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ADB:Fuchs

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Artikel „Fuchs, Aloys und Felix Heinrich Christophor“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 159–162, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fuchs&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:23 Uhr UTC)
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Fuchs: Aloys F., geboren 1795, † am 28. Febr. 1855, und Felix Heinrich Christophor F., geb. am 18. Aug. 1795, † am 9. Decbr. 1846, schweizerische katholische Geistliche. – Die beiden gleichalterigen und gleichnamigen Männer waren unter einander nicht verwandt. – Aloys F. stammte aus Schwyz, und Christoph F. war der Sohn eines nicht unbegabten Malers aus dem Städtchen Rapperswil, der, den öffentlichen Angelegenheiten sich widmend, in seiner Heimath eine angesehene Stellung einnahm –: aber sie trafen sich so sehr im Höhepunkte ihres Lebens auf dem gleichen Wirkungskreise in gleichartigen Bestrebungen, daß ihre nicht zu unterschätzende Bedeutung für die [160] Geschichte der schweizerischen Regenerationszeit nur in gemeinsamer Würdigung ermessen werden kann. Reichbegabt, von ausgeprägt sanguinischem Temperament, war Christoph F. als einer der ersten Schüler durch den Unterricht der im aufgehobenen Stifte St. Gallen neu begründeten und rasch kräftig erblühenden Kantonsschule gegangen und hatte sich 1814, nachdem er anfangs Rechtsstudien sich gewidmet, der Theologie zugewandt. Unter den nahezu hundert „Sailer-Schülern im schweizerischen Clerus“, welche Lütolf in der „Beigabe“ zu seinem Leben Schiffmann’s (Luzern 1860) – F. war zu Landshut mit dem Lehrer in engste Verbindung getreten – aufzählt und charakterisirt, ist er eine der hervorragendsten Erscheinungen. F. bekleidete von 1818 an theils im Kanton, theils in der Stadt St. Gallen verschiedene geistliche Aemter: in die von dem Pfarrer in dessen toggenburgischen Bergdorfe Libingen eingerichtete Privatlehranstalt kam 1821 der später in seiner aargauischen Heimath als Pädagoge und Politiker tief eingreifende Augustin Keller als Schüler. Einer Reise nach Italien folgte 1825 für F. die Berufung an die Pfarrkirche seiner Vaterstadt und damit die Eröffnung einer achtjährigen, die eigentliche historische Bedeutsamkeit seiner Person umschließenden Thätigkeit. In mehreren Kantonen ging der 1830 begonnenen politischen Regeneration eine liberale Richtung innerhalb der katholischen Kirche zur Seite, welche Reformen in der Verfassung derselben zu erzielen suchte. Im Kanton St. Gallen machte sich eine Fraction des Pfarrcapitels Uznach zum Träger dieser Bewegung, und innerhalb derselben hinwieder stand Rapperswil voran. Neben Christoph F., welcher sich mit seiner ganzen Beweglichkeit, mehr durch die Phantasie, als durch eigenes Forschen geleitet, in diese Dinge warf, betheiligten sich daran Aloys F., auch ein Schüler Sailer’s und nunmehr als Spitalpfarrer und Professor in Rapperswil angestellt, und Felix Helbling, welcher, obschon Priester, sich auch schon 1830 bei der politischen Umgestaltung seines Kantons bethätigt hatte. Eine vom katholischen Administrationsrathe unabhängige katholische Erziehungsbehörde wurde gefordert und in kühnen Worten betont, daß in der Kirche keine Monarchie, sondern eine Hierarchie zu sehen sei und daß eine kirchliche neben der bürgerlichen Freiheit bestehe; auf eine bischöfliche Zurechtweisung erfolgte als Antwort, es gebe Punkte, worin alle Geistlichen einander gleich seien. Im Fortgange des Streites begehrte das Capitel Uznach eine nach dem Muster der älteren christlichen Kirche zu veranstaltende Diöcesansynode im offenen Widerspruche gegen die Abmahnung des Vorstandes des Doppelbisthums Cur-St. Gallen, und im October 1831 fand zu Bruggen bei St. Gallen wirklich ein allgemeiner Convent aller St. Gallen’schen Capitel statt, welcher sich einstimmig im Sinne der Uznacher aussprach. Aber die bischöfliche Curie blieb fest in ihrem Widerstande, und bis in die Mitte des