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ADB:Gerbellius, Nikolaus

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Artikel „Gerbelius, Nikolaus“ von Ludwig Geiger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 716–718, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gerbellius,_Nikolaus&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:23 Uhr UTC)
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Gerbelius: Nikolaus G.[WS 1], geb. in Pforzheim (Jahr nicht bekannt), † in Straßburg 1560. Er studirte 1506 in Köln, der Hochschule, die, trotz ihres schlimmen Rufes so manche tüchtige Männer damals ausgebildet hat, von wo aus er mit Joh. Trithemius einen Briefwechsel unterhielt, dann 1507 in Wien, wo er sich in Celtis collegium poeticum den Beinamen Musophilus gab, in Wiener Druckereien als gelehrter Corrector thätig war, u. a. bei der durch Bernhard Perger neu herausgegebenen lateinischen Grammatik des Nik. Perotto, andere Schriften, z. B. Albertus Magnus: „De natura locorum“ (Straßburg 1515) mit empfehlenden Distichen begleitete, von dem Historiker Cuspinian besonders unterstützt wurde, dem er zeitlebens seine Anhänglichkeit bewahrte, auch mit seinem großen Landsmann Reuchlin in Beziehung trat (Reuchlin’s Briefwechsel, Stuttgart 1876, S. 173 u. 299). Reuchlin’s Tod hat G. später in manchen Briefen herzlich betrauert, Cuspinian’s Schriften: „De caesaribus atque imperatoribus“, 1540, „Cassiodori chronicon“, 1552, hat er sorgfältig herausgegeben, der ersteren eine Biographie Cuspinian’s beigefügt. Bei diesen Ausgaben ist er blos Editor, nicht etwa auch Commentator; die Biographie Cuspinians’s ist mehr der begeisterte Panegyrikus eines enthusiastischen Schülers, als die kritische Würdigung eines Historikers, mehr der dankbare Tribut für empfangene Wohlthaten als eine wissenschaftliche Arbeit. Lange bevor er diese Biographie schrieb, hatte er Wien verlassen. 1513 treffen wir ihn in Bologna auf der italienischen Studienreise, die nothwendig zur Ausbildung des Humanisten gehörte, wo er sich die juristische Doctorwürde erwarb, dann in Basel, wo er in dem Gelehrtenverein sich befand, der in einem Gedichte des Erasmus gepriesen wird, seit Ende 1515 in Straßburg. Den Titel jureconsultus behielt er bei, bemühte sich auch in der ersten Zeit, wie er schreibt „in curiis ecclesiasticis causas agere“, hat aber von seinen juristischen Studien nur ein Zeugniß hinterlassen, die „Vitae jureconsultorum“ (Basel 1537), die mir freilich nur dem Titel nach bekannt sind. Später wurde er in Straßburg, wo er sich am 11. Decbr. 1525 verheirathete, Lehrer und Professor der Geschichte und war, ebenso wie früher in Wien, als gelehrter Corrector einiger Straßburger und benachbarter Hagenauer Druckereien thätig. Auch das väterliche Talent der Malerei scheint er ausgebildet zu haben. Wenigstens ist eine Nachricht erhalten, daß er 1540 dem auf dem Tage zu Hagenau anwesenden französischen Gesandten Lazarus Baif ein von ihm gemachtes Gemälde, die Stadt Genua vorstellend, geschickt habe. Außer mit den genannten Wissenschaften und Künsten beschäftigte er sich auch mit der Theologie. Denn, wie seine Freunde behaupteten, begehrte er zuerst die Stelle eines Geistlichen in Straßburg, konnte sie aber nicht erlangen und nahm sie dann nicht an, als sie ihm zu spät angetragen wurde. Aber wenn er auch kein geistliches Amt bekleidete, so betheiligte er sich doch, wie die meisten Gelehrten jener [717] Zeit, an den religiösen Kämpfen und zwar als eifriger Lutheraner in einer Stadt, in welcher Mitglieder aller neueren Religionsparteien auftraten und die Reformirten bald die Herrschaft erlangten. Zu dieser Gesinnung wurde er zuvörderst durch freundschaftliche Beziehungen gedrängt, welche er von früh an mit Luther unterhielt. Luther hatte sich schon von der Wartburg aus an ihn gewendet, ihn später zum Pathen seines ältesten Sohnes gemacht, ihm 1528 ein glänzendes Zeugniß ausgestellt; dafür unterrichtete G. ihn von allen theologischen Vorgängen in Straßburg, nicht ohne gehässige Bemerkungen gegen die leitenden Männer, veröffentlichte 1522 Luther’s verletzendes Schreiben an Capito in deutscher Uebersetzung, wünschte aber später eine Versöhnung zwischen Luther und den Oberdeutschen anzubahnen und ermahnte ersteren, weniger heftig in seinen Schriften gegen die letzteren aufzutreten. Unter den Lutheranern verkehrte er außerdem besonders mit Melanchthon, mit dem er durch landsmännische Gesinnung eng verbunden war und durch den er von ungerechtfertigten Anklagen befreit wurde und auch mit Bugenhagen; unter den Reformirten mit Bucer und Hedio, welcher letztere mit ihm in manchen religiösen Ansichten übereinstimmte. Er schrieb auch einen „Sendbrief dem klaynenn Heufflin zu Pfortzhaim durch Nicolaum Gerbellium“, 1523, der dem „Sermon Joh. Schwebel’s