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ADB:Hainhofer, Philipp

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Artikel „Hainhofer, Philipp“ von Oscar Doering in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 719–721, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hainhofer,_Philipp&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:25 Uhr UTC)
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Hainhofer: Philipp H., Agent in politischen und Kunstangelegenheiten, aus einer seit dem Ende des 14. Jahrhunderts in Augsburg angesehenen Familie hervorgegangen, geboren am 21. Juli 1578, evangelischer Confession, studirte seit 1594 zu Padua und Siena die Rechtswissenschaften und unternahm im Anschlusse hieran Reisen durch Italien, die Niederlande und Deutschland. Er erwarb hierbei eine beträchtliche Kunstkennerschaft, lernte sieben Sprachen fließend reden und eignete sich einen guten Ueberblick und ein genaues Verständniß der politischen Verhältnisse Europas an. Alles dies, unterstützt durch die Gewandtheit und Zuverlässigkeit seines Wesens und durch den besonders in Italien und Frankreich befestigten Ruf seiner Familie brachte H. in Beziehungen zu vielen Fürsten und andern bedeutenden Persönlichkeiten innerhalb und außerhalb Deutschlands. Nachdem er sich, in die Heimath zurückgekehrt, verheirathet hatte und 1605 in den großen Rath der Stadt berufen worden war, erhielt er im folgenden Jahre die Ernennung zum ständigen politischen Correspondenten des Königs von Frankreich und wurde weiterhin in ähnliche Stellungen vom Markgrafen von Baden und vom Herzoge Philipp II. von Pommern-Stettin eingesetzt (1608 bezw. 1610). Die Verbindung mit letzterem Fürsten wurde für H. von besonderer Wichtigkeit. Von 1610 an entspann sich ein regelmäßiger wöchentlicher Briefwechsel beider Männer, welcher bis zum Tode des Herzogs (1618) fortdauerte und in buntem Durcheinander Berichte über die Ereignisse des Tages, persönliche, politische und Kunstnachrichten enthielt. Insbesondere die letzteren hatten für den sammellustigen, wenn auch nur theilweise kunstverständigen Herzog großes Interesse. Für ein von ihm angelegtes kostbares Stammbuch, für Geschenke, für eine zu gründende Kunstkammer wurden von ihm bedeutende Bestellungen gemacht und durch Hainhofer’s Vermittlung und nach dessen Ideen von Augsburgischen Künstlern ausgeführt. Das erheblichste Werk, welches so entstand, ist der berühmte sogenannte pommersche Kunstschrank, heute im Königlichen Kunstgewerbe-Museum zu Berlin. In seiner politischen Berichterstattung erwies sich H. als kluger, weitblickender und dabei redlicher Agent, den Philipp II. darum oft mit Sendungen diplomatischer Natur betraute. Er schickte ihn 1612 zum Kaiser nach Nürnberg, unterhielt durch H. seinen Verkehr mit dem Herzogshause von Baiern, sandte ihn 1613 an den pfälzischen Hof, zum Reichstage nach Regensburg und zu der pfälzisch-bairischen Hochzeit nach München, 1614 nach Neuburg. Die Bekanntschaften, welche H. auf diesen Reisen machte (so gewann er z. B. durch den Herzog Wilhelm V. von Baiern die Gunst des Bischofs von Eichstädt), verhalfen ihm zu immer größerer Ausdehnung seiner vielseitigen diplomatischen Wirksamkeit, und ferner seiner Kunstverständigkeit halber zu immer neuen bedeutenden Aufträgen, welche des weiteren der Augsburger Künstlerschaft zu gute kamen. H. hat somit den erheblichsten Einfluß auf die Entwicklung aller Zweige der Kunst in seiner Vaterstadt gehabt, und indem er über seine gesammte Thätigkeit und