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ADB:Graff, Johann Jakob

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Artikel „Graff, Johann Jacob“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 569–570, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Graff,_Johann_Jakob&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:00 Uhr UTC)
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Graff: Johann Jacob G., bedeutender Heldendarsteller aus der weimarischen Glanzzeit, der erste Darsteller des Wallenstein, Götz, Attinghausen und anderer classischer Partien aus den Werken unserer Dichterheroen, geboren am 23. September 1768 zu Georgenthal bei Kolmar (nach dem Register zu den von W. Frhr. v. Biedermann in der Hempel’schen Classikerausgabe herausgegebenen Goethe’schen Tag- und Jahresheften, s. gen. Ausg. Bd. 27. S. 608; andernorts findet man Köln, auch Münster als Graff’s Geburtsort angegeben), † am 20. März 1848 zu Weimar. Als Vater Graff’s nennt einer seiner Biographen einen protestantischen Theologen; gewiß ist, daß G. selbst zum Theologen bestimmt, in Straßburg die Gottesgelahrtheit studirte, 1789 den Unruhen in Frankreich ausweichend, sich nach Holland begab und von Amsterdam, wo er fürchtete, den Werbern für die ostindische Compagnie in die Hände zu fallen, nach Köln reiste. In dieser Stadt betrat er, einem inneren Drange folgend, bei der Dobler’schen Gesellschaft die Bühne, auf der er am 9. April 1789 als Cassio in Othello zum ersten Mal erschien. Im folgenden Jahre debütirte er als Geheimrath Schenk in den Großmann’schen Sechs Schüsseln bei der Bossa’schen Schauspielertruppe, die er auf ihren Streifzügen nach Trier, Mainz, Worms, Heilbronn, Speyer, Buchsweiler, Hanau, Neuwied, Wetzlar, Offenburg, Wiesbaden, Kassel etc. begleitete, bis er 1793 durch die Vermittlung des Professors Jacobi in Düsseldorf mit Goethe in Unterhandlung trat, am 10. April für das weimarische Hoftheater engagirt wurde und 5. Juni d. J. als Hofrath Reinhold in Iffland’s „Hagestolzen“ auf demselben debütirte. Voll Streben und Fleiß, entwickelte sich Graff’s Talent unter Schiller’s und Goethe’s Augen zu einer beachtenswerthen Höhe. Besonders gelangen ihm würdevolle Rollen, während er in leidenschaftlichen leicht zu unruhig wurde. Mit großer Beherrschung dieser [570] Eigenheit gab er den Wallenstein in „Wallensteins Tod“, welches Stück bekanntlich am 20. April 1799 zum ersten Mal in Weimar gegeben wurde. G. spielte diese Rolle ohne alle Komödiantenkunststückchen, als Ganzes und treu im Sinne des Dichters, der Graff’s „gehaltenes Spiel“, seine „treffliche Recitation“ rühmte, ausdrücklich betonte, daß dem Künstler kein Wort auf die Erde gefallen sei und schließlich bemerkte: „Nicht so leicht soll es einem Andern werden, Ihnen den Wallenstein nachzuspielen“. Auch Goethe nennt in dem Aufsatz „Die erste Aufführung der Piccolomini in Weimar“ (Allg. Ztg. 1799, Nr. 84–90) diese Darstellung Graff’s eine „gefühlvolle“, die dunkle tiefe, mystische Natur des Helden „vorzüglich glücklich“ wiedergebend und rühmt G. nach, daß Alles, was er sprach, empfunden war und aus dem Herzen kam. „Nur – fährt Goethe fort – daß er zuweilen, von seinem Gefühl fortgezogen, eine zu große Weichheit in seinen Ausdruck legte, der dem männlichen Geist des Helden nicht ganz entsprach“. Wie Wallenstein, gehörten auch Götz, Alba (Egmont), König Philipp, Shrewsbury, Odoardo etc. zu den besten Leistungen Graff’s im ernsten Drama. Auch im Lustspiel leistete er vortreffliches: wie spiegelte sich sein heiteres, frohsinniges Gemüth in seiner Darstellung des Pachters Krautmann („Die beiden Klingsberg“), des Maurer Küper („Das zugemauerte Fenster“), des Pachters Veit („Vetter aus Bremen“), mit welcher Noblesse gab er den Grafen Schaalheim im Kamäleon, den Obrist von Buschdorf in der Lästerschule, den Baron Rink in der Schachmaschine und ähnliche Persönlichkeiten der feinen Welt! Neben diesen anerkennenden Thatsachen muß übrigens zur vollständigen Charakterisirung der künstlerischen Individualität Graff’s auch angeführt werden, daß man öfters an ihm die Nachtheile der weimarischen Declamationsmanier wahrnahm. Das Aeußere des Künstlers wird u. A. von Gotthardi als imponirend bezeichnet, seine Gestalt war nach dem Zeugniß des Genannten muskulös, „hoheitblickend“, wenn auch nicht gerade auffallend groß, auf seinem vollen Antlitz erkannte man das Walten von Geist. Sein kräftiges mächtiges Organ beherrschte G. vollständig. Der Werth Graff’s wurde in Weimar völlig erkannt und man suchte den Künstler so fest als möglich an das Hoftheater zu fesseln und gegen fremde Anerbieten unempfänglich zu machen. So erhielt er bereits 1802 einen „geheimen“ Zuschuß von 104 Thlrn., 1803 eine Pensionsberechtigung von 200 resp. 300 Thlrn. und im selben Jahr einen ungemein günstigen geheimen Kontrakt, den Pasqué a. u. a. O. S. 191–93 abdruckte. So blieb G. dem Hoftheater zu Weimar dauernd erhalten, feierte daselbst am 9. April 1839 sein 50jähriges Künstlerjubiläum und trat erst am 12. Mai 1841 in der Rolle des Abbé de l’Epée („Taubstumme“) von den Brettern zurück unter Fortbezug seines vollen Gehalts und ausgezeichnet durch die Verleihung der goldenen Civilverdienst-Medaille am landesfarbigen Bande.

Vgl. außer den zahlreichen Werken etc. über die classische Periode Weimars, in denen auch von G. öfters die Rede, Pasqué, Goethe’s Theaterleitung in Weimar, Leipzig 1863, S. 189–194; Gotthardi, Weimarische Theaterbilder aus Goethe’s Zeit, Jena und Leipzig 1865, S. 56–63; Genast, Aus dem Tagebuch eines alten Schauspielers, Leipzig 1862–66; Wolff, Almanach für Freunde der Schauspielkunst auf 1840 (V), S. 97–100, ders. auf 1841 (VI), S. 149–151.