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ADB:Gallina, Josef Freiherr von

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Artikel „Gallina, Josef Freiherr von“ von Oscar Criste in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 242–244, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gallina,_Josef_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:45 Uhr UTC)
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Gallina: Josef Freiherr von G., k. k. Feldmarschalllieutenant, geboren am 17. November 1820 in Graz als Sohn eines Hauptmanns, erhielt seine militärische Ausbildung in der Wiener-Neustädter Militärakademie und trat am 16. April 1843 als Lieutenant in das Infanterieregiment Nr. 38. Am 16. Januar 1848 dem Generalstabe zugetheilt und am 8. April zum Oberlieutenant im Regimente befördert, leistete G., anfangs im Stabe der Brigade GM. Wohlgemuth, dann in jenem der Brigade Rath, beim Rückzuge von Mailand nach Verona, im Gefechte bei Sona, 30. April sowie im Treffen bei Goito, 30. Mai, so vortreffliche Dienste, daß er am 1. Juni 1848 dauernd in den Generalstab kam. Als Generalstabschef der Division FML. Graf Haller machte er die Schlacht bei Custoza, 23. Juli, den Mincio-Uebergang bei Salionze, 24. Juli, sowie den Vormarsch gegen Mailand mit und nahm bei der combinirten Brigade GM. Fürst F. Liechtenstein verdienstvollen Antheil an den Operationen zur Besetzung von Modena. Am 21. Februar 1849 wurde G. zum Hauptmann im Generalstabe befördert und bei der Brigade GM. v. Grawert eingetheilt. Seine Rathschläge trugen wesentlich zur Veränderung der Marschrichtung des IV. Armeecorps am 23. März und dadurch zum rechtzeitigen Erscheinen des letzteren auf dem Schlachtfelde von Novara bei. Nach Beendigung des Feldzuges als Professor an der Generalstabsschule zu Verona, dann als Generalstabschef bei der Division FML. Fürst Friedrich Liechtenstein, endlich bei den reglementären Arbeiten des FML. Grafen Degenfeld verwandt, kam G. im J. 1853 in die zweite Section des Armee-Obercommandos in Wien, und blieb hier bis Februar 1858, mit Ausnahme jener Zeit, in welcher er, bald nach seiner Beförderung zum Major, 23. März 1854, in die Operationskanzlei des Armee-Obercommandos der III. und IV. Armee unter FZM. Freiherrn v. Heß bei der Truppenaufstellung gegen Rußland berufen [243] war. Im Februar 1858 wurde G. als Generalstabschef dem I. Cavalleriecorps in Pest zugetheilt, am 17. April 1859 zum Oberst1ieutenant, am 21. Mai 1860 zum Obersten befördert, Ende des Jahres als Generalstabschef bei der mobilen Division FML. v. Cseh in Großwardein eingetheilt und im J. 1862 als Vorstand des kriegsgeschichtlichen Bureaus nach Wien versetzt. Nach kurzer Verwendung in der ersten Abtheilung des Generalcommandos in Ofen im J. 1865 und als Generalstabschef daselbst kam G. im Mai 1866 in dieser Eigenschaft zum V. Armeecorps in Italien und wirkte an den Operationen, sowie an der Schlacht bei Custoza so erfolgreich mit, daß ihm das Ritterkreuz des Leopoldordens verliehen wurde. Nach dem Feldzuge, im November 1866, wieder auf seinen früheren Posten in Ofen versetzt, am 9. November 1867 zum Generalmajor und Brigadier bei der IV. Infanterie-Truppendivision in Brünn ernannt, wurde G. schon am 26. Januar 1868 als zugetheilter General, vom 3. Januar 1869 an als Chef der ersten Section an die Seite des Kriegsministers FZM. Freiherrn v. Kuhn berufen und am 1. Mai desselben Jahres mit der Leitung des Generalstabes betraut. Insbesondere in dieser Stellung ward ihm nun ein weites Feld der Thätigkeit, das er mit außerordentlichem Erfolg zu bebauen wußte. Bestrebt, einer möglichst großen Anzahl von Officieren die Möglichkeit zu bieten, den Generalstabsdienst genau kennen zu lernen, sie durch den Contact mit den höheren Führern der Armee vielseitiger und verwendbarer zu machen, zog er die ihm untergebenen Officiere zu wissenschaftlichen Arbeiten heran und nöthigte sie auf diese Weise zu intensivem Studium aller einschlägigen militärischen Vorschriften, sowie zu jenem von Werken, die auch nur in mittelbarem Zusammenhang mit den Militärwissenschaften standen. Hauptsächlich seinen Bestrebungen ist es denn