über die Ausführung der ihm gewordenen Aufträge fortdauernd genauen brieflichen Bericht an seine Gönner sandte, bewirkte er, daß seine Correspondenzen für die Geschichte der Politik, Cultur und Kunst in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu den ausgezeichnetsten Quellenschriften gehören. Noch größeren Werth indeß als die Briefe besitzen in allen genannten Beziehungen – für die Politik allerdings, über die er hier sehr schweigsam war, nur mit Einschränkung – die Tagebücher des äußerst schreib- oder vielmehr dictirfrohen H. Von Jugend an hatte er sich gewöhnt, genau aufzuzeichnen, was er auf seinen vielen Reisen gesehen und erlebt hatte. Er gibt eingehende, freilich einiger Kritik bedürftige Kataloge der von ihm besuchten Sammlungen – vermöge [720] seiner guten Beziehungen kam er auch in solche, die sonst sorgfältig verschlossen blieben – er schildert genau die Personen und Oertlichkeiten, zeichnet ein vortreffliches Bild der damaligen Cultur und belebt seine Schilderungen mit Anekdoten, Sprichwörtern, Versen und Citaten. Daß dabei oft das Streben hervortritt, seine Gelehrsamkeit allzusehr leuchten zu lassen, mag nur dem heutigen Leser mißfallen, hatte aber für den zeitgenössischen Geschmack nichts Befremdendes. Der Verbleib der größeren Anzahl dieser „Relationen“ ist gegenwärtig nicht nachweisbar. Erhalten sind die über seine Reise nach Eichstädt und München 1611 im Auftrage des Herzogs Wilhelm V. von Baiern, nach München 1612, zum Reichstage nach Regensburg 1613, zur pfälzisch-bairischen Hochzeit nach München 1613, nach Neuburg aus Anlaß des Todes des Pfalzgrafen 1614, nach München in politischen Angelegenheiten 1631, ebendahin in Familienangelegenheit des Herzogs August von Braunschweig 1636 (alle diese Schriften herausgegeben von Häutle in der Zeitschrift des Vereins f. d. Gesch. v. Schwaben und Neuburg 1881); ferner die Relation seiner Reise nach Stuttgart zu den Tauffeierlichkeiten am dortigen Hofe 1616 (herausg. v. Oechelhäuser in den Neuen Heidelberger Jahrbüchern 1891), nach Stettin 1607 zur Ablieferung des pommerschen Kunstschrankes und eines künstlich gearbeiteten Meierhofes (über diesen vgl. Doering, Zeitschr. d. Vereins f. Schwaben u. Neuburg 1891, über ersteren Jul. Lessing, Jahrb. d. kgl. preuß. Kunstanstalten 1883. 1884). H. wurde damals zum pommerschen Rath erhoben. (Diese Relation herausg. v. Medem in den Baltischen Studien II, 2. 1834.) Erhalten sind endlich die Relationen über die Reisen nach Innsbruck 1628, wo H. einen für den Großherzog von Toscana bestimmten kostbaren Schrank beim Erzherzog Leopold abzuliefern hatte; endlich über seine im Interesse der Evangelischen zu Augsburg 1629 unternommene Reise nach Dresden (herausgegeben vom Verfasser dieser Zeilen, siehe unten). Verwunderlich ist, daß H. niemals in Braunschweig gewesen ist, während er doch mit dem Herzoge August (Selenus) in einem ebenso lebhaften Verkehr stand, wie früher mit Philipp II. von Pommern. H. hat sich dem Braunschweiger Herzog nicht nur als politischer Agent und künstlerischer Beirath, sondern auch vor allem bei der Herstellung des von jenem herausgegebenen berühmten Schachbuches nützlich erwiesen, so daß er von ihm 1625 gleichfalls mit einer Rathsbestallung geehrt wurde. – So verzweigten sich Hainhofer’s Verbindungen beständig weiter, und sein Haus in Augsburg (am St. Annenplatze, heute nicht mehr vorhanden) war das Ziel der meisten hohen und höchsten Gäste, welche die Stadt mit ihrem Besuche bedachten. Viel trug dazu bei, daß er als eifriger