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ADB:Hartstein, Eduard

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Artikel „Hartstein, Eduard“ von Carl Leisewitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 707–712, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hartstein,_Eduard&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:05 Uhr UTC)
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Hartstein: Dr. Eduard H., Director der königl. landwirthschaftlichen Akademie zu Poppelsdorf bei Bonn, gestorben am 14. December 1869. In der kleinen sächsischen Provinzialstadt Pretzsch bei Wittenberg am 29. Juli 1823 geboren, war er der Sohn des dortigen Stadtgerichtsraths H., welcher der Erziehung dieses ihm von mehreren Kindern gebliebenen einzigen Sohnes eine besondere Sorgfalt zuwandte. Demgemäß wurde H. zunächst durch Privatunterricht im elterlichen Hause bis zu seinem 13. Lebensjahre auf den Besuch einer höheren Schule vorbereitet, kam dann auf das Gymnasium zu Wittenberg und ein Jahr später nach Schulpforta, um sich dort, dem Wunsche seines Vaters folgend, die nöthige Vorbildung für das juristische Studium zu erwerben. Dies Vorhaben sollte indeß bald wieder vereitelt werden, da ihn im 18. Lebensjahre ein gefährliches Augenübel befiel, welches ihn nöthigte, die genannte Schule gegen Ende 1840 zu verlassen und auf den Rath des Arztes seinen Aufenthalt auf dem Lande zu nehmen, eventuell einen für längere Zeit das Landleben gestattenden Beruf zu erwählen. H. entschied sich, wenn auch ursprünglich wol ohne innere Neigung, für das landwirthschaftliche Fach und nahm alsbald darauf Bedacht, dasselbe vorerst praktisch zu erlernen. Nachdem er dies auf mehreren seinem Geburtsorte benachbarten Gütern während der nächsten drei Jahre erreicht hatte, bezog er zu Ostern 1843 die landwirthschaftliche Akademie Eldena bei Greifswald, wo er froh der ersehnten Gelegenheit, dem von ihm gezwungen ergriffenen Berufe einen höheren Gehalt zu geben, unter den Directoren Pabst und Baumstark den ersten Grund zu seiner wissenschaftlichen Berufsbildung legen konnte. Mit Eifer widmete er sich hier den in verschiedenen Richtungen vorgezeichneten Studien und absolvirte dieselben nach wenigen Semestern mit ausgezeichnetem Erfolge. Zum großen Theile nunmehr auf sich selbst angewiesen, ergriff er nach seinem Abgange von Eldena eine sich ihm darbietende Gelegenheit zur selbständigen Ausübung seines Berufes in der Praxis und übernahm die Administration der Güter Pulow und Warnekow bei Anklam in Pommern. H. kam in dieser Stellung bald zu der Erkenntniß, daß er die Kraft zur Erfüllung einer höheren Lebensaufgabe besaß, er vermißte daher auch dort bei aller Regsamkeit in der Führung seines Amtes eine wünschenswerthe Befriedigung und so war ihm diese Stellung nur eine Zwischenstation, von welcher er auf eine andere Bahn einlenken mochte. Es vollzog sich um jene Zeit die Gründung der landwirthschaftlichen Akademie Poppelsdorf, welche, wenngleich in mehrfacher Beziehung mit der Universität Bonn in Verbindung gestellt, jedoch noch einer besonderen Ausrüstung mit tüchtigen Lehrkräften, mit [708] eigenem Lehrapparate, wie mit einer Verwaltung des als Lehrmittel beigegebenen kleinen Universitätsgutes theilhaftig gemacht werden mußte. Nachdem die königl. Regierung für die Direction des neuen Lehrinstitutes den Professor A. G. Schweitzer, vormaligen Director von Tharand, gewonnen, berief sie H. als zweiten Fachlehrer und als Administrator des von der Akademie in Pacht zu übernehmenden Universitätsgutes nach Poppelsdorf. Nun