ADB:Fickler, Johann Baptist
Ambrosius v. Gumppenberg, der während eines vieljährigen Aufenthaltes zu Rom als apostolischer Notar, Procurator und Sollicitator der deutschen Nation bei der päpstlichen Curie ein [776] großes Vermögen erworben und eine reiche Münz- und Kunstsammlung nach Deutschland gebracht hatte. Die Beschäftigung mit dieser Sammlung bot F. Anlaß und Gelegenheit, seine Kenntnisse auf dem Gebiete sprachlicher, antiquarischer und namentlich numismatischer Studien zu erweitern und sich sogar in schriftstellerischen Arbeiten zu versuchen. Die Erstlingsfrucht letzterer Bestrebungen widmete er dem Erzbischof von Salzburg, Michael v. Kienburg, welche Aufmerksamkeit zur Folge hatte, daß F. nach Ablauf der bedungenen vierjährigen Dienstzeit bei A. v. Gumppenberg im J. 1559 als „Rerum romanarum ad archiepiscopatum Salisburgensem pertinentium latine expediendarum Secretarius“ angestellt wurde. In dieser Eigenschaft hatte er schon im nächstfolgenden Jahre die erzbischöfliche Deputation zur Einholung des Palliums für den neuen Erzbischof Johann Jakob v. Kuen-Belasy nach Rom zu begleiten. Diese Reise führte ihn in erwünschtester Weise in die praktische Alterthumskunde ein und schärfte seinen Beobachtungsblick. Ein wichtiges Feld, seine Geschäftsgewandtheit zu bethätigen, eröffnete sich ihm, als er im J. 1562 den salzburgischen Abgeordneten zum tridentinischen Concil beigegeben wurde. Erstere kehrten zwar alsbald nach Hause zurück, da ihnen, wie auch den übrigen Abgesandten deutscher Bischöfe auf Antrag der päpstlichen Legaten das Stimmrecht versagt wurde. F. aber blieb bis zum Schlusse des Concils (Febr. 1564) und vollzog die ihm übertragene Aufzeichnung sämmtlicher Verhandlungen aufs pünktlichste und umfassendste. Von dem Wunsche beseelt, seine dienstliche Brauchbarkeit zu erhöhen, erwirkte er sich die Erlaubniß, seine juristischen Studien in Bologna vollenden zu dürfen, und kehrte von dort nach Jahresfrist als Doctor beider Rechte nach Salzburg zurück. Er ward sofort zum Hofrath, später zum Rathe des geistlichen Consistoriums und endlich zum erzbischöflichen Protonotar (Kanzler) ernannt und entwickelte in einer langen Reihe von Jahren in den schwierigen und vielzweigigen Angelegenheiten eines geistlichen Reichsfürsten jener Zeit die befriedigendste Geschäftstüchtigkeit, zumal als erzbischöflicher Bevollmächtigter auf den Reichstagen, leider auch als einer der Untersuchungscommissäre in dem beklagenswerthen Processe gegen die im J. 1584 rücksichtslos des Landes verwiesenen Protestanten. F. stand bereits in seinem 55. Lebensjahre, als sich ihm ungeahnt ein neuer und freundlicherer Wirkungskreis erschloß. Herzog Wilhelm V. von Baiern ließ seinen seit 1587 auf der Hochschule zu Ingolstadt befindlichen Erbprinzen Maximilian nur die meist von Jesuiten gelesenen öffentlichen Collegien über die ethischen und übrigen philosophischen Doctrinen besuchen; für die Unterweisung seines Sohnes in der Rechtswissenschaft und der heimathlichen Gesetzgebung hatte er sich den damals bereits rühmlich bekannten Dr. F. ausersehen. F. trat im December 1588 in baierischen Dienst über und begann im Januar 1589 seine Privatvorträge bei dem Prinzen Maximilian zu Ingolstadt. Diese erstreckten sich aber nicht bloß auf die Einführung des letzteren in das juristische Studium, sondern auch in jenes der Geschichte und der lateinischen und griechischen Classiker. F. hatte insbesondere auch die italienische Lectüre des Prinzen zu leiten. Die juristische Lehrthätigkeit hatte F. bei seinem erlauchten Zögling auch noch fortzusetzen, als dieser im April 1591 die Universität verließ und an den Münchener Hof zurückkehrte. Glänzendere praktische Erfolge hat vielleicht noch kein Privatissimum an einem fürstlichen Zuhörer erzielt, als F. an dem Prinzen Maximilian. Herzog Wilhelm konnte bereits im J. 1594 den kaum zwanzigjährigen Jüngling zum Mitregenten erklären und 4 Jahre darauf, nach dem Wunsche der Landstände, die Landesregierung selbst an ihn abtreten. Maximilian ernannte sogleich nach seinem Regierungsantritt seinen alten Lehrer zum Hofrath und gab ihm Gelegenheit, seine Zeit fortan der Beschäftigung mit seinen Lieblingsgegenständen, der Numismatik und der Alterthumkunde, widmen zu können, indem er ihm die Ordnung [777] und Beschreibung der reichen herzoglichen Münzsammlung und der Kunstkammer (der Grundlage des heutigen baierischen Nationalmuseums) übertrug. – F. war außerdem ein fruchtbarer Autor. Wir haben von ihm an zwanzig meist umfangreiche Druckschriften, die aber fast sämmtlich für unsere Tage jede Bedeutung verloren haben. Die Mehrzahl derselben ist polemischer Natur; eben sie aber trugen dem Verfasser von Seite seiner Gönner und Glaubensgenossen die lebhaftesten Beweise von Beifall und Anerkennung, und ohne Zweifel auch die Würde eines Eques aureus und Comes palatinus ein, sogar im Liede ward er gefeiert. Die polemische Richtung tragen auch seine juristischen Tractate: „Theologia juridica seu jus civile theologicum“ (Dilling. 