nächsten Jahres sah sich das Capitel Uznach vereinzelt. Allein jetzt, gerade im Höhepunkte des Streites, trat der sonst bescheidene und stille, als arglose „Johannisseele“ von seinen Verehrern gepriesene Aloys F. durch eine öffentliche Kundgebung, von seinem schwärmerischem Sinne in aufrichtiger, aber ganz unüberlegter Sehnsucht nach Reform hingerissen, in die vorderste Reihe. Am 13. Mai 1832 brachte er in der hinreißenden Predigt: „Ohne Christus kein Heil für die Menschheit in Kirche und Staat“ die Umgestaltungsfrage auf die Kanzel und veröffentlichte, auch hierin von Christoph F. berathen und geleitet, die Rede mit mancherlei in unkluger Weise beigefügten Erweiterungen: die Kirche, hieß es da, sei eine Republik mit einer rein demokratischen Verfassung, mit Freiheit und Gleichheit Aller ohne einen wesentlichen Unterschied zwischen Priestern und Laien, u. s. f. Nach Einlegung einer Klage wurde der Redner Anfang Januar 1833 vor die Curie nach St. Gallen berufen; aber er verantwortete sich kräftig eine ganze Woche hindurch gegenüber seinen Inquisitoren [161] und weigerte sich bei den quälerischen Zumuthungen eines Widerrufes, so daß er trotz der Verwahrung des Uznacher Capitels in allen priesterlichen Verrichtungen suspendirt wurde. Indessen führte gerade die durch diese Verfolgung entstandene Aufregung im Mai 1833 eine entschieden liberale Besetzung des St. Gallen’schen Großen Rathes herbei, und die durch diese Wahlen bedingte Veränderung der Behörden ermöglichte es, eine anderweitige Entschädigung für Aloys F. zu finden. Infolge des politischen Umschwunges fiel im Februar 1834 die durch den Tod von I. v. Arx (s. d. Art.) definitiv erledigte und inzwischen dem gelehrten Exconventualen Weidmann (s. d. Art.) zugewiesene Stelle des Stiftsbibliothekars, welche auch dem Professor Greith – dem nunmehrigen Bischof von St. Gallen – zugedacht gewesen war, F. zu; allein nur bis 1836 vermochte sich derselbe, der dieser Aufgabe keineswegs gewachsen sich zeigte, in seinem Amte zu halten. Inzwischen hatte sich F. in diesen Jahren vielfach litterarisch productiv erwiesen. Seinen Schriften, besonders den auch auf das politische Feld hinüberreichenden: „Der große Abfall vom Vaterlande und die Rückkehr zu ihm, ein vaterländisches Wort an die Urkantone und an alle Eidgenossen“ (Rapperswil 1832), „Wünsche für die Verfassung des Kantons Schwyz“ (Rapperswil 1833), „Vorschläge für eine Bundesverfassung“ (Rapperswil 1833), sind wirklich vaterlandsliebende Gesinnung und unleugbare Volksthümlichkeit, so auch in der theilweisen Einwebung der Volkssprache, vielfach eigen. Die Sache des verurtheilten freimüthigen, in seinem Wesen untadeligen Mannes, welcher als Opfer aus einer größeren Zahl gleich oder mehr Fehlbarer von den Gegnern ausersehen worden war, hatte in weitem Umkreise großes Aufsehen hervorgerufen, und es waren, ganz abgesehen von Kundgebungen aus Rapperswil, Bemühungen zu Gunsten desselben von anderen Seiten erfolgt. Es war bezeichnend, daß die helvetische Gesellschaft, nach ihrer Verjüngung wieder, wie im 18. Jahrhundert, eine Vorkämpferin für liberale Bestrebungen, für 1834 Aloys F. mit ihrem Vorsitze beehrte. Noch 1835 erschien von F. ein erster Band einer Schrift: „Mein Glauben und Hoffen sammt Stimmen aus der katholischen Kirche zu meiner Vertheidigung“ (St. Gallen); allein, dem begonnenen Kampfe auf die Länge nicht gewachsen, bequemte sich der Ausgestoßene im gleichen Jahre zur Annäherung und wurde nach Versicherung seiner katholischen Gesinnung und Ablegung des tridentinischen Bekenntnisses in seine priesterlichen Rechte wieder eingesetzt. Freilich erst 1842 leistete er förmlichen Widerruf zum Behufe völliger Aussöhnung mit der päpstlichen Curie, welche die „Irrthümer“ der anstößigen Predigt in aller Form verdammt hatte. Schon 1836 war Aloys F. nach Schwyz zurückgekehrt, wo er fortan ganz zurückgezogen lebte. – War Aloys F., vom Mißgeschick gebrochen, ganz bedeutungslos geworden, so hat dagegen Christoph F. den Widerstand noch länger fortgesetzt, doch