ADB:Hartmann, Gottlob David
Klopstock, Denis und Kretschmann, der persönliche Verkehr mit dem in Tübingen lebenden Dichter Joh. Ludw. Huber und die Beziehungen zu hervorragenden Männern der Schweiz, namentlich zu Bodmer und Lavater. Den letzteren hatte er sich bereits als Student brieflich genähert, um während eines Besuchs in Zürich (gegen Ende des J. 1773) noch inniger mit ihnen verbunden zu werden. Lavater sprach dem jungen Freunde eigenartiges und tiefdringendes Genie zu. Doch sind, seine Fähigkeiten nicht zur Reife gelangt. Sein litterarisches Schaffen erscheint vorzugsweise vom historischen Standpunkt aus beachtenswerth, so besonders der Versuch, durch das Medium der Poesie auf die politischen und nationalen Gesinnungen der Zeitgenossen einzuwirken. – Die mit nordisch-mythologischem Zierat ausgestatteten Vaterlandsgesänge, welche H. als Barde Telynhard den Barden Sined und Rhingulph widmete, haben nicht minder unvolksthümlichen und gespreizten Charakter, als die meisten übrigen Erzeugnisse dieser Gattung. Ansprechender und gehaltvoller sind die aus aufrichtiger Pietät und Begeisterung hervorgegangenen Lieder, welche die würtembergischen Patrioten Gemmingen und Huber verherrlichen. Noch mehr tritt die ihm eigenthümliche Tendenz in den Dichtungen hervor, in denen er unter dem Titel „Jahresfeier“ die Thaten und Geschicke der Fürsten und Völker während der J. 1771–73 behandelt. Häufig wird in diesen jugendlichen Ergüssen die Poesie durch Rhetorik ersetzt. Auch sind die politischen Urtheile oft einseitig und unklar. Doch entschädigt H. für solche Mängel durch den schwungvollen Ausdruck patriotischer Denkungsart, indem er bald an den deutschen Kaiser Worte der Verehrung und der Ermahnung richtet, bald die Mißregierung gewissenloser Despoten geißelt, bald dem eroberungssüchtigen französischen Erbfeind ein stolzes nationales Selbstgefühl entgegenstellt. Unter den prosaischen Arbeiten Hartmann’s ist vor allem das jetzt sehr selten gewordene Werk: „Sophron oder die Bestimmung des Jünglings für dieses Leben“ (Mitau 1773) zu nennen. Manche überlieferte Anschauungen und Einrichtungen wurden darin bekämpft – zum Theil in Wendungen, welche die Auffassungsweise und Tonart der beginnenden Sturm- und Drangperiode vergegenwärtigen. Eine besonders herbe Kritik ließ H. dem würtembergischen Unterrichtswesen zu Theil werden, wodurch er Vielen in seinem Heimathlande Aergerniß gab und namentlich die Feindschaft derer, die sich getroffen fühlten, auf sein Haupt lenkte. Um so willkommener mußte es ihm sein, daß Herzog Peter Biron von Kurland ihn zufolge der Empfehlung Sulzers im Anfang des J. 1774 nach Mitau berief, um an dem daselbst zu begründenden akademischen Gymnasium die Professur der Philosophie zu übernehmen. Rasch gelang es ihm, sich in dieser Stellung Liebe und Anerkennung zu erwerben. Neben der Erfüllung seiner Amtspflicht setzte er seine schriftstellerische Thätigkeit fort, und mannigfache Pläne zu umfassenderen Arbeiten wurden von ihm entworfen, deren Ausführung freilich ein frühzeitiger Tod vereitelte. H. starb am 5. Novbr. 1775 in Mitau und wurde auf Kosten des Herzogs in der dortigen St. Trinitatiskirche unter großen Feierlichkeiten bestattet.
Hartmann: Gottlob David H., schwäbischer Dichter, wurde am 2. September 1752 zu Roswaag (nicht Roßway) in Würtemberg geboren, wo sein Vater als Lehrer wirkte. Für den theologischen Beruf bestimmt, erhielt er seine Vorbildung nach landesüblicher Weise in den Klosterschulen zu Blaubeuren und Bebenhausen, sowie in dem Tübinger Stift und erlangte am 27. September 1773 die Magisterwürde. – Frühzeitig bekundete H. den Drang nach selbständiger geistiger Entwickelung; er widmete sich mit Vorliebe philosophischen und historischen Studien, insbesondere aber der Beschäftigung mit älterer und neuerer deutscher Dichtung. Den bedeutsamsten Einfluß auf ihn übten die Lectüre von- [684] Hartmann’s hinterlassene Schriften gesammelt und mit e. Nachricht von seinem Leben herausgegeben von C. J. Wagenseil. Gotha 1779.