war ihm eine neue Laufbahn eröffnet, in welcher er seinem Streben nach größeren Aufgaben und höheren Zielen Folge geben durfte. Noch im Herbste 1846 mußte H. die Administration zu Poppelsdorf übernehmen und bereits mit der im Jahre darauf stattfindenden Eröffnung der Akademie das ihm überwiesene Lehramt antreten. Den an die Führung dieses doppelten Amtes geknüpften Anforderungen suchte H. mit großer Energie und Ausdauer gerecht zu werden, er widmete sich mit unermüdlichem Eifer der Aufgabe, zunächst die zur erfolgreichen Ausübung der Lehrthätigkeit für nöthig erachtete Erweiterung seiner Kenntnisse namentlich in naturwissenschaftlicher Hinsicht zu gewinnen, und so benutzte er die ihm neben seinen amtlichen Functionen gebliebene Muße, um theils durch Privatstudien, theils durch anderweitige Belehrung in der Physik, Chemie und den biologischen Wissenschaften so weit vorzudringen, daß er einen festen Standpunkt gewinnen mochte, von welchem die um diese Zeit schon rasch vorschreitende Entwickelung jener sicher zu verfolgen, ihr sich immer mehr ausdehnender Einfluß auf die Landwirthschaftslehre richtig zu erfassen und somit auch der weitere Ausbau der letzteren sicher zu bewirken war. Seinem rastlosen Streben genügten indeß die mit den dienstlichen Functionen verknüpften Aufgaben bald nicht mehr, H. wußte auch die Zeit zu erübrigen, um sich an dem Wirken des von einem regen Geiste beseelten rheinpreußischen landwirthschaftlichen Vereins zu betheiligen. Seine hervorragende Mitwirkung bei der Förderung der Vereinszwecke führte ihn bald in den Centralvorstand dieses Vereins und trug ihm die Stelle eines Schatzmeisters desselben zu; hier entspann sich auch für ihn ein schönes Verhältniß enger Freundschaft, welches ihn mit dem damaligen Vereinspräsidenten, dem Freiherrn v. Carnap auf Bornheim, verband. In der Ausübung seines Lehramtes bethätigte H. fortgesetzt den größten Eifer, entfaltete auch in wirthschaftlicher Beziehung eine erfolgreiche Thätigkeit und wußte so das Vertrauen der Studirenden, wie der Gönner der Akademie zu erwecken. Seine Vorlesungen, welche sich anfangs über sehr verschiedene Fachdisciplinen zu verbreiten hatten, concentrirten sich unter dem Directorate des Geh. Regierungsraths v. Weyhe allmählich auf die Lehre vom Acker- und Pflanzenbau und auf die landwirthschaftliche Betriebslehre nebst Buchführung und Güterabschätzungslehre. In diesen Disciplinen lehrte er mit Vorliebe und mit solchem Erfolge, daß er sich eines von Semester zu Semester steigenden Beifalls seiner zahlreichen Zuhörer erfreuen und unter denselben außer der studirenden Jugend auch Männer reiferen Alters aus den verschiedensten Lebensstellungen von ferne und nahe zählen konnte. H. versäumte nicht die jährlich wiederkehrenden Wanderversammlungen deutscher Land- und Forstwirthe zu besuchen, um Antheil an den Debatten zu nehmen oder mit bedeutenden Männern in Verkehr zu treten, und wie er gleich bei seinem ersten Auftreten vor der Versammlung in Magdeburg durch seinen anregenden Vortrag die Augen bedeutender Landwirthe auf sich zu lenken vermocht hatte, so wurde ihm auch aus diesen Kreisen mit der weiteren Ausbreitung seines Rufes eine wachsende Anerkennung zu Theil, indem er sich nach und nach zum correspondirenden resp. zum Ehrenmitgliede einer großen Zahl von landwirthschaftlichen Vereinen Deutschlands ernannt sehen konnte. Auf dem Gebiete der Litteratur war H. nicht minder thätig; sein erstes ziemlich umfangreiches Werk bildete die auf zeitraubenden Vorarbeiten beruhende „Statistisch-landwirthschaftliche [709] Topographie des Kreises Bonn“, welche er 1850 als gekrönte Preisschrift veröffentlichen konnte. In den beiden nächsten Jahren folgten seine „Anleitung zur landwirthschaftlichen Rechnungsführung“, die später nochmals aufgelegt wurde, und seine „Anschauungen über den Zweck und Einrichtung höherer landwirthschaftlicher Lehranstalten“. Nachdem er in den J. 1851 und 52 zwei Instructionsreisen nach England unternommen und die dortigen landwirthschaftlichen Culturverhältnisse zum Gegenstande seiner Studien gemacht hatte, gab er auf Grund derselben sein mehrere Abtheilungen umfassendes Werk: „Die Fortschritte der englischen und schottischen Landwirthschaft“ heraus. Die erste Abtheilung, welche das vorzüglich ausgebildete Düngerwesen Englands und Schottlands behandelte, erschien in Bonn 1853, sie fand die allgemeinste Beachtung und war fast binnen Jahresfrist vergriffen, so daß gleich nach dem Erscheinen der zweiten Abtheilung, welche sich über Ackerbau und Bodenmelioration verbreitete, eine neue Auflage jener vorbereitet werden mußte. Um diesen Arbeiten theils neue Stützen, theils erweiterten Gehalt zu leihen, führte H. im Herbste 1854 eine dritte Reise nach England aus und hatte sich nunmehr durch ausgedehnte Beobachtungen in den Stand gesetzt, die beiden erwähnten Abtheilungen für die zweite Auflage umzuarbeiten und bis zum J. 1860 die dritte Abtheilung, betreffend „Die Anwendung der Dampfkraft in der Landwirthschaft“ erscheinen zu lassen. Mit diesen an Aufklärungen und Belehrungen reichen Arbeiten war H. in die Reihe der bedeutenderen landwirthschaftlichen Schriftsteller getreten, sein Ruf drang nunmehr fester begründet in die weitesten Kreise und nicht lange durfte er auf die ihm daraus erwachsenden Anerkennungen warten. Bereits im J. 1854 wurde er vom königl. Ministerium zum Professor der Landwirthschaft ernannt und im Jahre darauf zeichnete ihn die königl. großbritannische Landwirthschafts-Gesellschaft durch Ernennung zu ihrem Ehrenmitgliede aus, womit ihm noch so jung an Jahren eine bis dahin nur wenigen Deutschen zu Theil gewordene Ehrenbezeugung widerfuhr. Ebenso unerwartet kam ihm ein Jahr später vom fernen Osten Europas ein ehrender Antrag zu. Der Graf Bobriuski, einer der reichsten Grundbesitzer im Süden Rußlands, hatte aus Hartstein’s Schriften ein solches Vertrauen zu ihm geschöpft, daß er ihm unter sehr günstigen Bedingungen die Verwaltung seiner ausgebreiteten Besitzungen antrug. Als H. dieses Anerbieten unter Hinweis auf die damaligen kritischen Verhältnisse während des Krimkrieges ablehnte, suchte der Graf Bobriuski durch Vermittelung des kaiserl. russischen Gesandten in Berlin beim Ministerium einen dreimonatlichen Urlaub für ihn im Spätsommer 1855 zu erlangen, damit H. die gräflichen Güter bereisen und einen generellen Bewirthschaftungsplan für dieselben entwerfen möge. Dieser Aufforderung Folge leistend fand er eine vorzügliche Gelegenheit seinen Gesichtskreis zu erweitern und seinen Kenntnissen in großartigem Umfange auf dem Gebiete der Praxis Anwendung zu geben. Der persönliche Verkehr mit H. bestärkte den Grafen Bobriuski in dem schon früher gefaßten Vertrauen zu ihm und erregte zugleich den Wunsch in jenem, wenigstens für zehn Jahre bei der Verwaltung seiner Güter eine dirigirende Mitwirkung von Seite Hartstein’s zu gewinnen. Neue und glänzende Anerbietungen wurden letzterem nunmehr bei vollster Garantie gemacht, so daß er die Aussicht hatte, nach zehn Jahren als ein reicher Mann in seine Heimath zurückkehren zu können. Diese glaubte H. im Interesse seiner Familie nicht mehr abweisen