auch zu danken, daß die ganze Schulung und Heranbildung des Generalstabes in neue Bahnen gelenkt und damit auch die Verwirklichung des Gedankens, „nach und nach einen größeren Stamm von organisatorisch und technisch geschulten Officieren zu schaffen, unter welchen die Heeresleitung die zur Besetzung wichtiger Posten geeigneten Personen wählen könne“, kräftig angebahnt wurde. Am 1. Mai 1873 wurde G. zum Feldmarschalllieutenant befördert, am 18. Januar 1874 für seine vorzügliche Dienstleistung in der Leitung des Generalstabes mit dem Orden der eisernen Krone 2. Classe ausgezeichnet und infolgedessen in den Freiherrnstand erhoben. Am 14. Juni 1874 mit dem Ausdruck der Allerhöchsten Zufriedenheit zum Commandanten der 30. Infanterie-Truppendivision in Lemberg, am 6. März 1878 zum Militärcommandanten in Krakau ernannt, trat G. schon am 1. September desselben Jahres aus Gesundheitsrücksichten in den Ruhestand und starb am 3. October 1883 in Wien. – Die Bedeutung Gallina’s liegt vornehmlich in seiner Wirksamkeit als Lehrer und Bildner der österreichischen Armee. Als solcher bethätigte er sich in fruchtbarster Weise nicht nur durch persön1iche Einwirkung, sondern viel mehr noch durch eine Reihe von Schriften, theils organisatorische Abhandlungen, theils kriegshistorische Studien zu dem Zwecke, diese oder jene theoretische Lehre in ihrer praktischen Anwendbarkeit zu zeigen – Werke, deren Werth auch heute noch nicht unterschätzt werden darf. Schon im J. 1850 hatte er, veranlaßt durch den vielfachen Wechsel in der Truppeneintheilung bei der Armee in Italien, die ungenügende Vorbereitung des oberitalienischen Kriegsschauplatzes, sowie durch die hervorgetretenen Mängel in der Organisation und Ausbildung „Beiträge zu einer Charakteristik des Kriegsschauplatzes und der Kriegführung in Oberitalien“ veröffentlicht, die eine Fülle praktischer Winke für die Anordnung der Märsche, Biwaks und Gefechte enthalten. Zehn Jahre später veröffentlichte G. eine Abhandlung über Kriegsmärsche, in welcher die Einfachheit [244] der Operationen großer Armeen, wenn die Vorbedingungen, Beweglichkeit und entsprechende Vorbereitung, vorhanden sind, in musterhafter Klarheit dargelegt erscheint. Von seinen zahlreichen in der im J. 1860 wiedererstandenen „Oesterreichischen militärischen Zeitschrift“, dann in dem auf seine Anregung hin neu gegründeten „Organ des militär-wissenschaftlichen Vereins“ enthaltenen kleineren und größeren Arbeiten, kann die Abhandlung „Armee in der Bewegung“ als ein grundlegendes Werk bezeichnet werden. „Mit überzeugender Klarheit und Bestimmtheit stellte G. in den ,inneren Anordnungen’ die Begriffe fest und zeigte den Kern der Armeedispositionen in den verschiedenen Lagen. Treffende Beispiele aus den Feldzügen 1807 und 1809 beleuchen die bezüglichen Lehrmeinungen. In den ,Hindernissen der Bewegung’ sind die Flußübergänge, die Flußvertheidigung, die Anlage, Stärke und Armirung der Befestigungen, das Gebirge und die Steppen wieder mit Vorführung von kriegsgeschichtlichen Beispielen in ihrer Einflußnahme auf die Bewegung großer Massen und mit Benützung der unter Gallina’s Leitung vorgenommenen Generalstabs-Uebungsarbeiten in gründlicher Weise dargelegt.“ Die im J. 1875 erschienenen „Grundsätze für die Verwendung der Streitkräfte zum und im Gefechte“ bilden eine werthvolle Ergänzung der „Armee in der Bewegung“ in taktischer Beziehung. Beide Werke bedeuten den Höhepunkt alles theoretischen militärischen Wissens, in so weit sich dieses auf die rein materielle, die rein technische Seite der Verwendung großer Armeen bezieht; sie bedeuten aber auch den Höhepunkt seines gesammten litterarischen Schaffens. Nicht nur als Schöpfer des dem Generalstabe aller Armeen jetzt als ganz unumgänglich nothwendig scheinenden Fachwissens, der Generalstabstechnik, nimmt G. eine hervorragende Stellung ein, sondern auch als militärischer Fachschriftsteller von weitreichender Wirkung und Bedeutung, wenngleich dessen Name wenig genannt und gekannt wurde.

Acten des k. u. k. Kriegs-Archivs. – Organ der militär. wissenschaftlichen Vereine. XXVII. Band, 1883. – Streffleur’s österreichische militärische Zeitschrift. XXIV. Jahrg.