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ADB:Gerhard II. (Erzbischof von Mainz)

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Artikel „Gerhard II., Erzbischof von Mainz“ von Goswin von der Ropp in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 743–746, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gerhard_II._(Erzbischof_von_Mainz)&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:19 Uhr UTC)
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Gerhard II., Erzbischof von Mainz (1288–1305), entstammt dem wetterauischen Dynastengeschlecht von Eppenstein, welches im Laufe des 13. Jahrhunderts vier seiner Angehörigen den mainzer Erzstuhl besteigen sah und somit einen nicht geringen Einfluß auf die Geschicke Deutschlands ausübte. Gleich seinem Vetter, dem Erzbischof Werner, trat auch G. frühe in den geistlichen Stand ein, erwarb rasch die höheren Grade und bewarb sich bereits 1284 nach dem Tode seines Verwandten um die Nachfolge in dessen Würde. Doch war der eppensteinsche Anhang im Domcapitel nicht so stark, als daß G. hätte durchdringen können. Die Wahl fiel zwiespältig aus, der Proceß der beiden Candidaten kam vor den römischen Stuhl zur Entscheidung und nach fast zweijährigem Streit wurde weder G. noch sein Gegner, sondern der treue Freund und geschickte Geschäftsträger König Rudolfs, Bischof Heinrich von Basel, zum Erzbischof von Mainz, Gerhards Gegner zum Bischof von Basel ernannt, während G. leer ausging. Es unterliegt keinem Zweifel, daß hier eine Intrigue spielte, der König Rudolf nicht fremd war und der Vorgang ist darum bezeichnend für Gerhard’s Stellung. Indessen bald nach der Niederlage in Mainz eröffneten sich ihm neue Aussichten in Trier. Auch hier wurde er als Candidat aufgestellt, auch hier aber hatte er in Boemund von Warnsberg einen gefährlichen Gegner, allein diesmal ließ der Tod des Erzbischofs Heinrich von Mainz den Conflict eine beide Bewerber befriedigende Lösung finden. G. wurde nun vom Papste zum Erzbischof von Mainz, Boemund zum Erzbischof von Trier ernannt, am 3. März 1289 erhielten beide das Pallium. – G. war aufgewachsen in dem Anschauungskreise Erzbischof Werners, der nicht nur die Grundsätze der landesfürstlichen Allgewalt entschieden aufrecht hielt, sondern auch – und das fällt hauptsächlich ins Gewicht – die Rechte des neuen Kurfürstencollegs neben denen der Reichsgewalt, man möchte sagen verfassungsmäßig sicher zu stellen gesucht hatte. Diese Doppeltendenz, mit der Werner nirgends vollkommen durchgedrungen, griff auch G. energisch und entschieden auf. Noch offener und weitgehender als Werner strebte er danach, die Stellung des Erzkanzlers in Deutschland auf Kosten der königlichen Gewalt zu heben, und zugleich auch das mainzer Erzstift territorial abzurunden und zu erweitern. Letzteres verursachte zahlreiche Zwiste mit kleineren und größeren Gewalten in- und außerhalb des Erzstifts, ersteres wirkte bedingend auf den Verlauf der folgenden Jahre deutscher Geschichte ein. Der enge Bund der drei rheinischen Kurfürsten, wie er bis zum Tode Werner’s bestanden, wurde erneuert, der kölner Erzbischof Siegfried, der während der Wirren in Mainz und Trier empfindliche Einbußen an Macht erlitten hatte, wurde in offenem Gegensatz zu König Rudolf unterstützt und am Abend seines Lebens sah dieser sich wiederum einer geschlossenen Opposition gegenüber, die ihn das Endziel seiner Bestrebungen verfehlen ließ. Für das Verhältniß, in welches G. zum Könige trat, ist es maßgebend, daß wir bisher weder G. als Zeugen in irgend einer Urkunde Rudolfs, noch eine Urkunde Rudolfs für G. nachweisen können, [744] obgleich er dem Hoftage in Erfurt beiwohnte und nachher auch auf dem Reichstage zu Frankfurt erschien. Auf beiden handelte es sich um die Wahl Albrechts zum Nachfolger seines Vaters und auf beiden wurde der König, wie ein den Habsburgern überaus ergebener straßburger Chronist mit schlecht verhehltem Aerger berichtet, mit seinem Anliegen einfach abgewiesen. G., bei dem neben allen territorialen Gelüsten der Gedanke an das Reich, an die Leitung desselben durch die Kurfürsten und speciell durch Mainz stets überwog, war entschlossen, die sich ihm