vorangestellt ist, in welchem er seine Landsleute und Gesinnungsgenossen zur Gottesfurcht ermahnt. Außer mit den Genannten wechselte er Briefe mit Mich. Hummelberger (München, Hofbibl.) und Joh. Schwebel (Zweibrücken 1597). Ein Zeugniß seiner theologischen und historischen Neigung ist seine Schrift: „De anabaptistarum ortu et progressu“, die aber gänzlich verschollen zu sein scheint. Dagegen sind mehrere Zeichen seiner historisch-geographischen Thätigkeit erhalten. Zuerst die kleine Arbeit „N. G. in descriptionem Graeciae Sophiani praefatio“ (zuerst Basel 1545, c. 90 S. in Fol.). Die Schrift ist keineswegs blos eine Vorrede, sondern eine vollkommene Schilderung der einzelnen Landschaften und Städte des alten Griechenlands, welche G. im Auftrag des Buchhändlers Oporinus, dem er auch einzelne Quellen, z. B. den damals noch ungedruckten Aelian, verdankte und auf Anregung des Joachim Camerarius verfaßte und als Commentar zu den Städtebildern des N. S. hinzufügte. Die Arbeit, den Grafen Wilhelm und Otto v. Eberstein, deren Vater und Onkel G. verpflichtet war, gewidmet, zeigt eine sehr hübsche Verbindung geographischer und historisch-antiquarischer Mittheilungen, und besteht zumeist in einer Aneinanderreihung von Stellen aus römischen und griechischen Schriftstellern. Aber auch die modernen, wie Ermolao Barbaro werden nicht vergessen; befreundete deutsche Zeitgenossen, wie der Mathematiker Christmann Herlinus, der Historiker Caspar Hedio, der Philologe Arnoldus Arlenius und der Hebraist Paul Fagius werden gerühmt, die Stadt Augsburg gepriesen, weil sie kostbare Handschriften aus Griechenland und Italien erworben und Straßburg zum Muster vorgehalten; Straßburgs Lage ausführlich mit der Corinths verglichen. Gelegentlich kommt dann auch die deutsch-patriotische Stimmung zum Ausbruch. so daß er bei der Verwüstung von Thessalonien traurig und klagend der Zerstörung Ungarns durch die Türken gedenkt, während er sonst, als echter Humanist, gern den Ruhm und die Vortrefflichkeit der Zeit verkündet, in welcher er lebt. Der Beschreibung der einzelnen Städte und Landschaften folgt eine Aufzählung aller geographisch wichtigen Punkte mit Angabe der geographischen Länge und Breite. Diesen als Vorläufer voraufgeschickten Schriften folgte 1550 das Hauptwerk: „N. G. Phorcensis pro declaratione picturae sive descriptionis Graeciae Sophiani libri septem“ (c. 300 Folioseiten mit vielen Karten). Es theilt die Vorzüge mit dem voraufgehenden Schriftchen: es ist ein vollkommenes Lehrbuch der physischen und politischen Geographie des alten Griechenlands, also selbstverständlich nicht die Beschreibung dieses Landes nach [718] eigener Anschauung, sondern streng nach den Mittheilungen der alten Schriftsteller. Diese werden in ihrer Uebereinstimmung mit oder Abweichung von der Zeichnung des Soph. aufgezeigt, mit kritischen Bemerkungen begleitet, die nicht selten eigene philologische Conjecturen enthalten oder die Anderer betrachten. Außer den geographischen Bemerkungen finden sich auch geschichtliche Abschnitte: ein kurzer Abriß der griechischen Geschichte überhaupt, Erörterungen über Entstehung und Ausbildung der griechischen Sprache, über die Sitten der Griechen. Bei der Beschreibung eines jeden einzelnen Landes werden die Autoren aufgeführt, die darüber geschrieben haben, nicht selten auch solche citirt, die nur handschriftlich vorhanden waren, die G. aber doch benutzt oder von deren Existenz er durch Freunde gehört hat. Bei jeder Landschaft unterscheidet er regiones, montes, flumina, urbes, insulae, die er alle einzeln durchgeht, oft mit großer Ausführlichkeit, wenn er sich auch häufig genug deswegen entschuldigt, daß er kürzer sei als die Würde des Gegenstandes erfordere. Endlich muß G. als Herausgeber eines historischen Werkchens genannt werden: „Icones imperatorum et breves vitae atque rerum cujusque gestarum indicationes: Ausonio, Jacobo Micyllo Ursino Velio authoribus“, Straßburg 1544, dem er eine Vorrede vorangeschickt hat. Das Werkchen selbst, mit übermäßig schlechten Bildnissen, fügt zu dem Bilde eines jeden Kaisers (nur selten fehlen die Bilder) je drei Distichen hinzu, von denen je eins für alle Kaiser von Ursinus Velius geliefert ist, während die beiden übrigen bis zu Alexander Severus vom Ausonius, von da an bis Ferdinand I. von Jak. Micyllus herrühren.

Vgl. die sehr seltenen im Vorstehenden behandelten Schriften des G.; ferner Melch. Adam, Vitae jurecons. Heid. 1620, S. 133 ff. Röhrich, Gesch. der Reform. im Elsaß I. u. II. passim. Aschbach, Gesch. der Wiener Univ. II. (1878), S. 316–18. Horawitz, Analekten z. Gesch. des Humanismus in Schwaben (Wien 1877), S. 49 ff., 55 ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Laut GND-Datenbank der Deutschen Nationalbibliothek ist Matthäus Gnidius ein Pseudonym des Nikolaus Gerbelius.