nur um dann in einer noch weit auffallenderen Weise seiner Vergangenheit untreu zu werden. Gerne war derselbe, als die Sache des Uznacher Capitels eine hoffnungslose geworden war, einem Rufe nach Luzern als Professor der Theologie am dortigen Lyceum gefolgt, von welcher Stelle deren bisheriger Inhaber, Widmer, durch die liberale Regierung entfernt wurde. Insbesondere war F. der Vertrauensmann des Leiters des Erziehungswesens, Eduard Pfyffer (s. d. Art.), und schon ehe er im Frühjahr 1834 zu Luzern seine Vorlesungen begann, hatte er im Sinne der liberalen Politik des katholischen Vorortes als Basis für die Berathungen der im Januar 1834 zu Baden tagenden Conferenz die sogen. Badener Artikel entworfen, insbesondere zur Herstellung eines größeren schweizerischen Metropolitanverbandes und zur Feststellung der Rechte der Kantonsregierungen in kirchlichen Angelegenheiten. Doch nur mit großer Schwierigkeit erlangte F. die nothwendige Demission aus [162] seinem bisherigen Bisthumsverbande, und nicht minder entschieden verweigerte ihm der Bischof zu Solothurn die Admission für Luzern. Ebenso erfüllten sich die für die Luzerner Lehranstalt gehegten Hoffnungen keineswegs, indem einerseits durch weiteren Wechsel im Lehrerpersonale unwürdige Elemente sich einmischten und andererseits die Solothurner Curie, vom Nuntius gedrängt, erklärte, daß sie keinem Schüler des Vorkämpfers der Badener Artikel die Weihen ertheilen werde, so daß der Große Rath die ganze theologische Lehranstalt suspendiren mußte. Da verstand sich F., um die Vorlesungen wieder eröffnen zu können, im September 1834 zu einer Art von Widerruf, besonders hinsichtlich der Sätze in der durch ihn früher zum Druck gebrachten Aloys Fuchs’schen Predigt. Aber die Wendung der Gesinnung machte in ihm noch weitere Fortschritte. Gleich seinem in ähnlicher Weise eine völlige Umwechslung seiner Parteistellung vollziehenden politischen Freunde Siegwart-Müller (s. d. Art.) wurde F. – seit 1837 Chorherr zu St. Leodegar in Luzern –, insbesondere, indem er 1841 ein zweites Mal einen noch entschiedeneren Widerruf leistete, allmählig ein Sachwalter der ultramontanen Interessen. Mit der ganzen Heftigkeit seines bestimmbaren Wesens beförderte F. seit der Veränderung der luzernischen Obrigkeit 1841 die verhängnißvolle Verschärfung des politischen Gegensatzes, indem er die Berufung der Jesuiten an die Lehranstalt zu Luzern betreiben half (s. d. Art. Jos. Leu), und der frühere Vertheidiger kirchlicher Reform war bis 1845 so ganz ein anderer Mensch geworden, daß er im September des Jahres, als die Jesuiten nach ihrem Einzuge in die katholische Hauptstadt der Schweiz die dortige theologische Lehranstalt zu übernehmen sich anschickten, selbst in pathetischer Rede, mit Freude, wie er sagte, von der Kanzel der Jesuitenkirche die 12 Jahre von ihm bekleidete Professur an diese seine Nachfolger übergab. Noch bei seinem letzten öffentlichen Auftreten, nur wenige Monate vor seinem Tode, hielt F. in ähnlichem Sinne an der Sempacher Schlachtfeier die Festpredigt – „Der Eidgenossen Gesinnung und That“ (Luzern 1846) –, eine Leistung, welche gleich seinen früheren stets gerne gehörten Kanzelreden die große Begabung in geistlicher Rhetorik darlegt. „Unter allen Geistesgaben hatte bei Christoph F. die Phantasie die Königin gespielt“.

Ueber die Reformbestrebungen der beiden Fuchs vgl. Baumgartner, Die Schweiz in ihren Kämpfen und Umgestaltungen von 1830–50, Bd. II. S. 38 154 ff., auch O. Henne-Am Rhyn, Geschichte des Kant. St. Gallen, S. 248 ff., sowie die Schriften „Aloys Fuchs und seine Suspensionsgeschichte mit Actenstücken“ (Rapperswil 1833) und K. Greith, Grundzüge der Entwickelung und Reform der Kirche, zur Beurtheilung der neuesten kirchlichen Ereignisse im Bisthum St. Gallen (Luzern 1834), über Christoph F. bei seinem ersten Auftreten in Luzern auch in K. Pfyffer’s Geschichte des Kant. Luzern Bd. II. S. 496 ff. Christoph F. ist geschildert: Neuer Nekrolog d. Deutschen 24. Jahrg. 1846, II. Bd. S. 1011–1017.