bei der Königswahl darbietende Gelegenheit zur Durchführung seiner Pläne nicht ungenutzt entschlüpfen zu lassen. Der Habsburger Albrecht war ihm zu mächtig, wie seiner Zeit der Pfälzer Ludwig seinem Vetter Werner, und wie dieser in Rudolf, so glaubte er in Adolf von Nassau den geeigneten Candidaten gefunden zu haben. Der kleine Graf, der in kölnischen Diensten gefochten, schien das passende Werkzeug zu sein, um die Reichsreform im kurfürstlich mainzischen Sinne auszuführen. Die Mitkurfürsten wurden gewonnen, der Graf gewählt. Die plumpe List, mit der G. nach österreichischen Berichten dabei zu Werke gegangen sein soll, ist von der neueren Kritik als Erfindung nachgewiesen und ebenso kann die Anschauung, welche in der Wahl Adolfs nichts als einen schmutzigen Handel auf Kosten des Reichs erblickt, als überwunden bezeichnet werden. Denn wenn auch die meisten Kurfürsten die Wahl zur Befriedigung ihrer fürstlichen Sonderinteressen benutzten und auch G. seinen Privatvortheil in umfassendster Weise wahrnahm, so sind doch die Forderungen, welche er in Bezug auf die Reichsangelegenheiten erhob und sich bewilligen ließ, durchaus in den Vordergrund zu stellen. Das Erzkanzleramt von Mainz sollte fortan nicht mehr blos eine Würde gleich der des Marschalls oder Schenken bezeichnen, sondern die wirkliche Vorstandschaft der Reichsregierung in sich schließen, der Titel sollte einen realen Inhalt erhalten. G. begehrte zu dem Behuf für sich und seine Nachfolger das Ernennungsrecht des Hof- und Vicekanzlers, was ein neuerer Forscher treffend dahin charakterisirt, daß es „für jene Zeit ohngefähr denselben Effekt gehabt hätte, wie wenn die Minister heute nicht von der Krone, sondern von den Ständen ernannt würden“. Und dieses Streben nach gesetzlicher Regelung des Einflusses der Stände auf die Reichsregierung bleibt seitdem ein charakteristisches Merkmal der mainzischen Politik bis über den Ausgang des Mittelalters hinaus. – König Adolf bewilligte diese Forderung wie jede andere, die ihm vorgelegt wurde, allein die Hoffnungen, welche G. daran geknüpft, erfüllten sich nicht. Bereits nach kurzer Frist nahm Adolf weder in der inneren noch in der äußeren Politik Rücksicht auf den Mainzer und diese selbständige Haltung des leider nur zu schwachen Königes war der eigentliche Anlaß, wie seines Bruches mit G., so auch seines Sturzes. Bei G. kommt noch in Betracht, daß das Streben Adolfs, sich in Meißen und Thüringen eine Hausmacht zu erwerben, die territoriale Stellung des mainzer Hochstifts in diesen Landen aufs äußerste gefährdete. Der Versuch, die Rechte von Mainz beim Könige geltend zu machen, mißglückte, G. legte beim päpstlichen Stuhl einen förmlichen Protest gegen den Länderschacher Adolfs ein und seitdem gingen die Pfade beider auseinander. Dennoch trat G. keineswegs zu der von Herzog Albrecht geführten Opposition gegen den König über, vielmehr beobachtete er in vorsichtiger Zurückhaltung sowol das Treiben des Königs wie die Anstalten des Oesterreichers zum Sturze des Herrschers, entschlossen im entscheidenden Moment die Leitung des Ganzen an sich zu reißen und Albrecht wie Adolf seinen Willen aufzuzwingen. Und als nun der Conflikt sich unabwendbar zuspitzte, Albrecht und seine Verbündeten zum Schlage bereit den Erzbischof zur Mitwirkung aufforderten, da beschied G., von dem Bestreben geleitet, dem Mainzer Stuhle ein verfassungsmäßiges Recht zu wahren oder richtiger zu erwerben, von sich aus, weil es ihm als Erzkanzler zustehe [745] und gebühre, den König und seine Widersacher zu einer Fürstenversammlung nach Frankfurt, auf der, wie es im Ausschreiben heißt, über die Verbesserung der Lage des Reiches berathen werden sollte. Er mochte hoffen, auf diese Weise beide Partheien überflügeln zu können, wurde aber bitter enttäuscht. Das rasche Vordringen und die Macht Albrechts, dessen Feldherrntalent den Krieg noch vor der Schlacht bereits zu Ungunsten Adolfs entschieden hatte, zwang ihn zu offener Partheinahme, von den Anhängern des Herzogs gedrängt, sprach er am 23. Juni 1298 zu Mainz über den abwesenden König das Absetzungsurtheil aus. Wenige Tage darauf brachte die Schlacht bei Göllheim Adolf den Tod und G. um