zu dürfen, und so ging er mit der Absicht nach Berlin zurück, dort seine Entlassung aus dem Staatsdienste zu begehren, und im nächsten Frühjahre nach Rußland überzusiedeln. Inzwischen hatte jedoch der Director der landwirthschaftlichen Akademie zu Poppelsdorf um seine Quiescirung nachgesucht und damit dem königl. Ministerium in Berlin die Möglichkeit gewährt, dem [710] Professor H. einen Ersatz zu bieten, indem es ihm in Anerkennung seiner auch beim königlichen Hofe in Berlin gewürdigten Leistungen die Erhebung zum Director der Akademie in sichere Aussicht stellte. Seinen patriotischen Gefühlen und der Neigung, sich wissenschaftlichen Aufgaben auch ferner unbehindert widmen zu können, gehorchend, entschloß sich H. nun ohne Zögern, die ihm unter solchen Umständen verheißene Beförderung dem Wunsche seines Königs gemäß vorzuziehen, und so wurde er mit dem 1. April 1856 als Director der Akademie der Nachfolger des von ihm hochverehrten Herrn v. Weyhe. Von dem Drange beseelt seine ganze Kraft dieser Anstalt zu widmen und Alles, was ihrem Aufblühen förderlich schien, ins Werk zu setzen, trachtete der neue Director vor allen Dingen danach, einerseits durchgreifende Aenderungen in der Organisation, andrerseits wesentliche Vervollständigung in der Ausstattung der Lehranstalt herbeizuführen. Seiner Ueberzeugung nach war es im Hinblick auf die zu jener Zeit an die landwirthschaftlichen Hochschulen gestellten Anforderungen durchaus geboten, die Grund- und Hilfsdisciplinen des landwirthschaftlichen Studiums, namentlich die Naturwissenschaften, mit besonderer Berücksichtigung ihrer Anwendung auf die Landwirthschaft dociren zu lassen. Dies konnte nach seiner Meinung nur geschehen, wenn die Akademie fast unabhängig von der Universität gestellt und zur wünschenswerthen Vertretung der gedachten Lehrdisciplinen mit den erforderlichen eignen Lehrkräften versehen würde. Da eine solche Organisation auch vom Ministerium in Berlin gebilligt wurde, so konnte H. alsbald, freilich nicht ohne bedenkliche Häufung der Lehraufgaben für die neuen Lehrkräfte, mit der Berufung zweier qualificirten Docenten für die exacten und die beschreibenden Naturwissenschaften, sowie mit der Beschaffung der in diesen Richtungen benöthigten Lehrmittel vorgehen und dadurch der Mitwirkung der betreffenden Universitätsdocenten vorläufig ein Ziel setzen. Obwol es ihm gelungen war, sich mit tüchtigen und strebsamen Lehrkräften zu umgeben, so fiel es ihm doch schwer, dieselben bei der verhältnißmäßig knapp bemessenen Honorirung und in Anbetracht einer kaum glücklich zu lösenden vielseitigen Lehraufgabe auf die Dauer zu erhalten. Zwar führte ihm der Wechsel auch in der Regel wieder ausgezeichnete Kräfte zu, allein es stellten sich doch nach wenigen Jahren schon die mit der Vereinigung verschiedener Lehrdisciplinen in einer Hand verknüpften Unzuträglichkeiten immer mehr heraus, so daß die gedeihliche Entwickelung der Anstalt bei der Fortdauer dieser Uebelstände gefährdet erschien. H. nahm in dieser Erkenntniß wieder Veranlassung, die früher gehegten Intentionen aufzugeben und für eine Reihe von Hilfsdisciplinen nunmehr jüngere Lehrkräfte der Universität heranzuziehen, daneben aber außer den eigentlichen Fachdisciplinen nur einzelne Grund- und Hilfswissenschaften durch eigene Lehrkräfte der Akademie vertreten zu lassen. Mit dieser Reorganisation beschritt H. den Weg zu einer den zeitgemäßen Anforderungen an die landwirthschaftlichen Hochschulen entsprechenden Reform, aus deren Durchführung ihm neue Genugthuung erwuchs, denn die Frequenz der Anstalt