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ADB:Gemma-Frisius, Rainer

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Artikel „Gemma-Frisius, Rainer“ von Moritz Cantor in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 555–556, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gemma-Frisius,_Rainer&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 04:55 Uhr UTC)
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Gemma-Frisius: Rainer G., Astronom und Arzt, geb. am 8. Dec. 1508 zu Dockum in Friesland, woher ihm der Beiname Frisius stammt, † am 25. Mai 1555 als Professor der Medicin an der Universität Löwen. Sein Lebenslauf war ein sehr einfacher. Er verlor jung seine Eltern, empfing seinen ersten Unterricht in Groningen, besuchte bald darauf das Groninger Collegium in Löwen und widmete sich dem Berufe nach der Heilkunde, während er aus Neigung Mathematik und besonders Astronomie trieb, denen auch seine sämmtlichen schriftstellerischen Leistungen angehören. In seinem eigentlichen Fache wird nur eine 1592 durch Garetius in Frankfurt herausgegebene Schrift über die Gicht, „Consilia quaedam de arthritide“ mittelbar auf ihn zurückgeführt. Seine äußere Stellung muß, wie aus seinem Briefwechsel mit Johannes Dantiscus (Flaxbinder) hervorgeht, mehrfachem Wechsel unterworfen gewesen sein. Zuerst nur Arzt war er seit den vierziger Jahren Professor der Mathematik in Löwen, später und jedenfalls vor 1553 Professor der Medicin ebendaselbst. Engste Freundschaft verband ihn mit einem Collegen Trivelius, der eben so stattlich und kräftig aussah wie G. zart und schmächtig (vgl. das Bildniß des bei Foppens, Bibliotheca Belgica), so daß man die Beiden nur „Lovaniensium medicorum par impar“ nannte. In der Astronomie ist G. als geistiger Schüler und Nachfolger des Apianus (s. o.) zu betrachten, wenn auch ein persönlicher Zusammenhang nicht nachzuweisen ist. Gemma’s erste Veröffentlichung 1529 war eine Ergänzung der Cosmographie des Apianus. Gleich diesem beschäftigte er sich viel mit Verbesserung astronomischer Instrumente, unter welchen der „astronomische Ring“ besonders genannt sein mag. Gleich ihm gab er eine neue Methode zur Bestimmung der geographischen Länge an. In dem 1547 in Paris gedruckten Buche „De usu globi“ schreibt nämlich G. ausdrücklich vor, man solle auf Reisen eine von den kleinen genau gehenden Uhren mitnehmen, die man gegenwärtig anzufertigen wisse und die vor der Abreise nach der Zeit des Abgangsortes astronomisch gerichtet werden müsse; unterwegs solle man alsdann die Zeit nach der Uhr mit der durch neue Beobachtungen ermittelten wahren Zeit vergleichen; der Unterschied beider Zeiten beruhe auf der Längendifferenz, welche rückwärts aus ihm ermittelt werden könne. Diese Methode gilt ihren Grundzügen nach bis [556] auf den heutigen Tag als die einfachste und wird auf Schiffen stets angewandt. Bahnbrechend waren auch die geodätischen Vorschriften, welche G. in dem „Libellus de locorum describendorum ratione“, Antwerpen 1533, veröffentlichte. Winkelmessungen an zwei Orten von bekannter Entfernung angestellt, gestatten die von beiden Beobachtungsorten aus einvisirten Punkte als Durchschnitte von Geraden zu erhalten und gewähren bei Fortsetzung des Verfahrens eine wahre Triangulation. Mit diesen praktisch so wichtigen Lehren tritt G. an die Spitze einer niederländischen geographischen Schule, deren bedeutendster Vertreter, Mercator, unmittelbar Gemma’s Unterricht genoß. Auch die „Charta sive mappa mundi“ des G. selbst, Löwen 1540, enthält schon eine Weltbeschreibung nach alten und neuen Angaben. Karl V., bei welchem G. sehr in Gunst stand, wiewol der bescheidene Gelehrte sich vom Hofe fern zu halten pflegte, machte den Verfasser auf einen Irrthum in diesem Buche aufmerksam, welcher dann in einer neuen dem Kaiser zugeeigneten Ausgabe verbessert ist. Um dieselbe Zeit trat G. als arithmetischer Schriftsteller auf. Sein kleines Lehrbuch dieser Wissenschaft, welches seit 1540 in häufigen Auflagen erschien, ist wahrscheinlich das erste, in welchem zum Zwecke der Aussprache vielziffrige Zahlen durch senkrechte Striche in Gruppen von je 2 Ziffern abgetheilt werden. Ferner ist darin die Kunst gelehrt reine quadratische Gleichungen durch die Regula falsi, d. h. durch die Methode zweier falscher Ansätze zu lösen, was Christoph Rudolph für unmöglich hielt und wofür Michael Stifel dem G. großes Lob spendet. Durch alle diese Leistungen wuchs Gemma’s Ruhm unter den Zeitgenossen so hoch, daß naheliegende Wortspiele mit dem Namen „Gemma“ wiederholt erwähnt werden, ja daß derselbe sogar in „Edelgestein“ verdeutscht wurde. G. soll in der Dominikanerkirche zu Löwen begraben sein. Wann er sich mit seiner Frau Barbara verheirathete, ist unbekannt. Die Ehe scheint nicht glücklich gewesen zu sein. Ueber seinen Sohn Cornelis G. s. o.

Vgl. Kästner, Gesch. d. Mathem. I, 129 und II, 334, 573, 579 flg. – Quételet, Histoire des sciences mathématiques et physiques chez les Belges. Bruxelles 1864, pag. 78 flg. – Curtze in Grun. Archiv LVI, 313 flg.