den erhofften Gewinn. Er hatte zum Sturze Adolfs mit gewirkt, weil dieser sich nicht den Ordnungen unterwarf, die der Erzbischof für die Reichsverfassung nothwendig erachtete, in dem Augenblicke aber, wo ihm dieses gelang, sah er sich von Albrecht überholt. Allerdings ließ sich Albrecht bei seiner Wahl zu Zugeständnissen herbei, welche die von Adolf fast übertrafen, die mainzer Kanzlerrechte insbesondere wurden in vollem Umfange anerkannt, dafür dachte aber der neue König noch weniger als Adolf an deren Verwirklichung. Kaum drei Jahre vergingen, da standen die rheinischen Kurfürsten Albrecht genau so feindlich gegenüber, wie vordem Adolf, nur war diesmal G. von vorneherein Führer der Opposition. – Die Ursachen der Entzweiung waren ähnlich, der Ausgang verschieden. Das Streben Albrechts, die Krone mit Hülfe von Frankreich in seinem Hause erblich zu machen, die Nichtberücksichtigung der Kurfürsten in Reichsangelegenheiten und noch einige Streitpunkte mehr untergeordneter Art erzeugten bereits 1299 eine so tiefgehende Spannung zwischen König und Erzkanzler, daß ein Zusammenstoß unvermeidlich war. Die Anekdote, daß G. sich vor der Zusammenkunft der Könige Albrecht und Philipp von Frankreich bei Quatrevaux mit den Worten entfernt habe, es seien noch mehr Könige in seiner Tasche enthalten, stammt allerdings aus sehr trüber Quelle, bezeichnet aber seine Stellung zum Könige richtig. Denn seitdem plante G. in der That die Absetzung Albrechts. Trier und Köln waren bald gewonnen, der Pfalzgraf schloß sich ebenfalls an, ein förmliches Bündniß der vier Fürsten stellte die Entfernung Albrechts vom Throne offen als Endziel auf. Die Thatkraft des Königs vereitelte indessen die Absichten der Gegner. Von den Rheinstädten nachhaltig unterstützt, eröffnete er den Krieg, bevor noch die Fürsten sich dessen versahen, und einer nach dem anderen mußte seine schwere Hand fühlen. Der Pfalzgraf arg bedrängt, bequemte sich zuerst zum Frieden, G. wehrte sich länger. Seine Feste Bingen vor allem widerstand mit rühmlicher Ausdauer fast zwei Monate lang dem Ansturme des Königs und ihre Einnahme war eine für die damalige Kriegskunst so merkwürdige That, daß die Zeitgenossen sie einer eingehenden Beschreibung würdigten. Dem Falle dieser Stadt folgte eine Verwüstung des Rheingaues, bei der sich französische Hülfsschaaren durch Gewaltthätigkeiten hervorthaten und dennoch beugte G. sich nicht. Erst als Albrecht im folgenden Jahre (1302) sich zu einem zweiten Feldzuge anschickte, verstand er sich nothgedrungen zur Unterwerfung. Die Bedingungen des Friedens waren für den stolzen Mainzer demüthigend genug – erschienen sie doch seinen Nachfolgern so schmählich, daß sie noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts die Bekanntmachung der betreffenden Urkunde nicht gestatteten – allein weit härter traf ihn das Fehlschlagen all seiner Pläne. Denn nachdem er den Frieden geschlossen, mußten Köln und Trier binnen kurzer Frist ebenfalls die Gnade des Königs nachsuchen und dieser glänzende Sieg der Reichsgewalt über die Fürsten war nicht nur mit schweren materiellen Einbußen für die Unterlegenen verbunden, er minderte auch das Ansehen und die Bedeutung des Kurfürstencollegs. Die Bemühungen Gerhards, den Kurfürsten einen bestimmenden Einfluß auf die Entschließungen und [746] Maßnahmen des Reichsoberhauptes zu erwirken und die Reichsregierung in ständisch-oligarchischem Sinne zu ordnen, waren vollständig gescheitert und ihr Urheber kam nicht mehr dazu, sie wiederaufzunehmen. Am 25. Febr. 1305 schied er aus dem Leben, weiter vom Ziele entfernt als bei seinem Eintritt in die Laufbahn. – Dennoch hat er die Pläne, wie überkommen, so auch seinen Nachfolgern als politische Tradition überliefert und fast ausnahmslos haben alle bis auf Berthold von Henneberg am Ausgang des Mittelalters hinab sich an deren Durchführung abgemüht. Viel weiter ist aber keiner gelangt, denn alle hatten den gleichen Widerstand der Wahlkönige und fürstlichen Territorialherren zu bekämpfen, denen das partikulare stets über das gemeinsame Interesse ging.

Vgl. Lorenz, Deutsche Gesch. im 13. u. 14. Jahrh., Bd. II; Kopp, Gesch. d. eidgenöss. Bünde, Bd. III.