplan war seit langen Jahren die Errichtung von großen Garn- und Flachsmagazinen, durch welche den Webern ein besserer und wohlfeilerer Einkauf des Rohmaterials ermöglicht werden sollte. Mit diesem Plane drang er zwar, trotz der Unermüdlichkeit, mit welcher er denselben bei den Behörden und durch Druckschriften verfolgte, nicht durch, dagegen gelang es [736] ihm mittelst seiner spanischen Verbindungen und durch das große Gewicht, welches man in Berlin auf seine Rathschläge legte, es dahin zu bringen, daß Preußen den Zoll auf spanische Weine herabsetzte, wofür dann Spanien den Eingangszoll für schlesische Leinwand bedeutend ermäßigte. Auch sonst war er stets mit Rath und That bereit, wo es galt die inländische Industrie zu befördern. – Von Jahr zu Jahr stieg er höher in der Achtung seiner Mitbürger, und verlebte die letzten Jahre seines bewegten Lebens ruhig und glücklich im Kreise seiner Familie. Er starb am 15. Juni 1793 im 77. Jahre seines Alters. Viele von ihm in mehreren Zeitschriften veröffentlichte Aufsätze über amerikanische und französische Handelsverhältnisse finden sich im Anhange seiner 1794 in Landeshut unter dem einfachen Titel: Peter Hasenclever erschienenen Lebensbeschreibung. Auch die schlesischen Provinzialblätter von 1793 enthalten Notizen über H., welche aber nicht frei von Ungenauigkeiten sind.
Hasenclever: Peter H., Industrieller, am 24. Novbr. 1716 zu Remscheid in Westfalen geboren, war der Sohn eines angesehenen Kaufmanns, Luther H., welcher große Stahl- und Eisenfabriken besaß. Von früh auf hatte er den Sohn zum dereinstigen Theilnehmer an diesen Geschäften bestimmt, und erzog ihn mit Bezug auf einen solchen Lebensberuf. Schon im 7. Jahre schickte er den jungen Peter nach Lennep, wo dessen mütterlicher Großvater Bürgermeister war und ansehnliche Fabriken besaß, in welcher feine Tücher aus spanischer Wolle gearbeitet wurden. Hier besuchte der Knabe die Schule bis er 13 Jahre alt war. Seine freie Zeit brachte er unter den Fabrikarbeitern zu, für deren Thätigkeit er das größte Interesse empfand. – Die Verbindungen seines Großvaters mit spanischen Handelshäusern, durch welche derselbe das Material für seine Gewebe erhielt, weckten die Wißbegierde des Knaben in Bezug auf fremde Länder, weshalb er den Unterricht in der Geographie allen anderen Lehrstunden vorzog. Nachdem er die Schule in Lennep absolvirt hatte, wurde der Knabe auf ein Jahr nach Solingen geschickt, um daselbst die kaufmännische Rechnung und Buchführung zu erlernen. Alsdann trat er in einen Stahlhammer seines Vaters, um das Geschäft daselbst von der Pike auf gründlich sich zu eigen zu machen. Er mußte mit den stärksten Knechten um die Wette arbeiten, und bekam keine bessere Kost und kein weicheres Lager als die Fabrikarbeiter. – Die tägliche Arbeitszeit dauerte von 5 Uhr früh bis 9 Uhr Abends. Frühstück und Mittagbrod wurde stehend aus der Hand genossen, und erst vor dem Schlafengehen fand sich Zeit zu einer ordentlichen Mahlzeit. – Bis an sein Ende hat H. diese Lehrzeit gesegnet, die ihn körperlich gekräftigt, und gegen Entbehrungen aller Art unempfindlich gemacht hat. – Nachdem H. noch sechs Monate lang in Lüttich sich Geläufigkeit in der französischen Sprache erworben, wurde er, als 19jähriger Jüngling, von seinem Vater auf Reisen geschickt, um Kunden für das Geschäft zu werben. Der erste Ausflug führte ihn nach Paris, wo er mit einer für sein Alter seltenen Festigkeit allen Verlockungen auswich, an denen diese Stadt so reich ist, und lediglich die Geschäfte seines Vaters, und die Erweiterung der eigenen Kenntnisse im Auge behielt. Fünfmal bereiste er (zuletzt 1740) ganz Frankreich bis an die spanische Grenze, oft größtentheils zu Fuß. Während er aber auf diese Weise die väterlichen Geschäfte zu fördern suchte, machte das Handelshaus in Remscheid leider nur Rückschritte, und der alte H. verlor durch falsche Speculationen den größten Theil seines Vermögens. Vater und Sohn kamen zu der Ueberzeugung, daß es für letzteren nunmehr gerathen sei, auf eigene Hand sein Glück zu suchen, und H. erwarb alsbald durch seine Kenntnisse und seinen Fleiß das Vertrauen eines reichen Verwandten in Burtscheid, der den vielversprechenden Jüngling zum Theilhaber seiner Nadel-