bewahrte einen befriedigenden Stand. Wie es von jeher Hartstein’s Wunsch gewesen war, daß der Akademie durch die Verbindung mit einer größeren Gutswirthschaft, welche als Lehrmittel behufs Vorführung eines rationellen Betriebes dienen sollte, eine weitere Ausstattung verliehen werde, so glaubte er nun als Director jenen Gedanken zur Verwirklichung bringen zu müssen. Die kleine Poppelsdorfer Gutswirthschaft genügte ihm für diesen Zweck aus verschiedenen Gründen nicht und im Bewußtsein seiner auch der weiteren Anwendung nach dieser Seite harrenden Kräfte scheuete er vor den einem solchen Unternehmen entgegenstehenden Schwierigkeiten nicht zurück. Da nun in der Nähe von Poppelsdorf ein günstig situirtes Gut von entsprechender Größe im Rheinthale nicht zu acquiriren war, so erwarb [711] er mit Zustimmung des Ministeriums das kleine oberhalb Friesdorf am Rande des Plateau’s belegene Gut Annaberg, welches binnen einer bestimmten Reihe von Jahren durch Urbarmachung von Ländereien aus dem angrenzenden Staatsforste auf den Umfang von ca. 200 Hectaren gebracht werden sollte. Dies Unternehmen war indeß mit so vielen von ihm unterschätzten Hindernissen verknüpft, daß es selbst die sonst erprobte Kraft und Energie eines H. überstieg und nicht nur durch immer neu sich aufthürmende Widerwärtigkeiten seinen Muth vorübergehend beugte, sondern auch in Folge der unglaublichen Anstrengungen seinerseits beklagenswerthe Opfer an Gesundheit von ihm forderte. Dennoch hat H. das unter besseren Aussichten begonnene Werk trotz aller Hindernisse soweit durchgeführt, daß das neugeschaffene und auf großartige Meliorationen basirte Gut, wenngleich es nur in gewisser Hinsicht seiner ursprünglichen Bestimmung zu entsprechen vermochte, doch ohne Zweifel als Staatsdomäne wol in Verbindung mit der Akademie eine Zukunft haben wird. Auf diesem Gute errichtete er auch schon in den ersten Jahren der vorschreitenden Cultivirung eine Ackerbauschule, um den Söhnen bäuerlicher Landwirthe des Rheinlandes Gelegenheit zur Erwerbung der für ihre Verhältnisse berechneten theoretischen Kenntnisse, sowie zur Erweiterung der Anschauungen durch Unterweisung in der praktischen Landwirthschaft zu bieten. Dies Institut entsprach wol für eine Reihe von Jahren dem von seinem Gründer vorausgesetzten Bildungsbedürfnisse; es hat aber den Tod des Letzteren nur um wenige Jahre überdauert, da mittlerweile durch die Aufnahme einer anderen Unterrichtstendenz und mit der dadurch veranlaßten Einführung der landwirthschaftlichen Mittelschulen eine größere Zahl der niederen Ackerbauschulen überflüssig gemacht war. Hartstein’s Wirken beschränkte sich übrigens auch während seines unter so ausnehmend erschwerenden Umständen geführten Directorats nicht auf die eigentliche Ausübung seines hohen Amtes. Als ein hervorragendes Mitglied der wichtigsten Commissionen des rheinpreußischen landwirthschaftlichen Vereins und als Director der Vereinssection für Ackerbau war er fortgesetzt mit Vorliebe thätig, als Mitglied des königl. preußischen Landesökonomie-Collegiums arbeitete er eifrig mit an der Pflege der vaterländischen Landescultur und war fast regelmäßig bereit, bei wichtigen Anläßen, auf großen Versammlungen von Berufs- und Fachgenossen, auf Weltausstellungen etc. die Interessen der Landwirthschaft öffentlich zu vertreten. Ebenfalls ließ er sich auf dem Gebiete der Litteratur noch öfters vernehmen; er gab im Verein mit den Docenten der Anstalt die in Form von zwanglosen Heften erschienenen „Mittheilungen der Akademie Poppelsdorf“ heraus, lieferte manche Aufsätze in