1575) und „De jure magistratuum in subditos et de poena magistratuum“ (Ingolst. 1578) an sich. Auf geschichtlichem Gebiete versuchte er sich nur durch Uebersetzungen von Olaus Magnus’ Historien der mitternächtigen Länder, und von Stanislaus Reske’s Leben des Cardinals Hosius. – Werthvolles und auch für die Gegenwart Brauchbares, zumal für die politische Geschichte Deutschlands im 16. Jahrhundert birgt hingegen Fickler’s handschriftlicher, in der Staatsbibliothek zu München aufbewahrter Nachlaß. Seine Collectaneen-Bände enthalten nämlich zahlreiche interessante Schriftstücke, die ihm als ehemaligem fürstlich salzburgischen Secretür und Kanzler und aus der Hinterlassenschaft v. Gumppenberg’s zu Handen kamen. Seine geschichtliche Beschreibung des Concils von Trient, und zwar nicht bloß von 1562–1564, während welcher drei Jahre er demselben persönlich anwohnte, ist keineswegs „ein trocknes Register von Namen und Ceremonien“, sondern eine fleißige Sammlung aller auf dem Concil gehaltenen Reden, Disputationen und zu Stande gekommenen Beschlüsse, soweit sich F. dieselben zu verschaffen in der Lage war. Schätzbare Einzelheiten bieten Fickler’s „Epistolae“. d. h. die Sammlung der Concepte aller wichtigeren von 1559–1606 in eigenem Namen oder im Auftrage der Erzbischöfe von Salzburg und des Herzogs Maximilian von F. geschriebenen Briefe. In dem abschriftlich vorhandenen Bruchstücke einer Autobiographie erzählt uns F. leider mehr von seinen Verwandten, Schwägern und Kindern, als von seinem eigenen Leben; ein ausführliches Diarium über alle Begebenheiten seiner Zeit, auf welches er sich in jener bezieht, ist leider ein „Codex perditus“. Als Aufzeichnung eines Augenzeugen schätzbar ist ferner Fickler’s Fortsetzung von Reitgärtler’s Chronik von Salzburg bis zum J. 1588, sowie auch dessen Antiquariolum und Itinerarium Romanum vom J. 1560. Entschiedenen und bleibenden Werth endlich für die Geschichte der baierischen Staatssammlungen behaupten Fickler’s vier Folianten umfassende Beschreibung des herzoglichen Münzcabinets, zu dessen erster Begründung F. selbst durch Ueberlassung der von ihm in Italien gesammelten römischen und griechischen Münzen an Herzog Albrecht V. beigetragen hatte, und jene der sogenannten Kunstkammer nach deren damaligem Bestande von nahezu vierthalbtausend Nummern. Daß F. wie alle seine Berufs- und Zeitgenossen den Glauben an Hexen, Zauberer, Wahrsager und Dämonen als Dogma betrachtete, darf ihm nicht verargt werden, daß aber sein Blick für Licht und Wahrheit nicht verschlossen war, bewies er unter anderm dadurch, daß er die von Francesco Caloro verfaßte Vertheidigungesschrift für Savonarola aus dem Italienischen ins Lateinische übersetzte und wie es scheint seinem Lieblingsbuche: Novus malleus maleficarum Bartholomaei de Spina (Colon. 1581) nebst seinem eigenen: „Judicium generale de poenis maleficarum magorum et sortilegorum utriusque sexus“ in säuberlichster Reinschrift beibinden ließ. Er starb 1610.
Fickler: Johann Baptist F. wurde 24. Mai 1533 zu Backnang in Würtemberg geboren, sein Vater, der daselbst Untervogt war, übersiedelte jedoch, nachdem Herzog Ulrich im J. 1534 in seinem wiedergewonnenen Lande die Reformation eingeführt hatte, in die katholisch gebliebene Reichsstadt Weil. F. that sich darauf etwas zu gute, daß er „noch in der Wiege dem lutherischen Staube entrückt wurde“, und trieb später den mit der Muttermilch eingesogenen Widerwillen gegen die neue Lehre so weit, daß er seinen wirklichen Geburtsort verleugnete und sich auf den Titelblättern seiner Schriften geradezu als geborenen Weiler (Wilestadensis) bezeichnete. Da er seinen Vater schon 1544 verlor, kam er behufs seiner wissenschaftlichen Ausbildung zu Verwandten, zuerst nach Freiburg im Breisgau, dann nach Würzburg zu dem Chorherrn am Stift St. Johann im Neumünster Joh. Freninger. Dieser scheint F. zum geistlichen Stande bestimmt zu haben, denn er empfing daselbst „die heilige Firm una cum prima tonsura“. F. besann sich jedoch eines andern. Er bezog die Universität Ingolstadt und ein freundlicher Stern führte ihn als „Famulus“ in das Haus des berühmten eben erst aus Bologna berufenen Rechtslehrers und Canonisten J. Zoanetto, der ihn durch Privatvorträge und öffentliche Vorlesungen zum tüchtigen Juristen heranbildete. Nach vierjährigem Aufenthalte an der Universität um 1555 zum Magister artium et philosophiae creirt kam F. als Privatsecretär in die Dienste des Dompropstes zu Basel und zugleich Domherrn zu Augsburg, Eichstätt, Regensburg und Würzburg,