Sammler eins der vortrefflichsten und damals berühmtesten Kunst- und Naturaliencabinette besaß, dessen auch Zeiller in seinem Itinerarium gedenkt. – Ein besonderes Zeugniß für sein diplomatisches Geschick wie für seine Redlichkeit und Ueberzeugungstreue ist sein Verhalten in den damals so schwierigen religiösen Verhältnissen. Er genoß in dieser Beziehung das Vertrauen seiner evangelischen Glaubensgenossen, denen er bei vielen schweren Verlusten, welche er damals an seinem Vermögen erlitt, bei seiner um des Glaubens Willen geschehenen Ausschließung von den städtischen Ehrenstellen ein löbliches Vorbild geblieben war. Ueberall trat er bereitwillig voran, wenn es galt, die evangelische Sache zu verfechten, wie 1629 beim Kurfürsten von Sachsen und beim Erzherzog Leopold von Oesterreich, 1630 vor dem kurfürstlichen Collegialtage zu Regensburg, 1632, als er in Augsburg selbst die Verhandlungen der evangelischen Bürgerschaft mit dem katholischen Stadtmagistrat führte. Im April 1632 genoß er die Ehre, Gustav Adolf das Geschenk der Stadt, einen schönen Kunstschrank zu überreichen, der sich jetzt in der Universitätsbibliothek [721] zu Upsala befindet. Des Königs Dank für H. war die Schenkung mehrerer schwäbischer Dörfer, die H. jedoch nicht annahm. In seine früheren städtischen Ehrenämter wieder eingesetzt und 1632 unter die Zahl der Patricier aufgenommen, lebte H. noch bis zum Jahre 1647, wo er am 23. Juli an einer Brustkrankheit starb. Seine letzten Jahre waren durch materielle Sorgen vielfach getrübt. Schulden, die er im Interesse seiner hohen Auftraggeber gemacht hatte und die ihm nicht abbezahlt wurden, sowie das Elend des dreißigjährigen Krieges, welches auch in der Stadt Augsburg in furchtbarer Weise sich fühlbar machte, schädigten seinen Wohlstand. Seine Kunstsammlungen wurden noch bei seinen Lebzeiten größtentheils verkauft. Das meiste von seinem handschriftlichen Nachlasse ging nach Braunschweig (heute alles auf der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel). Ebendahin kamen seine mit Kupferstichen und Zeichnungen (die jetzt sämmtlich herausgetrennt sind) kostbar geschmückten Lautenbücher, sowie ein mit mittelmäßigen Bildern ausgestattetes Stammbuch. Ein großes, kostbares Stammbuch mit nur fürstlichen Namensinschriften und Handzeichnungen der damals beliebtesten Künstler scheint leider verloren zu sein. Hainhofer’sche Schriften befinden sich außerdem in Augsburg (dort ein „Diarium“, von April 1632 bis October 1635), in Heidelberg, Innsbruck, Kopenhagen, München, Nürnberg, Stettin und Wien. Die meisten Tagebücher, die alle nicht für den Druck, sondern zur privaten Verschenkung unter Hainhofer’s Freunde und Gönner bestimmt waren, sind mit Kupferstichen und allerlei Flugblättern reich ausgestattet und auch dieserhalb wichtig. Ihr und der Correspondenz reicher Inhalt ist bis jetzt nur nach der kunstgeschichtlichen Seite hin gewürdigt worden, würde aber auch nach der politischen Seite hin die reichste Ausbeute gewähren.

Litteratur außer dem schon oben Erwähnten: Paul v. Stetten, Lebensbeschreibungen zur Erweckung und Erhaltung bürgerlicher Tugend. I. Augsburg 1778. – Kugler, Beschreibung der in d. kgl. Kunstkammer z. Berlin vorhandenen Kunstsammlung, Berlin 1838. – Doering, Des Augsburger Patriciers Ph. H. Beziehungen zum Herzog Philipp II. v. Pommern-Stettin (Quellenschriften f. Kunstgesch. u. Kunsttechnik. Neue Folge. VI. Band. Wien 1894). – Doering, Des Augsb. Patriciers Ph. H. Reisen nach Innsbruck u. Dresden (Quellenschr. etc. 1902).