Fachzeitschriften und verfaßte, nachdem er im J. 1866 seine letzte Reise nach England ausgeführt hatte, noch eine an nationalökonomischen und statistischen Betrachtungen inhaltsreiche Schrift: „Ueber den Londoner Viehmarkt und dessen wirthschaftliche Bedeutung für den Continent, insbesondere für Deutschland“. Von hohen Standespersonen, wie von regierenden Fürsten öfters um Rath in landwirthschaftlichen Angelegenheiten angegangen, suchte H. auch solchen Aufforderungen nachzukommen und diente Jenen mit Gutachten oder Rathschlägen in vielen Fällen. Wiederholt ergingen ehrenvolle Rufe an ihn zur Uebernahme einer dankbareren Wirksamkeit oder eines höheren Amtes; so trat u. A. im Winter 1862 der damalige großh. badische Staatsminister Freiherr v. Roggenbach mit ihm in Unterhandlung, um ihn für eine Section im großh. Ministerium zu gewinnen; aber H. lehnte diesen wie andere Anträge im Gefühl der auf ihm ruhenden moralischen Pflicht, für seine Schöpfungen an der Akademie einzustehen, und im Bewußtsein der ihm von den verschiedensten Seiten seines um die Akademie sich ausbreitenden Wirkungskreises entgegengetragenen wohlthuenden Verehrung ab. Es konnte nicht ausbleiben, [712] daß ihm auch von allerhöchster Stelle besondere Ehrenzeichen in Anerkennung seiner verdienstvollen Bestrebungen und Leistungen verliehen wurden, bereits im J. 1861 mit dem Rothen Adlerorden IV. Kl. decorirt, wurde er zu Anfang 1863 zum Geheimen Regierungsrath ernannt und etwa 6 Jahre später durch die Verleihung des Rothen Adlerordens III. Kl. mit der Schleife ausgezeichnet. Leider war es H. schon zu Anfang der vierziger Jahre seines thatenreichen Lebens nicht mehr vergönnt, sich den vielfachen Berufsobliegenheiten und dem Drange nach erfolgreichem Wirken stets mit voller Freudigkeit ungestört hinzugeben. Die Kräfte seines sonst wie gestählt erscheinenden Körpers hatten unter den unaufhörlichen Anstrengungen bei der Bewältigung der einander drängenden Aufgaben doch mit der Zeit gelitten; durch intensives rastloses Arbeiten bei Tage und bei Nacht, durch den aufreibenden Kampf mit den vielen Widerwärtigkeiten, denen sein Thatendrang begegnete, hatte H. seine Gesundheit endlich untergraben, Nicht selten verfiel er in schwere Verstimmung, doch kämpfte er gegen solche Anfechtungen mit der größten Willenskraft an und suchte in verschiedenen Bädern sich Genesung zu verschaffen, bis ihn endlich ein Unterleibstyphus befiel, dem er nach wunderbarem Widerstande im 47. Lebensjahre erliegen mußte.

Was eines Menschen Kraft auf seinem Standpunkte zu leisten vermochte, das hat H. in seinem früh geschlossenen Wirken vollbracht. Stets dem Grundsatze folgend, in der Ausübung seines Berufes die höchsten Anforderungen an sich selbst zu stellen, gelang es ihm, durch die aufopfernde Fürsorge und jeden im häuslichen Leben willkommenen Beistand einer liebevollen Mutter, wie der treuesten Gattin (geb. Meyen) gestützt, mit wachsender Kraft die größten und schwierigsten Aufgaben durchzuführen. Sein Leben gehörte dem Berufe an und wurde auch davon seine ganze Persönlichkeit so beherrscht, daß nur Wenigen Gelegenheit geboten war, ihn näher kennen zu lernen. Von diesen aber wird sein Andenken ebenso pietätvoll getragen, wie sein mit der Entwickelung der Akademie Poppelsdorf untrennbar verflochtener Namen an den Stätten seines Wirkens noch lange der Verehrung sicher ist.

Vgl. Rheinische Allgemeine Zeitung Nr. im Decbr. 1869: Nekrolog von Prof. Dr. Moritz Freytag zu Bonn, ergänzt durch Privatmittheilung seitens des Letzteren, wie durch eigene Erinnerungen des Referenten.